Der politische Spielraum für CO2-Steuern ist grösser als angenommen. ETH-Politikwissenschaftler zeigen, wie CO2-Steuern in Deutschland und den USA Mehrheiten finden können. Entscheidend ist die Verwendung der Steuer und dass alle Industrienationen solche einführen.
Michael Walther, ETH Zürich
Sinnvoll gegen den Klimawandel, aber politisch riskant: CO2-Steuern gelten als zweischneidiges Schwert. Eine Studie von ETH-Politikwissenschaftlern relativiert dieses Bild nun aber: Je nach Ausgestaltung gibt es für CO2-Steuern durchaus Mehrheiten. Ausschlaggebend für die Akzeptanz in der Bevölkerung sind neben der Höhe der Steuer zwei Faktoren: Die Verwendung der Einnahmen und die Frage, ob andere industrialisierte Länder ähnliche Steuern einführen.
Diesen Schluss ziehen die beiden Autoren – Senior Researcher Liam Beiser-McGrath und Thomas Bernauer, ETH-Professor für Politikwissenschaft – in einem Artikel, den sie soeben in Science Advances publiziert haben.
Mit einem Online-Experiment haben sie die Haltung zu CO2-Steuern bei einer repräsentativen Stichprobe von je rund 3000 Personen in Deutschland und den USA erforscht. Die Befragten bewerteten eine Reihe von CO2-Steuer-Modellen, deren Eigenschaften durch das Experiment zufällig variiert wurden.
Auf diese Weise konnten die Wissenschaftler den Einfluss einzelner Eigenschaften eines CO2-Steuer-Modells auf die Zahlungsbereitschaft bestimmen. Mit anderen Worten: Sie konnten eruieren, wie eine CO2-Steuer gestaltet sein müsste, damit sie mehrheitsfähig ist, und im Gegenzug, welche Eigenschaften sie zum Absturz bringen können.
Zwei Fragen interessierten die Forscher besonders: Welchen Einfluss haben Informationen über die Verwendung der Steuererträge auf die Zahlungsbereitschaft? Und wie verändert sich die Haltung, wenn die Probanden wissen, dass andere Länder ebenfalls eine solche Steuer einführen?
Zweckgebundene Steuern fördern Zustimmung
Betrachtet man nur den Einfluss der Verwendung der Steuererträge, zeigt sich ein klares Bild: Wissen die Befragten über die Verwendung der Steuern Bescheid, sind sie zahlungsbereiter. Für bestimmte Verwendungszwecke finden sich sogar deutliche Mehrheiten: Werden die CO2-Steuern etwa für Investitionen in erneuerbare Energien eingesetzt, gibt es bei den Befragten in den USA eine mehrheitliche Zustimmung für Steuern bis zu 60 Dollar pro Tonne CO2. Das entspricht etwa 860 Dollar pro Jahr für einen Durchschnittsbürger und liegt im Bereich, der als notwendig gilt, um Treibhausgasemissionen so zu senken, dass das international vereinbarte Zwei-Grad-Ziel erreicht werden kann. Eine generelle Steuer-Rückvergütung an die Bevölkerung hat eine ähnlich positive Wirkung auf die Zahlungsbereitschaft.
Auch in Deutschland steigern diese Verwendungen die Zahlungsbereitschaft deutlich, allerdings findet sich nur bis zu 20 Dollar pro Tonne eine mehrheitliche Zustimmung. Dieser Wert ist aus heutiger Sicht jedoch beachtlich, gilt die CO2-Steuer von Kanada, die mit 20 Dollar pro Tonne startet und bis 2022 auf 40 Dollar steigen soll, schon als ambitioniert. Thomas Bernauer sagt: «Unsere Studie zeigt, dass es durchaus Spielraum für die Gestaltung einer mehrheitsfähigen und gleichzeitig wirksamen CO2-Steuer gibt. Dies vermutlich auch in der Schweiz. CO2-Steuern sind nicht per se politischer Selbstmord.»
Förderlich für die Zahlungsbereitschaft sind auch Investitionen der Steuererträge in Infrastruktur oder – wenn auch weniger deutlich – in Programme für Bevölkerungsschichten mit tiefem Einkommen. Sehr unbeliebt werden CO2-Steuern jedoch, wenn die Einnahmen zur Senkung von Unternehmenssteuern oder des staatlichen Defizits verwendet werden.
Industrienationen müssen mitziehen
Neben der Verwendung der Steuererträge haben die Forscher ein weiteres entscheidendes Kriterium identifiziert. Hohe Steuern werden in beiden Ländern nur akzeptiert, wenn alle industrialisierten Länder eine CO2-Steuer einführen. Auf einem tieferen Steuerlevel hingegen würde in Deutschland auch das Mitziehen der EU-Länder reichen. Und in den USA findet sich bis 30 Dollar pro Tonne sogar für den Alleingang eine mehrheitliche Zustimmung.
Aufgeschlossenere Amerikaner
Dieser überraschende Unterschied zieht sich quer durch die Resultate: In den USA ist die Zahlungsbereitschaft für CO2-Steuern offenbar höher als in Deutschland. Studienautor Liam Beiser-McGrath sagt: «Wir hätten nicht gedacht, dass wir bei den generell steuerkritischen Amerikanern mehr Zustimmung finden als in Deutschland.» Möglicherweise liege dies an der geringeren Unterstützung für Marktinstrumente in Deutschland. Die Studie macht dazu jedoch keine Aussagen.