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«Wasserstoff nur mit Strom aus erneuerbarer Energie produzieren»

Foto: H2 Energy AG

H2 Energy wurde 2014 mit dem Ziel gegründet, Wasserstoff aus erneuerbarer Energie zu einem Grundpfeiler des Energiesystems zu machen. Im November 2018 hat die Schweizer Firma das Ziel formuliert, in der Schweiz innert kurzer Zeit 1600 mit Wasserstoff betriebene Lastwagen auf die Strasse zu bringen. Im interview erklären Philipp Dietrich, CEO H2 Energy AG Schweiz, Lucas Grolimund, Mitglied der Geschäftsleitung, und Patrick Huber, CEO H2 Energy Holding AG, wo man auf dem Weg zu diesem Ziel steht.

Beat Kohler: Wo steht H2 Energy auf dem Weg zu 1600 Wasserstofflastwagen auf Schweizer Strassen? Wie viele Lastwagen sind heute unterwegs?
Patrick Huber: Seit unserem Gespräch November 2018 hat sich sehr viel getan. Im April 2019 gründete Hyundai Motor Company mit H2 Energy Holding AG ein Joint Venture namens Hyundai Hydrogen Mobility (HHM). Das Joint Venture hat die Aufgabe, exklusiv für ganz Europe die Brennstoffzellen Nutzfahrzeuge von Hyundai zu vertreiben und zu warten. Bis Juli 2019 hat Hyundai dann die ersten neun Prototypen des für die Schweiz vorgesehenen Trucks produziert und diese in Korea getestet und für die Europäische Homologation vorbereitet. Seit März befindet sich auch der erste Truck in der Schweiz und wird dazu verwendet, um Erfahrungen mit der Wartung und dem Aufbau zu sammeln. Auf Grund der Covid-19 Situation konnten die Ingenieure von Hyundai leider noch nicht in die Schweiz einreisen, weshalb wir uns entschieden haben, die Fahrtests weiter in Korea durchzuführen. Glücklicherweise stehen uns dort topographische Bedingungen zur Verfügung, die sehr gut mit deren der Schweiz vergleichen lassen.

Mit welchen Massnahmen sorgt H2 dafür, dass dieses Ziel von 1600 Lastwagen erreicht werden kann?
Lucas Grolimund: Wenn eine bestehende Technologie nachhaltig durch eine auf Brennstoffzellen basierende Lösung ersetzt werden soll, müssen immer drei Bereiche abgestimmt aufgebaut werden. Diese Bereiche sind die Produktion von grünem Wasserstoff, die Anwendung und der Aufbau der Infrastruktur. Wir sehen unsere Rolle in diesem Projekt darin, den Aufbau dieser drei Bereiche abzustimmen. Dies bedeutet, dass wir mit Hyundai an der Entwicklung des Lastwagens arbeiten, dass wir den Aufbau der Tankstellen Infrastruktur in der Schweiz koordinieren und dass wir mit Hydrospider, einem Joint Venture zwischen Alpiq, Linde und H2 Energy, dafür sorgen, dass grüner Wasserstoff produziert wird und kostengünstig zu den Tankstellen gelangt.

Wie wirkt sich die Corona-Krise auf die Einführung aus?
Patrick Huber: Die Corona Krise bringt auf Grund von Reisebeschränkung einige Herausforderungen mit sich. So können wie bereits angesprochen, die Ingenieure von Hyundai nicht in die Schweiz fliegen, um die Testfahrten mit den Trucks Vorort durchzuführen und auch die Entwickler der Tankstellen können uns zurzeit beim Bau der Tankstellen wenig unterstützen. Wir wurden somit gezwungen, einige Abläufe anzupassen und setzen alles daran, dass die momentanen Umständen zu keinen Verzögerungen bei der Auslieferung der Trucks oder der Inbetriebnahme der Tankstelle führen werden.

Was für Unternehmen setzen heute bereits auf Wasserstoff und warum?
Philipp Dietrich: Beim Aufbau einer Wasserstoff Ökonomie kommen in der Schweiz dem Wasserstoff Förderverein H2 Mobilität grosse Verdienste zu. Dieser hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2025 1’600 Brennstoffzellen Lastwagen auf die Strassen zu bringen und 50 bis 100 Wasserstoff Tankstellen zu bauen. Zurzeit gehen wir davon aus, dass wir beide Ziele erreichen werden, aber wir erachten die Bereitschaft des Fördervereins als keine Selbstverständlichkeit und profitieren von der Unterstützung aller Mitglieder des Fördervereins, dem sich neben Coop und Migros zehn Logistik Firmen und sieben Tankstellen Betreiber angeschlossen haben.

Wie viel C02-Ausstoss wird heute bereits vermieden?
Lucas Grolimund: Um Frage nach der CO2 Einsparung durch die Projekte beantworten zu können, ist es wichtig, die Aufgabe von Wasserstoff bei der Energiewende genau zu beschreiben. Diese beinhaltet drei wesentliche Bereiche. Erstens kann durch Wasserstoff erneuerbar produzierte Strom, die nicht ins Netz eingespeist werden kann gespeichert werden. Zweitens kann Wasserstoff dazu verwendet werden, um Energie zu verteilen und drittens können Wasserstoff und Brennstoffzellen Anwendungen dazu verwendet werden, um Verbrennungsmotoren zu ersetzten. Bei den Anwendungen ist es relativ einfach, die Einsparung zu quantifizieren. So wird durch einen Brennstoffzellen LKW pro Jahr im Schnitt rund 75 Tonnen CO2 Ausstoss vermieden. Aber eine weitaus grössere Wirkung wird durch Wasserstoff erzielt, weil diese es ermöglicht, den unstetigen Fluss von erneuerbar produzierter Energie zu speichern und zu verteilen. Deshalb wird Wasserstoff instrumentell sein, um die Energiewende zu vollziehen.

Welche Erfahrungen hat man in der Praxis bis heute gemacht?
Philipp Dietrich: Das Konzept einer Brennstoffzelle wurde das erste Mal 1838 dargestellt und seit den 50er-Jahren wird es in der Raumfahrt angewendet. Man könnte deshalb meinen, dass es eigentlich eine sehr etablierte Technologie ist. Allerdings waren es Entwicklungen in den letzten zehn Jahren, die es ermöglichten, die Brennstoffzelle serienmässig zu produzieren und einzusetzen. Eine wesentliche Erkenntnis, die wir beim Einsatz von Brennstoffzellen gewonnen haben, ist die Tatsache, dass die Qualität der Brennstoffzellen zurzeit sehr unterschiedlich sind und somit nicht von einem homogenen Gut gesprochen werden kann. Das heisst, dass sich je nach Anwendung unterschiedliche Brennstoffzellen bevorzugt verwendet werden sollten. Die Abwägung, welche Brennstoffzelle zu verwenden ist, braucht aber meistens eine gründliche Analyse.

Was sind die besonderen technischen Herausforderungen?
Patrick Huber: Die ausführlichen Tests in Zusammenarbeit mit Hyundai haben uns aber auch gezeigt, dass im Bereich des Nutzlasttransportes die Brennstoffzelle bezüglich der Leistung den Verbrennungsmotor ersetzen kann und die technischen Herausforderungen sich vorwiegend auf die Abstimmung der LKWs mit der Infrastruktur begrenzen. Diesbezüglich lernten wir, dass eine ungekühlte 350 bar Betankung für LKWs die technisch und kommerziell sinnvollste Lösung darstellt. Weiter haben wir auch noch zusätzliche Erfahrung zu der grundsätzlichen Konzeption des Brennstoffzellen LKW’s gemacht. Da die Wasserstofftanks schwerer sind als herkömmliche Dieseltanks mussten am Lastwagen einige Dinge angepasst werden, um die Balance und die Abmessungen des Trucks zu optimieren.

Eine Herausforderung ist das Tankstellennetz. Wie weit ist dieses heute ausgebaut und wie soll der Ausbau weiter vorangetrieben werden?
Philipp Dietrich: Technisch gesehen sind beim Bau des Tankstellennetzes keine grossen Schwierigkeiten zu erwarten, weil es sich hier um eine etablierte Technologie handelt. Dier Herausforderungen beim Bau des Tankstellennetzes liegen im Erstellen eines optimierten Konzeptes für den Betrieb der Tankstellen und vor allem in der zeitlichen Abstimmung mit dem Rollout der Trucks und dem Aufbau der Wasserstoff Produktionsanlagen.
Patrick Huber: Eine Tankstelle kann profitabel betrieben werden, wenn sie die Betankung von rund 15 Lastwagen abdeckt. Somit musste der Standort der Tankstellen mit den Operateuren der Trucks koordiniert werden, damit die Tankstellen dort gebaut werden, wo auch die Trucks zu erwarten sind. Auch in diesem Aspekt waren wir in der glücklichen Lage, eng mit dem Förderverein H2 Mobilität Schweiz zusammenzuarbeiten zu dürfen, der uns bei der Koordinationsarbeit stark unterstütze und dessen Mitglieder mit dem Bau von Tankstellen auch in Vorleistung gegangen sind.
Lucas Grolimund: Wir gehen davon aus, dass bis Ende Jahr rund sechs Tankstellen in der Schweiz verfügbar sein werden. Diese Tankstellen werden auch von den Flughafen Taxis benutzt werden können, um ihre Wasserstoff PKWs mit grünem Wasserstoff zu versorgen. Bis Ende 2021 rechnen wir mit rund 20 Tankstellen, wodurch die Schweiz über das grösste Wasserstoff Tankstellen Netz verfügen wird

Wie hat sich die Zusammenarbeit mit Hyundai als grossem Partner entwickelt?
Lucas Grolimund: Hyundai und Toyota sind zurzeit im Bereich der Brennstoffzellen Technologie die Marktführer und es war für uns sehr wichtig einen Partner zu finden, dessen Produkte unseren Ansprüchen genügt und wir sind sehr stolz diesen Partner in Hyundai gefunden zu haben. Das Joint Venture wurde im letzten Quartal 2019 operativ und ist seither daran, die Import- und Wartungsprozesse aufzubauen und die restlichen Verträge mit Kunden, Tankstellen und Hydrospider fertigzustellen. Gleichzeitig erwartet Hyundai aber von uns, dass wir uns auch um die geographische Expansion kümmern, und wir sind daran, die Basis zu schaffen, um die Trucks auch ausserhalb der Schweiz anbieten zu können. Wir fokussieren uns diesbezüglich auf die Länder Norwegen, Holland, Dänemark, Österreich und Deutschland und gehen davon aus, dass es uns in den nächsten zwölf Monaten möglich sein wird, die Trucks auch ausserhalb der Schweiz zu vertreiben.
Philipp Dietrich: Hyundai Hydrogen Mobility wurde mit dem «Truck Innovation Award 2020» ausgezeichnet. Dies ist eine Auszeichnung, welche von einer Jury bestehend aus 25 Nutzfahrzeugredakteuren und leitenden Journalisten, die die wichtigsten LKW-Magazine aus Europa und Südafrika vertreten, vergeben wird. Die Jury würdigte vor allem den ganzheitlichen Ansatz von Hyundai Hydrogen Mobility und meint damit, dass wir die mit der Markteinführung der Trucks auch eine unterstützende Infrastruktur erstellen. Diese Auszeichnung hat uns in unserem Ansatz nicht nur bestätigt, sondern hat auch im Hyundai Konzern sehr viel Aufmerksamkeit erhalten, welche uns half, zusätzliche Ressourcen im Hyundai Konzern zugesprochen zu bekommen, um unser Vorhaben weiter voranzutreiben.
Patrick Huber: Eine Zusammenarbeit zwischen einer Firma mit rund zwanzig Mitarbeiter und einem Weltkonzern ist eine stetige Herausforderung. Vor allem bei Entscheidungen, mussten wir uns zuerst an die Prozesse bei Hyundai gewöhnen, die natürlich weit umfassender sind als die von uns. Bei der Zusammenarbeit ist es jedoch immer zentral die Bedürfnisse des Partners zu verstehen und zu wissen, was dem anderen wichtig ist. Wenn man diese Empfindungen kennt und sie gegenseitig respektiert, ist es meistens sehr einfach, Probleme pragmatisch zu lösen.

H2 Energy ist auch in die Produktion von Wasserstoff in Gösgen involviert. Wo steht man bei dieser Produktion heute?
Philipp Dietrich: Im September 2019 haben wir mit den Bauarbeiten der 2MW Anlage am Alpiq Laufwasserkraftwerk in Gösgen begonnen. Diese Anlage kann pro Jahr rund 300’000kg Wasserstoff produzieren, was ausreichend sein wird, um rund 50 Trucks mit grünem Wasserstoff zu versorgen. Die Arbeiten an der Anlage sind abgeschlossen und die Produktion hat begonnen. Zurzeit beschäftigen wir uns mit der Planung der nächsten Anlage und wir evaluieren diesbezüglich verschiedene Standorte, um eine 10 MW Anlage zu installieren.
Patrick Huber: Die ersten Lastwagen für die Kunden erwarten wir im August. Damit wir die Anlage aber trotzdem auslasten können, sind wir bemüht, Gösgen produzierten grünen Wasserstoff auch anderweitig zu vertreiben. In dieser Sache werden wir auch von unserem Joint Venture Partner PanGas Linde unterstützt.

Wie gross muss die Produktionskapazität für nachhaltigen Wasserstoff sein, damit die 1600 Lastwagen einerseits und der gesamte Schwerverkehr andererseits mit der neuen Technologie betrieben werden könnte?
Lucas Grolimund: Die 1600 Brennstoffzellen Lastwagen werden eine Produktionskapazität von rund 50 MW brauchen. Wir gehen jedoch davon aus, dass durch die Verfügbarkeit von Wasserstofftankstellen, vermehrt auch PKW Fahrer auf Wasserstoff umstellen werden und dies zusätzliche Kapazitäten verlangen wird. In der Schweiz sind heute zirka 42’000 LKW’s zugelassen. Wenn man eine Flotte in dieser Grössenordnung mit Wasserstoff betreiben möchte, bräuchte es rund 910 MW Elektrolyseur Kapazität.

Wo und wie soll dieser Wasserstoff Ihrer Ansicht nach produziert werden?
Patrick Huber: Ein grosser Vorteil bei der Verwendung von Wasserstoff liegt darin, dass grüner Wasserstoff dezentral produziert werden kann und man nicht auf den Bau von grossen Anlagen angewiesen ist. Um aber einen sinnvollen Beitrag zur Dekarbonisierung zu leisten, ist es wichtig, dass der Wasserstoff nur mit Strom aus erneuerbarer Energie produziert wird. Bei der Art der erneuerbaren Energie ist man aber völlig frei. Hydrospider hat sich in Gösgen für den Standort bei einem Laufwasserkraftwerk entschieden, weil dort die Elektrizität stetig vorhanden ist und sich die Produktionsmengen einfacher prognostizieren lassen und wir deshalb Preisschwankungen von Strom optimal ausnützen können. Wir könnten uns aber auch sehr gut vorstellen, dass man zur Herstellung von grünem Wasserstoff auch den Strom einer Kehrichtverbrennungsanlage oder ausserhalb der Schweiz von Windkraftwerken oder Photovoltaik-Anlagen verwendet. In der Schweiz selber wird es aber sehr schwierig sein mit den durchschnittlichen Sonnenstunden, unsere Anlagen genug auszulasten, um diese alleine mit Photovoltaik profitabel operieren zu können.
Philipp Dietrich: Interessant ist aber die Tatsache, dass egal von welcher Quelle man den Strom bezieht, man immer auch die Herkunftsnachweise erwerben muss. Der Strom könnte auch vom Netz bezogen werden und mit Herkunftsnachweisen für erneuerbaren Strom kombiniert werden. In diesem Fall könnte zusätzlich die Netzstabilität erhöht werden. Allerdings müsste es in diesem Fall zu einer Befreiung der Netzkosten für die Wasserstoffproduktion kommen, um dies kommerziell für alle Parteien sinnvoll abzubilden.

Was sind die nächsten Meilensteine auf dem Weg zum Wasserstoffbetriebenen Schwerverkehr?
Lucas Grolimund: Die Entwicklungsarbeiten für die erste Serie von Brennstoffzellen Lastwagen in Korea ist abgeschlossen und die weltweit erste Serienproduktion dieser Lastwagen ist angelaufen. Anfangs Mai ist in Korea auch das erste Fahrzeug vom Band gerollt und wir erwarten, dass wir die ersten Fahrzeuge im August an unsere Kunden ausrollen werden. Wichtig ist uns aber vor allem, dass wir bis Ende Jahr die ersten fünfzig Fahrzeuge in der Schweiz auf die Strasse bringen werden, um damit möglichst viel Erfahrung zu sammeln, die wir für den Bau der zweiten Serie verwenden können.
Philipp Dietrich: Wichtig ist aber auch der weitere Ausbau des Wasserstoff Tankstellennetzes in der Schweiz. Bis 2023 sollten ca. 50 Tankstellen in Betrieb sein, um die Lastwagen mit Wasserstoff zu versorgen. Parallel dazu werden wir uns aber auch dafür einsetzen, die Produktionskapazitäten von grünem Wasserstoff zu erweitern und werden versuchen, diese neuen Standorte so zu definieren, dass die Transportwege für die Belieferung der Tankstellen kurz gehalten werden können.
Patrick Huber: Bezüglich der Lastwagen liegt der Fokus zurzeit klar auf der Schweiz und wir gehen davon aus, dass wir die ersten 1’600 Trucks bis 2025 in der Schweiz ausgerollt haben werden. Wirklich wichtig ist aber für uns, dass wir dies nachhaltig tun und damit meine ich nicht nur nachhaltig in Bezug auf die Energie, sondern auch bezüglich unserer Prozesse. Diese müssen permanent der Zahl der Lastwagen angepasst werden, um die Kosten kontrollieren und alle Partner optimal einbinden zu können. Aber natürlich müssen wir uns auch um eine geographische Expansion kümmern. Die Entwicklung einer «Wasserstoff-Ökonomie» braucht Vorlaufzeit und deshalb müssen wir auch Zeit investieren, um zusätzliche Länder zu finden, die den Schritt zu einer wasserstoffbetriebenen Schwerverkehrsflotte wagen werden. Unser Ziel wird sein, dass wir bis Ende Jahr ein Konzept für ein zusätzliches Land mit den entsprechenden Partnern entwickelt haben und dass wir im nächsten Jahr rund 100 Trucks international auszurollen werden. An Arbeit mangelt es und deshalb nicht, aber wir geniessen alle auch die Möglichkeit, hier einen spürbaren Unterschied machen zu können.

h2energy.ch