Doris Leuthard machte bei der Einweihung des Kraftwerks Handeck 2 der Kraftwerke Oberhasli AG in Guttannen für die Energiestrategie 2050 Werbung. Hier erklärt sie, warum die Strategie für die Grosswasserkraft unabdingbar ist.
Bundesrätin Doris Leuthard, Vorsteherin des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation, nutzte ihren Auftritt in Guttannen, um den anwesenden Politikern ins Gewissen zu reden und für die definitive Verabschiedung der Energiestrategie 2050 in der Septembersession zu werben und auch für die Ratifizierung des Pariser Klimaabkommens, welches der Bundesrat nächstens in die Vernehmlassung geben will. Dieses Abkommen sei erstmals weltweit ein Signal an die Wirtschaft und an die Energieproduzenten, wohin die Reise gehen müsse. «Wir wollen das 2° Ziel erreichen. Daran führt kein Weg vorbei», erklärte Leuthard vor den Gästen in der Handeck. Dafür müssen die fossilen Energieträger zurückgedrängt werden. In dieser Frage sei die Schweiz nicht vorbildlich, so Leuthard: «Der Energiemix besteht auch heute noch zu 77 Prozent aus fossiler Energie.» Man konzentriere sich auf den Teil der Elektrizität, weil man nicht so gerne vom Rest spreche. Wenn man von Klima- und Energiepolitik spreche, dann gehe es aber um den ganzen Kuchen. Deshalb sei das Bekenntnis zu neuen Energien sinnvoll, um nachkommenden Generationen ein lebenswertes Umfeld zu hinterlassen.
Hoffen auf das Parlament
Für die Wasserkraft – und damit auch für die KWO – sind im Moment die tiefen Strompreise das grösste Problem. Leuthard verlieh der Hoffnung Ausdruck, das mit einem Wachstum der Wirtschaft die Nachfrage nach Strom und damit die Preise mittelfristig wieder anziehen werden. Die Anfangsinvestitionen, wie bei einem Tandem-Projekt an der Grimsel, seien gross, dafür aber auch die Abschreibungsdauer sehr lang. Deshalb sieht Leuthard für die Wasserkraft, sobald die Talsohle durchschritten ist, rosigeren Zeiten entgegengehen. Doch dafür brauche es nun eine Unterstützung im schwierigen Umfeld. «Ich hoffe, dass wir mit der Energiestrategie einen Teil der Schwierigkeiten abbauen können», so Leuthard. Es sei an der Zeit, dass das Parlament in der Septembersession mit seinen Beratungen an ein Ende komme. Wenn man der bestehenden Wasserkraft helfen und auch Investitionen in neue Anlagen wie die Triftstaumauer unterstützen wolle, dann müsse die Strategie am 1. Januar 2018 in Kraft treten. Bei einer weiteren Verzögerung im Parlament, sprich wenn der Nationalrat die Differenzen nicht bereinigt, dann wäre dieser Termin in Gefahr. «Sprechen Sie noch mit ein paar Berner Nationalräten», forderte Leuthard ihre Zuhörerinnen und Zuhörer im Maschinensaal auf.
Die Energieministerin will im Herbst die neuen Regeln für den Wasserzins in die Vernehmlassung geben.Die Energieministerin will im Herbst die neuen Regeln für den Wasserzins in die Vernehmlassung geben.
Zins oder nicht Zins…
In ihrer Ansprache ging die Energieministerin auch auf die Diskussionen rund um den Wasserzins ein. Sie hoffe, dass im Kanton Bern der Grosse Rat ein Zeichen setze und den Wasserzins zugunsten der Kraftwerke nicht mehr maximal ausschöpfe. «Wir wissen aber auch, dass dies für die Zukunft nicht die Lösung ist», so Leuthard. Nach 2019 braucht es neue Ansätze, und eine einvernehmliche Einigung zwischen allen Beteiligten zeichnet sich nicht ab. Es sei nicht weiter verwunderlich, dass sich Kantone und Stromproduzenten nicht einig seien, da die Produzenten am liebsten nichts bezahlen würden, Kantone und Gemeinden aber auf diese Einnahmen angewiesen seien. «Niemand wird ganz glücklich sein», ist Leuthard schon jetzt überzeugt. Wasserkraft als Ressource könne nicht zum Nulltarif genutzt werden, auch wenn dies für die Produzenten eine grosse Belastung sei. Noch diesen Herbst soll eine vom Bundesrat ausgearbeitete Lösung in die Vernehmlassung kommen. «Es kann nicht jeder seine optimierte Variante verlangen», appellierte Leuthard an die Flexibilität aller Beteiligten, namentlich auch an den im Publikum anwesenden Präsidenten des Verbands Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen, Kurt Rohrbach, den ehemaligen CEO der BKW. Nur bei einer gemeinsamen Lösung werde die Schweizer Wasserkraft konkurrenzfähiger.
Nachgefragt
Beat Kohler: Sie kamen hier zur Einweihung des Tandem-Projekts der KWO. Wie wichtig ist eine solche Anlage in der gesamtschweizerischen Energielandschaft?
Doris Leuthard: Ich glaube, im Moment sogar sehr wichtig. Wir wissen alle, die Strompreise sind unter Druck. Darum ist es erstens mutig, dass man investiert und zeigt, dass man an die Zukunft der Wasserkraft glaubt. Und es ist ein wichtiger Beitrag, damit wir langsam aus der Kernenergie aussteigen und in die neuen und erneuerbaren, einheimischen Energien investieren können. Darum bin ich hier, um danke zu sagen und diese Strategie zu unterstützen.
Eine Voraussetzung für weitere Investitionen ist die Energiestrategie 2050. Wie zuversichtlich sind Sie, dass es in der Septembersession zur Schlussabstimmung kommt?
Ich glaube das klappt jetzt. Es gibt noch ein paar wenige Differenzen zwischen National- und Ständerat. Wenn man der bestehenden Wasserkraft helfen will, dann müsste die Energiestrategie auf den 1. Januar 2018 in Kraft treten. Wenn wir mit der Vorlage noch in ein Referendum gehen müssen, dann wäre jetzt wirklich die Herbstsession die letzte Session für die Räte, um in die Schlussabstimmung zu gehen. Darum bin ich zuversichtlich, weil viele jetzt auch der bestehenden Wasserkraft helfen wollen. Ohne dieses Gesetz ist das nicht möglich.
Man will der Wasserkraft helfen, man hilft den anderen erneuerbaren Energien. Wie soll diese Entwicklung weitergehen?
Diese Förderungen und Hilfen, die wir jetzt noch vorgesehen haben, sind alle befristet. Wir sagen ganz klar, dass im Moment für die bestehende Wasserkraft – obwohl diese keine Kilowattstunde mehr produziert – eine Marktsituation bei der wir anerkennen, dass es schwierig ist. Wir anerkennen aber auch, dass viele Arbeitsplätze davon abhängig sind. Gerade auch für das Oberhasli bieten die KWO wichtige Jobs, die man in diesen Wasserkraftwerken finden kann. Da tragen wir eine Verantwortung. In Europa ist der Strom dermassen billig, dass wir nicht konkurrenzfähig sind. Wir sind zuversichtlich, dass dies ändern wird. Auch in Europa hat man die Fehler des Systems erkannt. Zudem gibt es wieder eine grössere Nachfrage nach Strom, wenn es ein Wirtschaftswachstum gibt. Dann werden die Überproduktionen langsam wieder konsumiert. Ich glaube, dass es die richtige Strategie ist, wenn wir in der Stromproduktion ein Stück weit unabhängig bleiben, auch wenn es etwas teurer ist und dass wir darum auch diese Stützungen befristet aufrechterhalten.
Welche Rolle spielen Wasserkraftwerke im Zusammenspiel zwischen neuen erneuerbaren Energien und der Wasserkraft? Könnte diese Rolle mit einem weiteren Ausbau an der Trift noch grösser werden?
Sie spielen eine sehr wichtige Rolle. Wasser hat im Gegensatz zu Solarenergie, Wind oder Biomasse eine Speicherfunktion. Es ist auch international unbestritten, dass man nebst der Stromproduktion auch Speicherfähigkeiten im Markt abgelten wird. Speicherfähigkeit, die man dann abrufen kann, wenn der Bedarf da ist, sei es am Mittag, am Abend oder wann auch immer. Bei einem Wasserkraftwerk mit einem Speicher kann man auf den Knopf drücken und dann läuft dieses Kraftwerk. Das ist etwas, das sich auszahlen wird. Wasser hat da einen grossen Vorteil gegenüber anderen Energieformen. Was andere Speicherlösungen angeht, ist im Moment eigentlich fast nur die Batterie auf dem Markt. Die lässt sich für den Kleingebrauch im Haushalt sicher einsetzen, aber nicht für grössere Strommengen, wie die Wasserkraft das kann.
Wie könnte eine solche Abgeltung für Systemdienstleitungen aussehen?
Wie schon gesagt müsste eigentlich der Markt dies abgelten. Der Markt muss einerseits die kurzfristigen Stromeinkäufe abgelten. Auf der anderen Seite werden Kapazitätsmärkte und Speichermärkte entstehen. Schlussendlich sieht man an den Börsenprodukten, dass ein Teil dieser Bedürfnisse vom Markt abgegolten wird. Das ist noch ein wenig Zukunftsmusik. In Europa und in der Schweiz befindet man sich im Aufbau. Darum bin ich zuversichtlich, dass Produzenten wie die KWO ihre Businessmodelle nach dem ausrichten werden.
Zurück zum Projekt Trift. Wie stehlt der Bund zu solchen Projekten?
Bei der Trift, wie auch bei anderen Wasserkraftprojekten, bei denen der Landschaftsschutz oder beispielsweise BLN-Gebiete eine Rolle spielen, haben wir im neuen Gesetz eine neue Grundlage geschaffen. Es gibt ein nationales Interesse an der Energieproduktion und dieses soll gleich stark gewichtet werden, wie der national definierte Natur- und Heimatschutz. Das würde einem Triftprojekt helfen, damit man es als national relevant betrachten kann. Damit wäre ein Eingriff nicht schon von vornherein verboten sondern würde sich auf derselben Augenhöhe wie Natur- und Landschaftsschutz bewegen. Natürlich muss auch dann noch jedes Projekt Umweltauflagen erfüllen. Das halten wir für machbar. Dafür ist aber das neue Gesetz notwendig. Darum hoffen wir, dass alle, die Wasserkraft befürworten, bei einem allfälligen Referendum zur Energiestrategie 2050 dieser zustimmen werden.
Vorher steht mit der Atomausstiegsinitiative noch eine andere energiepolitische Abstimmung an. Wäre dieser Ausstieg nicht vernünftig, damit sich Wasserkraftwerke und andere Erzeuger erneuerbarer Energien darauf einstellen könnten?
Das wäre sehr gefährlich. Denn das würde bedeuten, dass Mühleberg und die beiden Beznau 2017 – also schon nächstes Jahr – abgestellt werden müssten. Das ist eine dermassen grosse Strommenge für die wir einfach nicht bereit wären. Wir würden dann einfach noch mehr Strom aus Europa importieren. Wir wissen, dass dies zu einem grossen Teil Kohlestrom und europäische Kernenergie ist. Das würde mir ziemlich unehrlich erscheinen. Darum sagt der Bundesrat, so lange die Kraftwerke sicher sind – das muss ja immer intensiv gewährleistet werden – so lange soll man diese Werke auch am Netz belassen. Ausgenommen eine Unternehmung, wie die BKW bei Mühleberg, entschliesst aus unternehmerischen Gründen vom Netz zu gehen. An der Spielregel, keine politisch bedingten Betriebsdauern festzulegen, sondern die Sicherheit ins Zentrum zu stellen, wollen wir nichts ändern. Das ist Volkswirtschaftlich sinnvoll und es ist schlussendlich der beste Beitrag zur Versorgungssicherheit, die bestehenden Werke noch laufen zu lassen und die neuen Erneuerbaren inklusive der Wasserkraft schrittweise aufbauen und auch von der technischen Entwicklung profitieren.