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Strommarkt erschwert Projekten auf Infrastrukturflächen das Leben

Foto: EWZ

Diesen Sommer sind zwei PV-Anlagen in Betrieb genommen worden, die das grosse Potenzial von Infrastrukturflächen für die Photovoltaik zeigen. Beide Anlagen sollen einen höheren Anteil der Produktion im Winterhalbjahr haben als Anlagen im Mittelland, und an beiden Anlagen kann sich die Bevölkerung beteiligen.

Text: Beat Kohler

Diesen Sommer ist einerseits die Solargrossanlage auf der Albigna-Staumauer des Elektrizitätswerks der Stadt Zürich (EWZ) ans Netz gegangen. Andererseits produziert auch das Photovoltaikfaltdach auf dem Parkplatz der Kronbergbahn Strom, das die Luftseilbahn Jakobsbad-Kronberg AG und die St.Gallisch-Appenzellische Kraftwerke AG (SAK) gemeinsam realisiert haben. Über 1200 Photovoltaikpanels hat das EWZ an der Albigna-Staumauer installiert. Die PV-Module der hochalpinen Solargrossanlage im Bergell sind auf der nach Süden gerichteten Wasserseite angebracht. Dies sei eine Herausforderung für Planung, Konstruktion und Bau gewesen, erklärt das EWZ. Die Lösung war ein leicht zu unterhaltendes Montagesystem, bestehend aus Konsolen und Aluprofilen, in die sich die PV-Module einfach einschieben und bei Bedarf auswechseln lassen. Für die Montagearbeiten wurde ein Brückenuntersichtsgerät mit der Albigna-Seilbahn auf die Staumauer transportiert. Die Bauarbeiten wurden grösstenteils von Bergeller EWZ-Mitarbeitenden ausgeführt. Aufgrund der höheren Leistung der Solaranlage dank der intensiveren Sonneneinstrahlung in diesen Höhenlagen, der reflektierenden Schneedecke und den tieferen Temperaturen erwarten die Planer pro Quadratmeter 180 kWh Solarstrom pro Jahr. Zudem verhindert der steile Winkel von 78Grad, in dem die Panels installiert wurden, dass im Winter Schnee darauf liegen bleibt und die Produktion beeinträchtigt. Insgesamt weist die Anlage eine Nennleistung von 410 kW auf, und das EWZ erwartet eine Jahresproduktion von 500000 kWh. Im September ist die Anlage ans Netz gegangen und hat ihren Betrieb aufgenommen.

Guter Start am Kronberg

Bereits im Juni ist die Anlage auf dem Parkplatz der Kronbergbahn in Jakobsbad in Betrieb gegangen und hat in 100 Tagen 130200kWh Strom produziert. «Das Solarfaltdach besteht aus 1320 Solarpanels, die auf eine Fläche von 4000 m² verteilt sind. Das Solarkraftwerk produziert künftig 350000kWh Solarstrom im Jahr – dies entspricht einem jährlichen Strewzombedarf von rund 70 Haushalten», erklärte Adriano Tramèr, Leiter Geschäftsbereich Produktion SAK, die Eckwerte der Konstruktion bei der Eröffnung. Der Bau der Anlage hat 13 Monate in Anspruch genommen. Voll ausgefahren spendet das Photovoltaikfaltdach 152 Personenwagen auf dem Parkplatz Schatten. Das Solarfaltdach am Kronberg sei in dieser Bauweise, installiert über einem Parkplatz, weltweit einzigartig, erklärt die SAK. Doch das ist etwas spitzfindig, denn der Vorläufer der Anlage steht in Chur: das Solarfaltdach über den offenen Klärbecken der Abwasserreinigungsanlage mit einer Nennleistung von 643kW und einer Produktion von rund 550000 kWh Solarstrom pro Jahr. Sicher ist die Anlage am Kronberg aber besser sichtbar, was auch touristisch genutzt werden soll. Das Solarfaltdach versprühe einen innovativen Charakter in der Tourismusregion Appenzellerland, sagt Thomas Bischofberger, Verwaltungsratspräsident der Luftseilbahn Jakobsbad-Kronberg AG: «Mit dem Schatten spendenden Solarfaltdach können wir unseren Gästen, die mit dem Auto anreisen, noch mehr Komfort bieten.»

Kritik an der Preisgestaltung

Bei beiden Anlagen können Kundinnen und Kunden auch selbst Anteile einkaufen und sich so am Ertrag beteiligen. Die Preise haben allerdings zu Kritik geführt. Das EWZ schröpfe seine Solarstromkunden, schrieb Hanspeter Guggenbühl im «Infosperber». Er rechnet vor, dass der Strom bei Investitionskosten von rund 700000 Franken nach Abzug der Förderungen inklusive Unterhalt und Betrieb für 7 bis 9 Rp./kWh produziert werden kann. Das EWZ verkauft den Quadratmeter Modulfläche für 560 Franken. Dafür erhält der Kunde in 20Jahren voraussichtlich 3600 kWh Solarstrom, was zu einem Preis von rund 15Rp./kWh führt, also rund doppelt so viel. Gegenüber dem «Infosperber» begründete EWZ-Sprecher Thomas Jeiziner den hohen Preis mit weiteren Positionen wie «Betriebs-, Verwaltungs- und Vertriebskosten, Produktentwicklung sowie Produktkommunikation, Energiemanagement und Energiehandel, handelsübliche Rendite inklusive Risikoprämie». Teuer erscheint bei der gleichen Rechnung auch die Beteiligung am Solarfaltdach am Kronberg. Insgesamt stehen 660 Panels für das Nutzungsrecht zur Verfügung, weitere 660 Panels werden von der SAK und der Luftseilbahn direkt genutzt. Für die Solarpanels können 15-jährige Nutzungsrechte erworben werden. Pro Panel kostet dies 800 Franken. Rechnet man den jährlichen Ertrag der ganzen Anlage durch die Anzahl Panels, kommt man pro Panel auf eine Jahresproduktion von rund 265 kWh. In 15 Jahren ergibt das einen Ertrag von rund 4000 kWh für 800 Franken, also rund 20 Rp./kWh.

Axpo will mehr Förderung

Bei allen preislichen Rechnereien haben aber die SAK und das EWZ in diese Anlagen investiert, obwohl die Ertragslage bei reinen Produktionsanlagen ohne Eigenverbrauch schwierig ist. Anders sieht es bei der Axpo aus. Sie hat im November 2019 breit ihr Projekt für eine Photovoltaikanlage am Muttsee angepriesen. Diese wäre mit einer Leistung von 2 MW deutlich grösser als die beiden anderen hier vorgestellten Anlagen. Rund 6000 Module auf einer Fläche von 10000 m² sind vorgesehen, die an der Südseite der Muttsee-Staumauer installiert werden sollen. «Die Staumauer ist gegen Süden ausgerichtet und damit optimal besonnt. Und die Anlage liefert einen besonders grossen Anteil ihrer Produktion während der Wintermonate – doppelt so viel wie eine vergleichbare Anlage im Mittelland», erklärt Projektleiter Christian Heierli auf der Axpo-Seite. Er betont die Wichtigkeit von alpiner Photovoltaik für die Versorgungssicherheit im Winter. Dennoch will die Axpo das Projekt nur dann konkretisieren und umsetzen, wenn sie für den Solarstrom eine kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) beziehen kann. «Die Kosten für die Installation einer solchen Anlage würden mehrere Millionen Franken betragen. Ein profitabler Betrieb wäre bei den heute am Markt zu erzielenden Preisen nicht möglich», schreibt die Axpo. Der Projektleiter erklärt, dass die heutigen Förderungen auf Einfamilienhäuser mit Eigenverbrauch ausgerichtet sind und dass sich am Markt – offenbar auch im Winter– nicht die notwendigen Strompreise erzielen lassen. Indirekt wird damit aber das Vorurteil der teuren Photovoltaik zementiert. Dies mit einer geplanten Anlage am Muttsee, der zum Pumpspeicherwerk Limmern gehört, das laut Axpo rund 2,1 Milliarden Franken gekostet hat.