Eigentlich sollten die eidgenössischen Räte in der Frühjahrssession dieses Gesetz beraten. Die Session wurde wegen der Corona-Krise aber abgebrochen, bevor die Behandlung des Gesetzes begonnen hatte. So zögern sich die Beschlüsse weiter hinaus. Verschiedene Verbände waren im Vorfeld bereits mit den Entscheiden der Zuständigen Kommission zum CO2-Gesetz nicht zufrieden.
Text: Beat Kohler
Dieses Mal ist der Nationalrat unschuldig daran, dass sich das CO2-Gesetz weiter verzögert. Im Januar 2019 hatte das Parlament das Gesetz erstmals versenkt und im Dezember dann auf die Frühjahrssession verschoben. Das Coronavirus Covid 19 hat nun zum Unterbruch der Frühjahrssession geführt, gerade bevor die Räte über das Gesetz beraten konnten.
So sorgt die dieses mal die Pandemie für eine Verzögerung für einen wirksamen Klimaschutz. Immerhin hat die nationalrätliche Umweltkommission das Geschäft im Februar bereits vorberaten und dabei viele der Vorschläge, die zuvor im Ständerat eingebracht worden waren, mehrheitlich gutgeheissen, insbesondere die Reduktionsziele, die Vorgaben für Fahrzeuge, den Klimafonds und die Flugticketabgabe. Die beantragten Massnahmen im CO2-Gesetz könnten einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, die Treibhausgasemissionen zu reduzieren, schrieb die UREK-N in einer Mitteilung.
Offensive für Investitionen in grosse Solaranlagen
Erfreulich für die Solarbranche und die Photovoltaik insgesamt ist ein anderer Entscheid, den die UREK-N an ihrer Sitzung im Februar gefällt hat. Sie hat einstimmig beschlossen, eine Kommissionsinitiative zur Erhöhung der Einmalvergütung für grosse Photovoltaikanlagen einzureichen. Die Initiative fordert, dass das Energiegesetz so anzupassen, «dass für Photovoltaikanlagen ohne Eigenverbrauch eine Einmalvergütung eingeführt wird, die höher ist als die heutigen Vergütungen, welche unter Berücksichtigung der Auswirkungen des Eigenverbrauchs auf die Rentabilität berechnet werden». Grosse Photovoltaikanlagen ohne Eigenverbrauch, etwa auf Stalldächern oder Infrastrukturen, seien in den heutigen Förderreglungen aufgrund der tiefen Abnahmepreise für den eingespeisten Strom benachteiligt, schreibt die Kommission. Die geforderte Änderung im Energiegesetz soll dies beheben. «Die Kommission ist sich bewusst, dass der Bundesrat zusätzliche Investitionsanreize in erneuerbare Energien im Rahmen der geplanten Revision des Energiegesetzes vorsieht, sie will aber mit dieser gezielten Verbesserung rasch vorwärts machen», heisst es in einer Mitteilung. Grossen Anlagen, die einfach zu bauen sind, geringe Produktionskosten aufweisen und ihre gesamte Energieproduktion ins Netz einspeisen, sei Priorität einzuräumen. Die Finanzierung soll ohne Erhöhung des Netzzuschlags erfolgen.
Die Kommission spricht sich weiter für mehr Flexibilität bei der Führung des Netzzuschlagsfonds aus. Sie hat eine Motion, welche die Prüfung einer Verschuldung des Netzzuschlagsfonds bezweckt, klar angenommen. Damit könnten weitere Mittel zur Förderung erneuerbarer Energien eingesetzt werden.
Deutliche Kritik
Davon sind allerdings längst nicht alle überzeugt. So zeigte sich die Klima-Allianz, zu der auch die SSES gehört, geradezu entsetzt über die Beschlüsse der UREK-N. Gegenüber dem Beschluss des Ständerats sei das Gesetz in vielen Punkten verschlechtert worden, was in der heutigen Zeit vollkommen unverständlich sei. So versteht die Klima-Allianz nicht, dass das Reduktionsziel für Treibhausgasemissionen im Inland nur 30 Prozent betragen soll. Zwingend nötig seien 60 Prozent. «Die Umweltkommission geht im Bereich Klimaschutz im Schneckentempo vorwärts – es braucht eigentlich doppelt so ambitioniertere Inlandziele», erklärt Elmar Grosse-Ruse, Klimaschutzexperte beim WWF Schweiz. Stossend findet die Allianz auch, dass die Kantone erst drei Jahre später als vom Ständerat beschlossen Vorgaben haben sollen, um beim Heizungsersatz auf klimafreundliche Alternativen statt Öl- und Gasheizungen zu setzen. Damit wird die Umstellung auf erneuerbare Energieträger im Heizungsbereich erneut verzögert und zum Teil auf Jahrzehnte hinaus blockiert.
In den letzten Jahren hat sich nämlich gezeigt, dass immer noch ein Grossteil der Ölheizungen durch neue Ölheizungen ersetzt wird. Bei den aktuell historisch tiefen Ölpreisen ist hier keine Veränderung zu erwarten. Die Klima-Allianz versteht auch nicht, wieso die Kommission – im Gegensatz zum Ständerat – darauf verzichtet hat, die Umweltverträglichkeitsprüfung um den Klima-Aspekt zu erweitern. Denn heute müssen alle Projekte unter diesem Aspekt angeschaut werden, um der Klima-Krise zu begegnen.
«Die Klima-Allianz wäre beunruhigt, wenn der Nationalrat der Kommissionsmehrheit folgen würde. Die Schweiz kann und muss viel ambitioniertere Massnahmen ergreifen, um die Pariser Klimaziele zu erreichen», sagte Stefan Salzmann, Co-Präsident der Klima-Allianz Schweiz, im Februar. Nun haben die Volksvertreterinnen und Vertreter noch etwas mehr Zeit, über die Vorlage nachzudenken. Das Gesetz müsse auf die wissenschaftlichen Anforderungen ausgerichtet werden, was auch dem Willen der Wählerinnen und Wähler entspreche, die im Herbst ein starkes Zeichen für mehr Klimaschutz gesetzt haben, fordert die Klima-Allianz.
Mehr Ambitionen
Nicht nur bei der Klima-Allianz sondern auch auch der Wirtschaftsverband swisscleantech ist man mit der Vorarbeit der nationalrätlichen Umweltkommission nur sehr bedingt zufrieden. «Um die wissenschaftlich breit abgestützten Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen, reicht die Vorlage in der jetzigen Version nicht aus. Dafür bräuchte es ambitioniertere Klimaziele und entsprechend wirksame Massnahmen», sagt Christian Zeyer, Geschäftsführer von swisscleantech.
Das CO2-Gesetze sei das wichtigste Instrument der Schweiz zur Umsetzung des Pariser Klimaabkommens und eines wirksamen Klimaschutzes. Die politischen Rahmenbedingungen entschieden aber auch massgeblich darüber, ob sich die Schweiz in diesem Zukunftsmarkt als Lösungsanbieterin positionieren könne. «Von einem modernen und wirksamen CO2-Gesetz profitiert die gesamte Volkswirtschaft: Innovationen werden belohnt, es entstehen neue Absatzmärkte. Und zusätzliche Investitionen helfen, die Energieeffizienz in verschiedenen Sektoren zu steigern», so Zeyer.
Auch swisscleantech fordert ein ambitionierteres Inlandziel. Reduktionspotenziale im Inland seien genügend vorhanden. So sieht der Verband wie auch die Klima-Allianz mehr Handlungsbedarf im Bereich der Gebäude und wehrt sich ebenfalls gegen eine längere Übergangsfrist bei den MuKEn 2014 bis 2026. «Aufgrund der langen Lebensdauer von Öl- und Gasheizungen läuft der Gebäudebereich damit Gefahr, die Klimaziele zu verfehlen», erklärt swisscleantech. Mit einem wirksamen Gebäudestandard profitierten Haushalte zunehmend von klimaverträglichen Heizungen. Diese seien im Betrieb meist günstiger und entlasteten die Mieter. «Die Revision des CO2-Gesetzes ist ein erster wichtiger Schritt, um die vollständige Transformation weg von den fossilen Energien voranzutreiben. Um den Unternehmen Investitions- und Planungssicherheit zu garantieren, sollte das Gesetz so schnell wie möglich verabschiedet werden», forderte Zeyer im Februar.
Daraus wird nun vorerst nichts. Die politischen Geschäfte ruhen. Im Mai soll zwar eine Sondersession stattfinden, die sich aber ausschliesslich mit den Auswirkungen der Pandemie befassen wird. Wann das Gesetz im Rat diskutiert wird ist noch offen und auch ob die vorgesehenen Fristen gehalten werden können. Nach Abschluss der parlamentarischen Beratung und möglichen Referendumsabstimmung ist die Inkraftsetzung des revidierten CO2-Gesetzes eigentlich auf Anfang 2022 vorgesehen. So könnte die Pandemie im schlechtesten Fall für eine Verzögerung bei den gesetzlichen Massnahmen gegen die Klima-Krise sorgen, obwohl auch hier die Zeit knapp ist, in der wir handeln können.
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