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Was bedeutet die Energiestrategie 2050 für Solarstrom-Produzenten?

Die Perspektive wird für PV-Betreiber bei Annahme der Energiestrategie 2050 nicht unbedingt attraktiver, aber klarer. Das Thema Eigenverbrauch gewinnt weiter an Bedeutung – Mieter können sich vermehrt zum Eigenverbrauch zusammenschliessen. Ob ein Zubau von erneuerbaren Energien stattfindet oder nicht, wird jedoch massgeblich von der lokalen Elektrizitätswerk-Politik abhängen.

Heini Lüthi VESE / Redaktion

Die Genossenschaft Solar St.Gallen (Solar-SG) hat seit 2012 sieben PV-Anlagen auf gemieteten Dächern finanziert und produziert nun jährlich rund 1 Mio. kWh Solarstrom. Wie schweizweit rund zwei Drittel der Solarstromproduzenten erhält auch Solar-SG soweit keine Gelder aus dem nationalen KEV-Fond. In den letzten Jahren wurde die Perspektive auf eine kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) immer unsicherer. In der Stadt St.Gallen war dank einer Übergangsvergütung der Stadtwerke eine gewisse Investitionssicherheit gegeben. Andere PV-Betreiber müssen ihren Solarstrom über Jahre weit unter den Gestehungskosten an den Verteilnetzbetreiber verkaufen; beispielsweise die Solargenossenschaft Bichwil: Seit 2012 erhält sie von den St.Gallisch-Appenzellische Kraftwerke AG (SAK) rund 6 Rp/kWh. Das Elektrizitätswerk kann den Tarif jährlich anpassen: 2015 zahlte SAK 6,8 Rp/kWh, 2016 waren es 5,9, 2017 sind es noch 5,45 Rp/kWh.

Vernehmlassung im Gang

Seit dem 3. Februar und noch bis zum 8. Mai 2017 läuft die Vernehmlassung der Energieförderverordnung, welche ab dem 1. Januar 2018 in Kraft treten soll. Unter der Voraussetzung, dass das Referendum gegen die Energiestrategie 2050 abgelehnt wird. Die neuen Regelungen sind im Vergleich zu der lange vergeblich erhofften kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV) eher weniger attraktiv. Die Produktion von erneuerbarer Energie wird mit der Energiestrategie 2050 nicht vergoldet – aber sie bringt eine gewisse Klarheit nach einigen unsicheren Jahren. Konkret sind zwei Neuerungen von Bedeutung:

  • Die Einmalvergütung (EIV), die bislang auf Kleinanlagen beschränkt war, kann nun von allen PV-Anlagen in Anspruch genommen werde – dafür ist der PV-Produzent beim Stromverkauf dem Markt ausgesetzt.
  • PV-Anlagen grösser 100 kWp können alternativ auf ein Einspeisevergütungs-System (EVS) mit Direktvermarktung hoffen, das anstelle der KEV tritt, aber mit um zirka 20 Prozent reduzierten Tarifen nicht unbedingt kostendeckend ist. Eine 2018 erstellte Anlage erhält die Vergütung über 15 Jahre, aber wohl nur, wenn vor Ende 2013 eine KEV-Anmeldung eingereicht wurde. Für Anlagen, die nach Ende 2013 angemeldet und nach Ende 2014 in Betrieb genommen wurden, ist die Teilnahme am EVS wohl nicht möglich – es wird wieder eine Warteliste geben, und nach 5 Jahren werden keine neuen Zusagen mehr erteilt.

Vor Einführung der KEV 2008 war der sogenannte 15-Räppler für Strom aus erneuerbaren Energien gängig – Solarstrom mit gut 50 Rp/kWh jedoch das teure Sorgenkind. Das neue EVS verspricht für Neuanlagen ab 2018 noch 11 Rp/kWh. Immerhin: Bei idealen Verhältnissen ist heute Solarstrom für 11 Rp/kWh produzierbar. Es bleibt jedoch ein Betriebsrisiko, das mit wohl maximal 2% Kapitalverzinsung nur schwach abgedeckt ist.

Abgesehen von tieferen Fördertarifen sind klarere Rahmenbedingungen für Eigenverbrauchsgemeinschaften von grosser Bedeutung: Ein Zusammenschluss von Mietern, die gemeinsam Strom vom eigenen Dach konsumieren, ist neu vom Netzbetreiber wie ein Endkunde abzurechnen (EnG neuer Art. 18, siehe auch www.vese.ch/evg). Auf Verordnungsebene sind jedoch diverse Formalitäten in Diskussion, welche den Eigenverbrauch wiederum verkomplizieren. Der Verband unabhängiger Energieerzeuger wehrt sich gegen unnötigen administrativen Aufwand, begrüsst jedoch grundsätzlich die Klärung, welche mit der Energiestrategie 2050 erzielt wird.

Einmalvergütung für PV >30 kWp und Eigenverbrauch

Statt einer kostendeckenden Vergütung für die produzierte Energie erhalten PV-Produzenten einmalig bei Inbetriebnahme rund 20% an die Investitionskosten. Die Wirtschaftlichkeit einer PV-Anlage zu berechnen wird deutlich komplexer, da erstens entscheidend ist, wie viel Prozent der Solarstromproduktion zeitgleich vor Ort konsumiert wird. Bei einem Einfamilienhaus ist dieser Eigenverbrauchsanteil oft unter 30%. Über 95% sind es hingegen bei der Bäckerei Schwyter, auf der Solar-SG eine PV-Anlage betreibt. Auf diesem Anteil werden Netzbezugskosten eingespart – beim Einfamilienhaus über 20 Rp/kWh, in der Industrie oft unter 15 Rp/kWh. Für den Überschuss, der zurück ins Netz fliesst, vergüten die Elektrizitätswerke zweitens sehr unterschiedliche Tarife – die jährlich ändern können. Die Technischen Betriebe Weinfelden vergüten beispielsweise zusätzlich zu 4,95 Rp/kWh Strompreis 9 Rp/kWh für den Herkunftsnachweis (HKN). Das ist der ökologische Mehrwert, mit dem Elektrizitätswerke die Nachhaltigkeit ihrer Ökostromprodukte belegen. Entsprechend meldet die Solar Regio Weinfelden TG, dass sich die PV-Fläche in den letzten zwei Jahren von 1 auf 2 m2 pro Einwohner verdoppelt hat. Im nahen Erlen TG bleiben die Dächer hingegen weitgehend frei von Photovoltaik – dort zahlen die kommunalen Betriebe nur 5 Rp/kWh.

Dieser lokalpolitische Einfluss wird die Entwicklung nach dem Ende der nationalen KEV weiter prägen. Über die Einmalvergütung lassen sich mit den gegebenen begrenzten Mitteln mehr Anlagen fördern. Die Eigenverbrauchs-Praxis ist für den nationalen Fond billiger als die KEV, reduziert dafür die Einnahmen der Elektrizitätswerke. Einige Elektrizitätswerke sind dem Eigenverbrauch gegenüber deshalb kritisch; und sie haben es in der Hand, mit Gebühren, Leistungstarifen und tiefen Rückliefertarifen den PV-Zubau in Grenzen zu halten.

Die Einmalvergütung kommt mit der Auflage, dass die Anlage über mindestens 15 Jahre zu betreiben ist, was auf einen weiteren Nachteil der Investitionsvergütung hinweist. Bei einem attraktiv-hohen Einspeisetarif würde ein Produzent möglichst viel Strom aus seiner Anlage herausholen. Wenn er hingegen nur 4 Rp/kWh erhält, wie bei BKW, amortisiert sich der Aufwand für eine Reinigung hingegen kaum. Ein Produzent mit einer KEV-Überbrückungstarif betreibt beispielsweise PV-Anlagen auf einem Wasserkraftwerk – hier gibt es keinen Eigenverbrauch. Das Einspeisevergütungssystem EVS ist keine Alternative, da kleiner als 100 kWp. Glücklicherweise waren die Erträge in den letzten Jahren so positiv, dass die Anlage mit einer EIV schon bald abgeschrieben wäre. Sollte eine grössere Störung auftreten, wäre es ohne attraktiven Rückliefertarif wirtschaftlicher, die Anlage stillzulegen – was selbstverständlich im Sinne der Energiewende nicht zielführend ist.

Einspeisevergütungssystem (EVS) mit Direktvermarktung

Eigentümer von PV-Anlagen grösser als 100 kWp, welche auf der KEV-Warteliste sind, werden neu die Wahl zwischen Einmalvergütung und Einspeisevergütungssystem EVS haben. Diese Wahl will gut überlegt sein.

Solar-SG hat 2013 drei PV-Anlagen grösser als 100 kWp in Betrieb genommen, die ins EVS aufgenommen werden könnten. Die Vergütung ist 20% tiefer.

Für Betreiber von PV-Anlagen, die nicht wie Solar-SG eine kostendeckende Übergangsvergütung erhalten haben, ist die Vergütungs-Reduktion um 20% sehr unschön – sie haben nun schon 2 bis 5 Jahre weit unter Produktionskosten eingespiesen und werden die Anlagen womöglich nicht amortisieren können. VESE spricht sich deshalb klar gegen diese nachträglich Kürzung aus.

Die Alt-Anlagen, die vom EVS profitieren sollen, erhalten höchstens über zwei Jahre nach Inkrafttreten der Energiestrategie einen fixen Vergütungssatz ausbezahlt; anschliessend müssen sie den Strom wie Neuanlagen «direkt vermarkten» und erhalten von der EVS-Vollzugsstelle den Vergütungssatz minus einen quartalsweise festgelegten «Referenz-Marktpreis». (Bislang muss der KEV-Fond auch nur die Differenz zwischen Vergütungssatz und Marktpreis finanzieren, verrechnet den Marktpreis jedoch den Elektrizitätswerken.) Die Differenz – die Einspeiseprämie – gilt den Herkunftsnachweis ab, der alternativ auch anderweitig vermarktet werden kann (ein Austritt aus dem EVS ist jederzeit möglich, aber keine Rückkehr).

Elektrizitätswerke werden zukünftig wohl die Direktvermarktung anbieten; wichtig sind jedoch auch unabhängige Ausweichmöglichkeiten wie Fleco-Power. Die Direktvermarkter erhalten von der EVS-Vollzugsstelle für ihre Dienstleistung 0,55 Rp/kWh (für PV-Anlagen, weniger für Biomasse und Wasser, EnFV Art 29); das sind bei 102 kWp rund 550 CHF/Jahr. Da das EVS begrenzt ist, ist auch das dazugehörige Direktvermarktungspotential begrenzt. Die Direktvermarkter können theoretisch auch den Strom von EIV-Anlagen vermarkten – wobei die Rückliefertarife der Elektrizitätswerke oft doch attraktiver sind als jene auf dem freien Markt. Die Direktvermarktung soll einen Anreiz geben, die Produktion vermehrt auf die Nachfrage auszurichten. Der Direktvermarkter mag einen Preis über dem Referenz-Marktpreis erzielen – bei Solarstrom ist dies jedoch fraglicher als bei steuerbaren Biogasanlagen.

Inwiefern lässt sich der Strom einer Anlage mit erhöhter Winterproduktion (in den Alpen) oder einer Ost-West-Anlage über dem Referenzpreis verkaufen? Da die Einspeiseprämie quartalsweise festgelegt wird, bringt eine erhöhte Winterproduktion keinen Mehrertrag: Eine «Alpenanlage» mag zwar in grösserem Umfang einen hohen Winterstrompreis erwirtschaften, erhält zu diesem aber auch nur die kleine Einspeiseprämie. Was gleichwertig ist wie eine hohe Sommerproduktion bei tiefem Strompreis plus hohe Einspeiseprämie. In einer Simulation erzielte eine Ost-West-Anlage auch kein besseres tieferes Ergebnis, da der Strompreis am Morgen früh doch nicht immer höher ist als am Mittag. Um eine erhöhte Winterproduktion zu fördern, müsste die Einspeiseprämie jährlich statt quartalsweise festgelegt werden. Dann ist jedoch die Ost-West-Anlage im Nachteil, die prozentual mehr im Sommer produziert.

Schlussfolgerung und Ausblick

VESE sieht sowohl die Einmalvergütung als auch dem EVS mit Direktvermarktung in der geplanten Art kritisch. Der Verband argumentiert für einen schweizweit klaren PV-Rückliefertarif für PV-Anlagen bis 100 kWp in Anlehnung an den durchschnittlichen Haushalts-Energietarif (abzüglich 8% Marge, wie ursprünglich auch vom BFE empfohlen wurde).

Nichts desto Trotz steht der Verband unabhängiger Energieversorger (VESE) klar hinter der Energiestrategie 2050. Die Details der Verordnungen sind zu verhandeln, doch die Richtung der Strategie stimmt. Die vorliegende Vorlage ist das Resultat langer Verhandlungen – oft zugunsten konservativer Energie-Politiker. Ein Nein zur ES2050 wäre ein Rückschlag, der noch weniger Planungssicherheit für erneuerbare Energien bedeuten würde.

Zukünftig können Lenkungsmechanismen einfacher und besser wirken als komplexe Verordnungen. Ein erster Schritt wäre eine Herkunftsnachweis-Volldeklaration, das heisst es gibt keinen Strom unbestimmter Herkunft. In einem zweiten Schritt ist über den HKN eine CO2-Kompensation von Kohle- und Gasstrom einzufordern, und bei Atomstrom die volle Kostendeckung für Rückbau und Entsorgung. Wasserkraft und neue erneuerbare Energien werden konkurrenzfähig, wenn die nicht-erneuerbaren Energien ihre externen Kosten tragen.

Die unabhängigen Energieerzeuger bleiben innovativ und richten sich nach dem Markt: Am 13. Mai 2017 lädt die Genossenschaft Solar St.Gallen und VESE/SSES zum Übersichtsreferat mit anschliessender Diskussion «was bringt die ES2050 den Solarstromproduzenten» ein und stellt ihre erste Eigenverbrauchs-PV-Anlage vor: Das Altersheim Rotmonten bezieht zukünftig gut einen Drittel ihres Stroms direkt vom eigenen Dach.

 

  • Was: Tag-der-Sonne – Was bringt die ES2050 den Solarstromproduzenten?
  • Wann: 13. Mai 2017, ab 14 Uhr
  • Wo: Altersheim Rotmonten, Kirchlistr. 14, 9010 St.Gallen
  • Anmeldungen bis 30. April 2017 an heini.luethi@vese.ch