Trotz COVID-19-Epidemie konnte die 18. Photovoltaik-Tagung des Veranstaltertrios Swissolar, VSE und Energieschweiz Mitte März noch stattfinden. Rund 400 Besuchende und fast 30 Dozierende diskutierten am wichtigsten Treffen der Solarbranche der Schweiz Herausforderungen, Marktentwicklungen und Zukunftsvisionen. Renommierte Solarunternehmen konnten gleichzeitig auch Innovationen und Technologien vorstellen.
Text: Matthias Schiemann / Beat Kohler
Die 18. Photovoltaik-Tagung hat gerade noch rechtzeitig stattgefunden: Zur selben Zeit, als im SwissTech Center an der École Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL) die letzte Session der Tagung stattfand, beschloss der Bundesrat, Veranstaltungen mit über 100 Personen zu verbieten. Doch obwohl der wichtige Treffpunkt der Schweizer Solarbranche dem Verbot noch knapp entkommen war, waren die Auswirkungen der Coronapandemie auch dort schon zu spüren: «An der PV-Tagung nahmen wegen der sich in den Tagen zuvor zuspitzenden Coronakrise weniger Leute teil als in den Vorjahren. Und auch weniger als angemeldet waren. Insgesamt konnten wir rund 400 Teilnehmende verzeichnen», muss David Stickelberger, Geschäftsführer des Schweizerischen Fachverbands für Sonnenenergie Swissolar, eine gewisse Einbusse eingestehen.
Auch einige Dozierende sahen sich gezwungen, die Einreise und Teilnahme abzusagen beziehungsweise ihren Vortrag per Onlineschaltung durchzuführen. Für die 19. Photovoltaik-Tagung nächstes Jahr in Bern zeigt Stickelberger sich allerdings optimistisch und erwartet wieder die bis zu 600 Besuchenden aus Spitzenjahren. Das gesamte Programm wurde in insgesamt sechs Sessionen an zwei Tagen eingeteilt. Am ersten Veranstaltungstag standen die politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen der Solarbranche im Zentrum. Am zweiten Tag lag der Fokus auf den technologischen Entwicklungen. Insbesondere die letzten zwei Sessionen befassten sich mit neuen Solarzellen und den heutigen Möglichkeiten, Photovoltaik in die Gebäudehülle zu integrieren. Dazu konnten eine Reihe von Unternehmen aus der Photovoltaikindustrie vor, zwischen und nach den Sessionen die Produkt- oder Posterausstellung nutzen, und auch die letzte Session war fünf Solarfirmen vergönnt, die hier ihre innovative Solararchitektur vorstellten. Bevor Stickelberger mit einer Einschätzung über die heutige Solarmarktentwicklung das Thema einläutete, begrüsste die Direktorin des Energy Center der EPFL, Dr. Yasmine Calisesi, als Gastgeberin die Teilnehmenden und gab einen Einblick in die energietechnischen Aktivitäten der Hochschule.
Der PV-Markt ist auf Kurs…
Die Photovoltaikbranche hat ein gutes Jahr 2019 hinter sich. «Der Schweizer Solarmarkt hat sich nach den schwierigen Jahren von 2015 bis 2018 wieder erholt», so Stickelberger. Auch wenn die offizielle Markterhebung erst kommenden Juli veröffentlicht wird, rechnet der Fachverband Swissolar mit einem deutlichen Ausbau von zusätzlichen 350 Megawatt Leistung, die im vergangenen Jahr installiert worden sind. Nicht zuletzt sei dies einem starken Ausbau von Grossanlagen auf Mehrfamilienhäusern und insbesondere auch auf Gewerbe- und Industrieflächen zu verdanken. Auch Dr. David Galeuchet, Leiter des Marketings bei Solarmarkt GmbH, bemerkt die vermehrte Nachfrage und spricht sogar von einer «Renaissance» der Grossanlagen. Die Energiestrategie 2050 ist in den Köpfen angekommen, da sind sich Stickelberger und Galeuchet einig. Auch dank intensiver Informationsarbeit der Branche verstehen Stakeholder nun das Fördersystem, sehen das Potenzial und investieren in grössere Solaranlagen. Auch die verkürzte Wartezeit für die Einmalvergütung von grossen Anlagen (GREIV) dürfte die Attraktivität wieder gesteigert haben. Dennoch sind Grossanlagen häufig noch immer nicht wirtschaftlich, da sich nur der Eigenverbrauch, nicht aber das Einspeisen von Strom ins Netz wirtschaftlich auszahlt. Auch durch den grossen Aufwand und die damit verbundenen hohen Kosten wegen der Planvorlagen sieht Galeuchet den Ausbau von Grossanlagen behindert. Um den administrativen Aufwand zu minimieren, entwickelt Swissolar zusammen mit einigen Partnern aus der Branche die Software easyAdmin. Sie soll bei der Projektierung, der Ausführung und der Nachbereitung begleiten wie auch Dokumente automatisch generieren können. Mitarbeiter von Helion und Solarville AG gaben in Vertretung für die Arbeitsgruppe Auskunft über den aktuellen Stand des Projekts. Trotzdem sieht Galeuchet den Ball auch bei der Politik: Sie muss fördernde Rahmenbedingungen schaffen, um die Dekarbonisierung bis 2050 zu ermöglichen.
… doch zieht die Politik mit?
Den politischen Rahmenbedingungen widmete sich die zweite Session am Donnerstag. Damit die Photovoltaik ihr ganzes Potenzial in der Schweiz entfalten kann, müssen diese Rahmenbedingungen stimmen. Das betonte der Energiedirektor des Kantons Waadt, François Vuille, bei seinem Grusswort. Zwar sei das Potenzial der Photovoltaik gross, und die Technologie sei gut akzeptiert, dennoch sei sie noch zu wenig weit verbreitet, und der Zubau müsse rasch stark erhöht werden. Die Gründe, dass dies nicht geschieht, sieht Vuille in der Gesellschaft. Tatsächlich etwas zu tun, auch wenn man grundsätzlich für den Wandel ist, sei nicht so einfach: «Befürchtungen in Bezug auf den Klimawandel bewirken noch nicht, dass die Leute tatsächlich auch selbst handeln.» Deshalb sieht Vuille die Politik in der Pflicht. Sie müsse neue Massnahmen ergreifen. Es brauche weitergehende gesetzliche Vorschriften, beispielsweise die Verpflichtung, Dächer grossflächiger mit PV einzudecken. Bei Neubauten kennt der Kanton Waadt die Pflicht zur Eigenstromerzeugung schon länger. Vuille fordert aber auch mehr Mittel, beispielsweise Ergänzungen zur Einmalvergütung oder auch eine bessere Schulung der Akteure und eine verstärkte Kommunikation.
PV für die Zukunft
«Der Photovoltaik gehört die Zukunft», erklärte Nationalrat Roger Nordmann, Präsident von Swissolar. 2011 habe der Bundesrat das von Swissolar damals geforderte Ausbauziel von 12 TWh aufgenommen. Dieser Entscheid habe eine wichtige symbolische Wende dargestellt und das Nischendasein der Photovoltaik beendet. Heute produzierten Solaranlagen nach Nordmanns Schätzung rund 2,2 TWh, also fast 4% des Stromverbrauchs. Dennoch reiche das Ausbautempo bei Weitem nicht aus, stellte Nordmann fest. Denn inzwischen geht es nicht mehr wie im Jahr 2011 vor allem darum, die Produktion der AKW zu ersetzen, im Kampf gegen die Klimakrise sollen nun auch fossile Brennstoffe ersetzt werden. «Die Schweiz benötigt bis 2050 etwa 40 bis 45 TWh Solarstrom, um ihre Stromversorgung und zugleich die Dekarbonisierung sicherzustellen», hielt Nordmann in Lausanne fest. Die Zubaugeschwindigkeit müsse deshalb um das Fünffache gesteigert werden. Die Produktionsspitzen im Sommer könnten dann gebraucht werden, um Energie in Form von Wärme oder Gas zu speichern. «Inzwischen unterstützen immer mehr Kreise solche Lösungen», erklärte Nordmann und erwähnte unter anderem einen Bericht der ElCom.
Konsens auf dem Papier
Es bestehe auf dem Papier ein breiter Konsens darüber, dass die Schweiz eine installierte PV-Leistung von 50 GW brauchte und dass die Photovoltaik in den Wintermonaten viel Strom liefern könne. Doch nun brauche es für die Umsetzung die richtige Motivation für Investoren, also eine Rentabilität. Solarenergie müsse wirtschaftlich so attraktiv sein, dass sich die Investition für alle lohne – für die Investoren wie auch für die Gesellschaft. Besonders bei kleinen Anlagen seien die Abnahmetarife entscheidend, die aber nicht nur sehr unter- schiedlich seien, sondern bei einer Marktliberalisierung auch markant sinken würden. Und bei den zwingend notwendigen Gross- und Infrastrukturanlagen ohne Eigenverbrauch sei der Markt in der Schweiz fast vollkommen blockiert. Nordmann hofft, dass dieser Knoten mit einer nun angestossenen Revision des Energiegesetzes zerschlagen werden kann: «Wenn der Vorstoss rasch um- gesetzt wird, könnten jährlich bald 200 MW Leistung zugebaut werden. Das entspricht 1000 Dächern auf Landwirtschaftsbauten à 200 kW pro Jahr.» Doch das reiche nicht aus. Viele Anreizsysteme seien denkbar, von Investitionshilfen bis hin zu über 15 bis 20 Jahre versicherten Einspeisevergütungen. Die Schweiz müsse faire Regeln aufstellen, um das grosse vorhandene Solarpotenzial zu verwirklichen.
Und die Politik bewegt sich doch
Dass es neue gesetzliche Rahmenbedingungen braucht, bestätigte auch Michael Frank, Direktor des Verbands Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE): «Der Markt alleine kann die Versorgungssicherheit nicht si- cherstellen.» Man könne gewisse Effekte von der vom Bundesrat vorgesehenen Marktliberalisierung erwarten, aber keine Wunder. Dies weil ein partielles Marktversagen bestehe. Zwar verhindere die fehlende Marktöffnung Innovation, aber die Liberalisierung alleine könne nicht für genügend Anreiz und somit nicht für ausreichend inländische Produktion von erneuerbaren Energien sorgen. Deshalb begrüsse der VSE weitergehende Förderungen – insbesondere für die Winterproduktion – aber auch neue Mittel, wie wettbewerbliche Ausschreibungen. Seitens des Bundesamts für Energie (BFE) gaben Joëlle Fahrni und Benoît Revaz Auskunft über die aktuelle Energiepolitik und die wichtigsten Änderungen betreffend Kontingente, Tarife, Wartezeiten und den Eigenverbrauch. Wie der Bund den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien beurteilt, wird sich bis Ende des Jahres zeigen. Gemäss dem Direktor des BFE, Benoît Revaz, sollen die Energieperspektiven Ende dieses Jahres aktualisiert sein. Auch er geht davon aus, dass die Aktivitäten zum Ausbau beschleunigt werden müssen. Die PV-Branche trage ihren Teil dazu bei. Er machte aber auch klar, dass die Förderung des Ausbaus bis 2035 weiter auf den in der Energiestrategie beschlossenen 2,3 Rappen beruhen werde. Aus dem Publikum kam die Frage, warum es die reiche Schweiz nicht schaffe, Rahmenbedingungen zu gestalten, damit Schweizer Stromunternehmen ihre Energieinvestitionen nicht vorwiegend im Ausland tätigten. Revaz bestätigte, dass massiv im Ausland investiert werde. Man wolle auch deswegen in der aktuellen Revision des Energiegesetzes neue Möglichkeiten für PV- Grossprojekte schaffen.
Produktionsspitzen brechen
Ein massiver Zubau bei der Photovoltaik birgt auch Herausforderungen: Peter Esslinger, BKW AG, und Peter Cuony, Groupe E AG, erklärten, dass das heutige Netz dafür nicht gewappnet sei. «Für uns ist das keine Energie-, sondern eine Leistungswende», erklärt Esslinger. Insbesondere das Netz in ländlichen Regionen wäre bei einem massiven Photovoltaikzubau schnell überlastet. Um das Netz auf einen forcierten Photovoltaikzubau vorzubereiten, benötige es eine aktive Rolle der Solarbranche, forderten sie. Insbesondere durch eine Einspeiselimitierung für grosse Anlagen könne das Netz entlastet und damit letztlich auch die Kosten gedrückt werden. Denn «alles, was nicht direkt ins Netz gespeist wird, entlastet, senkt die Kosten und minimiert Verluste. Egal ob durch Direktverbrauch oder Speicherung», erklärt Esslinger. Das Ziel der Netzbetreiber ist eine möglichst konstante Last im Netz, ein möglichst genaues Gleichgewicht zwischen eingespeister und verbrauchter Energie. Eine Lösung ist, die Einspeisung zu limitieren, eine andere, die Saisonalität und die tägliche Variabilität abzuflachen. Eine Möglichkeit ist, Photovoltaikmodule so anzubringen, dass sie zwar insgesamt weniger, dafür konstanter produzieren. Christof Bucher, Projektleiter bei der Basler & Hof- mann AG, stellte dazu Szenarien vor, die eigentlich dem Winterproduktionsloch der erneuerbaren Energien entgegenwirken. Gleichzeitig könnten sie aber auch der allgemeinen Netzentlastung dienen. Doch ob sich dies überhaupt lohnt, stellte Bucher selbst infrage: Ob Aufständern Sinn ergebe, hänge insbesondere von der Speicherkapazität ab, betonte er. Gebe es gute Speicherlösungen, sei eine Mehrproduktion im Sommer, die ein Winterloch kompensieren könne, durchaus sinnvoll.
Nachfrage nach Speichersystemen steigt
An Speichertechnologien wird zurzeit enorm viel geforscht. Das ist nicht verwunderlich, denn die Nachfrage ist hoch. «Heimspeicher haben in den letzten Jahren einen enormen Boom erlebt», beurteilt Kai-Philipp Kairies, der einen Lehrstuhl für Energiewandlung und Speichersystemtechnik an der Technischen Hochschule Aachen hat. Die Anzahl installierter Heimspeicher in Deutschland hat sich in den Jahren 2015 bis 2018 in etwa verdreifacht. Besonders Lithium-Ionen-Batterien haben den Markt in den vergangenen Jahren übernommen. Die Batterien werden immer wartungsfreier, kompakter, sicherer und günstiger. Allerdings sind Batterien nicht für eine saisonale Speicherung dienlich, weil ihre Rentabilität nur gegeben ist, wenn sie regelmässig entladen werden. Diesbezüglich wachse allerdings das Interesse an Gasspeichern wie Wasserstoff für die Langzeitspeicherung, meint Stefan Oberholzer, Leiter Forschungsbereich Photovoltaik am BFE. Zwar wird Wasserstoff heute fast ausschliesslich fossil hergestellt, doch aufgrund des Ausbaus der erneuerbaren Energien, würde zukünftig mehr Strom zur Verfügung stehen, um Wasserstoff mittels Elektrolyse herzustellen. Dies entspricht indirekt einer Stromspeicherung: Mit dem Sommerstrom aus der Photovoltaik, den Esslinger und Cuony lieber nicht im Netz eingespeist sehen würden, liesse sich mittels Elektrolyse Wasserstoff herstellen, der in den Wintermonaten rückverstromt werden könnte. Dennoch sind Wasserstoffspeicher heute noch nicht wirklich etabliert. Grundsätzlich beurteilen Oberholzer und Kairies die Lage aber positiv. Die Möglichkeiten seien da, und die Nachfrage steige.
Komplexität der Energiestrategie
Die Energiestrategie 2050 ist als Ziel gesteckt, und dafür ist ein massiver Ausbau der Sonnenenergie unausweichlich. So weit ist sich die Solarbranche einig. Die Photovoltaik-Tagung verdeutlicht allerdings, wie vielseitig dieser Weg eingeschlagen werden kann. Welcher Ausbau ergibt in welchem Zeitrahmen Sinn? Welche politischen Anreize sind dafür nötig? Winterstrom produzieren oder besser in Speichersysteme investieren? Das Stromnetz muss letztlich dem Ausbau gewappnet sein und ist von daher auf die Solarbranche angewiesen. Diese wiederum muss sich innerhalb marktlicher und politischer Rahmenbedingungen bewegen. Nicht zuletzt hängt die ganze Entwicklung vom technologischen Fortschritt und von der Forschung ab. Zu guter Letzt müssen aber insbesondere die Politik, das Gewerbe und die Gesellschaft die Bereitschaft zeigen, diese Wege auch zu gehen.
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