Thermische Solarenergie eignet sich bestens für die Heizung von Schwimmbädern. Das zeigt die jurassische Grenzgemeinde Boncourt, deren Bad nach einer energetischen Sanierung nun über eine Sonnenkollektoranlage mit 107 Kollektoren sowie eine Holzschnitzelheizung verfügt. Die Gemeinde hat noch ehrgeizigere Pläne: 2021 soll das Dach der Sporthalle mit PV ausgerüstet werden, und längerfristig strebt Boncourt das Label «Energiestadt» an.
Text: Andrea Holenstein
Das Dorf Boncourt zählt rund 1200 Einwohnerinnen und Einwohner und liegt im Tal der Allaine, im Norden des Kantons Jura. Die einzige Schweizer Nachbargemeinde ist Basse-Allaine, sämtliche weiteren Nachbargemeinden liegen auf französischem Boden. Eine der Hauptattraktionen der kleinen Gemeinde ist das 1993 gebaute örtliche Schwimmbad. Das Hallenbad bildet durch seine pinkfarbene Fassade einen auffälligen Kontrast zum übrigen Dorfbild. Im Innern des Gebäudes befinden sich zwei Schwimmbecken, ein Jacuzzi, eine Sauna und ein Dampfbad. Die Gemeinde Boncourt hat das Schwimmbad von der bisherigen Eigentümerin, einer Stiftung, übernommen.
Kollektoranlagen
Eine einfache Sonnenkollektoranlage eignet sich gut für die Wassererwärmung in Freibädern, garantieren komfortable Wassertemperaturen und verlängern die Badesaison. Zum Einsatz kommen unverglaste Kollektoren aus schwarzem Kunststoff oder Chromstahl, die direkt vom Bassinwasser durchflossen werden. Dazu kann die bereits vorhandene Umwälzpumpe (Filterkreis) benützt werden. Eine Zusatznutzung der Sonnenwärme zu Duschzwecken ist möglich. Solaranlagen für Schwimmbäder sind die wirtschaftlichste Anwendung thermischer Sonnenenergienutzung. Die Verwendung erneuerbarer Energien ist für die Beheizung von Freibädern in verschiedenen Kantonen Vorschrift. Sonnenkollektoranlagen können aber auch für spezielle Wärmenutzungen eingesetzt werden: Luftvorwärmung von Lüftungsanlagen, Wassererwärmung für Waschanlagen und Wäschereien, Dörranlagen, Heutrocknung, in technischen Prozessen, Bassinwassererwärmung in Hallenbädern usw.
- Bei Neigung 0–15° alle Orientierungen, bei Neigung 15–40° Orientierung Südost bis Südwest
- Kollektorfläche: 40–60% der Bassinoberfläche (mit Bassinabdeckung) und 60–100% der Bassinoberfläche (ohne Abdeckung)
www.swissolar.ch/ueber-solarenergie/solarwaerme/anwendung-solarwaerme/
Sonnenkollektoranlage wärmt Wasser im Sommer
«Die ursprüngliche Idee war, die Holzschnitzelheizung zu ersetzen, da diese nach 25 Jahren das Ende ihrer Lebensdauer erreicht hatte», erklärte Gemeinderat Josué Boesch, der in Boncourt für das Dossier Energie verantwortlich ist, auf Anfrage. «Ausserdem sollte ein Fernwärmenetz geschaffen werden, um andere Gebäude wie die Schule, die Sporthalle, die Kinderkrippe, die Kirche usw. zu versorgen. Die Solarenergie beim Schwimmbad ist eigentlich eine Ergänzung zur Holzschnitzel-Zentralheizung. Im Sommer ist der Energiebedarf viel geringer, und daher übernehmen die Solarmodule die Funktion der Holzschnitzelheizung.» 250 Quadratmeter gross ist die neue Sonnenkollektoranlage, die mit einem Neigungswinkel von 30° auf dem Flachdach installiert wurde und nun für angenehme Badetemperaturen sorgt.
Dachisolation und neue Verglasung senken Bedarf
Während der Sommermonate deckt die Anlage mit ihren 107 Kollektoren den Bedarf für die beiden Schwimmbecken und die Warmwasserbereitung. Sie erbringt einen Solarertrag von 746,7 kWh/m². Während der kalten Jahreszeit erfolgt die Wärmeerzeugung hauptsächlich mit dem Holzkessel. Sollte die Holzschnitzelheizung einmal ausfallen, besteht allerdings die Möglichkeit, das Schwimmbad mit einer Ölzusatzheizung weiter zu beheizen. Um den Energiebedarf des Piscine des Hémionées noch stärker zu reduzieren, führte die Gemeinde gleichzeitig weitere energetische Sanierungsmassnahmen durch: Das Dach wurde isoliert und die gesamte Verglasung ersetzt. Gab es durch die energetische Sanierung auch Kosteneinsparungen? Dazu Gemeinderat Josué Boesch: «Solarenergie und Holzschnitzelheizung wählten wir nicht, um kurzfristige finanzielle Einsparungen zu erzielen, sondern um intelligente, pragmatische und nachhaltige Lösungen zu finden. Trotzdem dürfen wir langfristig mit Vorteilen rechnen, da wir mit lokaler Energiegewinnung weniger abhängig von ausländischen Märkten sind.»
Schwimmbäder für Solarthermie bestens geeignet
Sollte in Zukunft jedes Schwimmbad mit Sonnenkollektoren ausgerüstet werden? Dr. Sjef de Bruijn, Geschäftsbereichsleiter Solarsysteme bei der Ernst Schweizer AG, welche die Sonnenkollektoren für das Schwimmbad in Boncourt installierte, meint dazu: «Schwimmbäder sind sehr geeignet für den Einsatz von Solarthermie, weil sie einen direkten Warmwasserbedarf haben. Wichtig für den weiteren, grossflächigen Einsatz von Solarthermie bei Schwimmbädern ist sicher der Fokus auf die Wärmeerzeugung beziehungsweise auf die Solarthermie in der Schweizer Energiestrategie 2050. Da könnte es jetzt zu einem Revival kommen.»
Boncourt setzt weiter auf Solarenergie
Gemäss Gemeinderat Boesch ist das Schwimmbad für Boncourt erst der Anfang: «Wir haben bereits den Prozess für das Label ‹Energiestadt› gestartet. Zurzeit befinden wir uns noch in der Evaluationsphase, um die Stärken und Schwächen der Gemeinde sowie ihr Potenzial aufzuzeigen. Danach müssen politische Entscheidungen getroffen werden, um Prioritäten zu setzen. Zum jetzigen Zeitpunkt kann ich jedoch sagen, dass der Gemeinderat sehr umweltbewusst ist und der Gemeindeversammlung eine ehrgeizige nachhaltige Strategie vorlegen wird.» Und man belässt es nicht nur bei der Theorie. «Solarenergie ist das Herzstück eines weiteren Photovoltaik-Kraftwerkprojekts auf dem Dach der Sporthalle. Dieses Projekt könnte 2021 das Licht der Welt erblicken», führt Gemeinderat Josué Boesch weiter aus. Und so könnte es durchaus sein, dass die kleine Grenzgemeinde Boncourt sich nach Fontenais, Delémont, Porrentruy und der Agglomération de Delémont (Gemeindeverbund) bald in die noch kurze Liste der jurassischen «Energiestadt»-Gemeinden beziehungsweise -Regionen einreihen kann.
www.boncourt.ch