Die Elektromobilität boomt. Im Vordergrund stehen dabei batterieelektrische Fahrzeuge. Verschiedene Entwickler haben in den letzten Jahren versucht, die Solarzelle nun auch auf den Personenwagen zu bringen – bisher ohne Erfolg. Die Technologie wird allerdings für den Einsatz auf Bussen, Transportern und Lastwagen weiterentwickelt, und Investoren aus Asien zeigen Interesse, in ihren Märkten solche Solarfahrzeuge zu etablieren. Ob auch im europäischen Markt bald in grösseren Stückzahlen Solarfahrzeuge produziert werden, bleibt offen.
Text: Beat Kohler
Die Elektroautos, die heute auf den Strassen unterwegs sind, dürften kaum im Sinne der Pioniere sein, die im Juni 1985 an der Tour de Sol mit der Bezeichnung «Solarmobil» der Elektromobilität neuen Auftrieb gaben. Elektromobilität wurde bereits um 1880 entwickelt, dann aber von den Verbrennungsmotoren verdrängt. Sie geriet in Vergessenheit. Mit der Tour de Sol, dem ersten Rennen für Elektrofahrzeuge, die ihre Energie direkt von der Sonne bezogen, bekam die Elektromobilität in der Schweiz eine neue Bühne. Ab 1987 mit der World Solar Challenge in Australien gewann sie rasch auch weltweit Beachtung. An der Spitze dabei waren auch immer Schweizer Entwicklungen. Die Spirit of Biel/Bienne II konnte das Rennen in Australien 1990 für sich entscheiden. Für eine hohe Effizienz mussten diese Fahrzeuge natürlich möglichst leicht und windschlüpfrig sein und ausgerüstet mit schmalen Reifen, um den Rollwiderstand zu verringern. Auch die damaligen Prototypen für Serienfahrzeuge wogen weit unter eine Tonne. Heute sind die leichtesten Serienfahrzeuge bei 1,5 Tonnen, und die Fahrzeuge in der Luxusklasse erreichen schon bald das zulässige Höchstgewicht von 3,5 Tonnen. Dass hier die Effizienz auf der Strecke bleibt, ist auch vielen Entwicklern klar. In den letzten Jahren haben sich verschiedene Unternehmen darangemacht, einerseits die Photovoltaik wieder direkt in die Fahrzeuge zu integrieren, und andererseits diese Fahrzeuge leichter zu machen und zu einem konkurrenzfähigen Preis auf die Strasse zu bringen. Die zwei prominentesten Beispiele sind bei ihrem Versuch im Verlauf des vergangenen Jahres gescheitert.
Der Sion kommt nicht auf den Markt
Ziemlich genau vor einem Jahr erklärte das deutsche Unternehmen Sono Motors, dass es sein Sion-Programm mit sofortiger Wirkung einstellt. Dies obwohl das Interesse gross war. Noch im Januar 2023 gab sich Sono Motors zuversichtlich. Bis dahin gab es Reservierungen für rund 45 000 Fahrzeuge, 21 000 davon stammten von privaten Interessenten, die alle eine Anzahlung geleistet hatten. Doch die verzweifelte Suche nach noch mehr Reservierungen und vor allem nach Investoren scheiterte. «Trotz den mehr als 45 000 Reservierungen und Vorbestellungen für den Sion waren wir gezwungen, auf die anhaltende Instabilität der Finanzmärkte zu reagieren und unser Geschäft zu verschlanken. Diese Entscheidung ist uns nicht leichtgefallen», begründete Laurin Hahn, Mitbegründer und CEO von Sono Motors, den Entscheid im Februar 2023. Ursprünglich wurde versprochen, die Anzahlungen zurückzuzahlen. Doch im Sommer musste das Unternehmen Gläubigerschutz beantragen und konnte die 44 Millionen Euro Anzahlungen seiner Kunden vorerst nicht zurückzahlen. Im Zuge der Entscheidung des Unternehmens, das Sion-Programm einzustellen, entliess Sono Motors auch rund 300 Mitarbeitende. Gleichzeitig kündigte das Münchner Unternehmen an, seine Technologie anderen Fahrzeugherstellern zur Verfügung zu stellen. Man wolle sich auf die Nachrüstung und die Integration der Solartechnologie in Fahrzeuge von Drittanbietern konzentrieren. Die Erfolge im Rahmen des Serienvalidierungsprogramms des Sion mit 18 Fahrzeugen waren nach Ansicht des Unternehmens Beweis dafür, dass das Konzept eines Solar-Elektrofahrzeugs funktioniert. Deshalb sollen seine patentierten Technologien für andere Fahrzeuge genutzt werden. «Auch wenn wir mit dem Sion-Programm unser ursprüngliches Herzensprojekt einstellen mussten, bietet uns die Verlagerung unseres gesamten Fokus auf B2B-Solarlösungen die Möglichkeit, weiterhin innovative Produkte in der Solarindustrie zu entwickeln», erklärte Laurin Hahn.
Letzten November kündigte Sono Motors nun an, dass das Unternehmen mit dem New Yorker Hedgefonds Yorkville einen Investorendeal für sein Solarintegrationsgeschäft abgeschlossen hat. Dieser Deal versetze Sono Motors in die Lage, eine ausreichende Finanzierung für den Geschäftsbetrieb bis mindestens Ende 2024 zu erhalten. Der Neustart des Unternehmens ging Hand in Hand mit einer kompletten Umstrukturierung. «Ich bin fest davon überzeugt, dass wir alle gemeinsam gestärkt aus dem zu erwartenden Abschluss des Eigenverwaltungsverfahrens hervorgehen werden», sagte Jan Schiermeister, Mitglied des zukünftigen Managements, im November. Der Vollzug der Verträge mit Yorkville und die Aufhebung des Insolvenzverfahrens wurden bis zum Redaktionsschluss noch nicht bestätigt. Ist diese Aufhebung erfolgt, will sich das Unternehmen der Markteinführung einer speziell entwickelten Solarnachrüstlösung für Diesel- und Elektrobusse widmen. Die integrierte Solartechnologie soll auch bei Kühlfahrzeugen, Last-Mile-Lieferwagen und Pkw zum Einsatz gebracht werden. Dass dies gelingen kann, dafür gibt es gemäss dem Unternehmen ermutigende Zeichen. Denn trotz dem Insolvenzverfahren konnte die Gesamtzahl der Kunden und Partner für die Solartechnologie von Sono Motors seit März 2023 von 25 auf 28 gesteigert werden.
Auch Lightyear strukturiert um
Ende letzten Jahres hat sich erhärtet, dass auch das zweite vielversprechende europäische Solar-Elektrofahrzeug die Marktreife nicht erreichen wird. Dabei waren beim niederländischen Unternehmen Lightyear wie schon beim Sion die Eckdaten vielversprechend. Das Lightyear 0 konnte mit fünf Quadratmetern verbauten Solarpanels unterwegs aufgeladen werden und hatte eine Reichweite von bis zu 70 Kilometern pro Tag allein durch die Sonne. Zudem richtete sich die Konstruktion des Lightyear 0 an einem minimierten Energieverbrauch aus, so wie es einst die Solarpioniere taten. Mit einem cW-Wert von 0,175 konnte die Windschlüpfrigkeit maximiert werden. Die Reifen waren deutlich schmaler als bei anderen Fahrzeugen, und trotz grosser Batterie mit 60 kWh Ladekapazität blieb das Gewicht mit rund 1,5 Tonnen verhältnismässig tief. Allerdings war der angekündigte Preis von einer viertel Million Euro offensichtlich viel zu hoch. So kündigten sich vor einem Jahr ernsthafte Probleme an. Damals gaben die Verantwortlichen bekannt, dass die Produktion des lange entwickelten Lightyear 0 eingestellt werden müsse, wegen einer «strategischen Umstrukturierung». Anstatt die hochpreisige Erstentwicklung sollte mit dem Lightyear 2 ein erschwingliches Solar-Elektrofahrzeug für ein breiteres Publikum auf den Markt gebracht werden.
Ende Dezember 2023 hat Lightyear nun bekannt gegeben, dass man sich ebenfalls auf die Integration der vorhandenen Solartechnologie bei anderen Fahrzeuganbietern – vor allem in Südkorea, wo auch die neuen Investoren herkommen – ausrichten will. Dafür wurde auch die Führung an der Unternehmensspitze gewechselt. Die neue CEO Bonna Newman bringe grosse Erfahrung im Bereich der fahrzeugintegrierten Photovoltaik mit. Sie ist Gründungsmitglied des Vorstands der Alliance for Solar Mobility und Mitglied des Exekutivausschusses der Europäischen Technologie- und Innovationsplattform für PV. Die Niederländer setzen nun eher auf den asiatischen als auf den europäischen Automarkt. «Südkoreanische Automobilhersteller sind dafür bekannt, dass sie bahnbrechende Technologien frühzeitig einsetzen», erklärte Bernd Martens, ehemaliges Vorstandsmitglied der Audi AG und Berater des Unternehmens, die Vorteile der südkoreanischen Investoren. Für Lightyear ist klar, dass Solar-Elektrofahrzeuge künftig ein wichtiger Teil des Elektrofahrzeugmarktes sein werden. Sie könnten die Abhängigkeit von Elektrofahrzeugen vom Stromnetz verringern, indem sie die Kraft der Sonne nutzen würden. Im Nahverkehr, wo Autos am häufigsten zum Einsatz kämen, könnten sie lange fahren, ohne am Netz aufgeladen zu werden. Vorab sollen diese Vorteile nun südkoreanischen Automodellen zugutekommen.
Es fehlen die klaren Vorteile
Dass die Vorteile von Solar-Elektrofahrzeugen in Bezug auf die Energieeffizienz und die Nachhaltigkeit nicht ausreichen, um im Markt erfolgreich zu sein, das überrascht Urs Muntwyler wenig. Er war von 1998 bis 2018 der Vorsitzende des technologischen Zusammenarbeitsprogramms «Hybrid and Electric Vehicles» der Internationalen Energieagentur (IEA). Im Rahmen des IEA PVPS Task 17 – Photovoltaik für Transport – beleuchtete er mit seinen Kollegen den Businessplan der fahrzeugintegrierten Photovoltaik. Für Muntwyler ist klar: Es braucht verschiedene Vorteile, damit Kunden ein solches Fahrzeug erwerben: Das Produkt soll gut funktionieren, verfügbar und günstig sein, dem Benutzer Prestige bringen und zusätzlich, für diese Fahrzeuge nicht unwichtig, zeigen, dass man Verantwortung für die Welt von morgen übernimmt. Stellt sich die Frage, ob sich aus fahrzeugintegrierter PV ein Wettbewerbsvorteil ergibt. Für Muntwyler ist klar, dass ein solches Fahrzeug einige dieser Vorteile bieten muss und gleichzeitig keine klaren Nachteile wie einen überhöhten Preis oder fehlende Verkaufs- und Servicestellen aufweisen darf. Sein Fazit: «In Industrieländern mit starken und zuverlässigen Stromnetzen sind die Wettbewerbsvorteile im Vergleich zu batterieelektrischen Fahrzeugen in Kombination mit einer stationären PV-Anlage nicht sehr gross.» Der Kundennutzen bei Projekten wie dem Sion und dem Lightyear sei nicht gross genug. Gleichzeitig würden sehr grosse finanzielle Mittel benötigt. Zudem sei es für die Autoindustrie, die mit dem Absatz klassischer Elektrofahrzeuge beschäftigt sei, nicht interessant, nun auf integrierte PV zu setzen. Dennoch sieht er dank sehr effizienten und günstigen Solarzellen eine Zukunft für die fahrzeugintegrierte PV. PV auf Lastwagen und Bussen, wie Sono Motors und Lightyear es anstreben, sei immer noch ein Business Case.
Nischenproduzent hält die Fahne hoch
Neben den zwei grossen als gescheitert zu betrachtenden europäischen Solar-Elektrofahrzeugen gibt es noch kleinere Versuche, wie den X-Bus des deutschen Unternehmens ElectricBrands AG. Auch diesen konnte man sich bereits im Voraus bestellen. Seit der Vorstellung des Prototyps im Jahr 2022 sind zwar auch bei ElectricBrands viele Vorbestellungen eingegangen – Ende letztes Jahr waren es gemäss der Website des Unternehmens über 17 000 –, aber auch hier kommt es wie bei Sono Motors und Lightyear zu Verzögerungen bei den Auslieferungen. Einen grossen Unterschied zu den anderen beiden Produzenten gibt es aber: den Preis. Das modular zusammenstellbare Fahrzeug soll zwischen 18 000 und 25 000 Euro kosten. Allerdings ist der X-Bus als leichtes Elektrofahrzeug der Klasse L7e zugelassen. Somit sind nur drei Passagiere erlaubt. Dafür bietet der Bus viel Platz für den Transport und ist ebenfalls mit Solarzellen ausgerüstet, die ihn laufend aufladen sollen.
Genau vor einem Jahr hat ElectricBrands angekündigt, dass mit VDL Nedcar einer der grössten europäischen Auftragsfertiger den Bus produzieren wird. «VDL Nedcar wird uns bei der Weiterentwicklung unserer Flotte kompetent und mit viel Erfahrung unterstützen. Davon werden auch unsere Kunden profitieren, die eines unserer Fahrzeuge bestellen oder bestellt haben», begrüsste Ralf Haller, CEO und Gründer von ElectricBrands, diese Zusammenarbeit. Die Produktion des X-Bus und die erste Auslieferung an die Händler sind nun für Anfang 2025 geplant. Das Produktionsvolumen hänge von den Verkaufszahlen ab, erklärt VDL Nedcar. Der Autohersteller hofft mit dieser Produktion auch Lücken füllen zu können, nachdem er Aufträge der BMW Group verloren hat. «Mit den von ElectricBrands entwickelten eigenen Fahrzeugen können wir gemeinsam einen Beitrag zur Gestaltung unserer Mobilitätszukunft leisten», erklärte John van Soerland, CEO von VDL Nedcar, beim Vertragsabschluss mit ElectricBrands.
PvinMotion
PVinMotion ist die weltweit erste wissenschaftliche Konferenz, die sich der fahrzeugintegrierten Photovoltaik widmet. Dieses Jahr findet sie erstmals in der Schweiz statt und bringt renommierte Fachleute aus der Welt der Photovoltaik und der Automobilindustrie zusammen, um innovative Arbeiten vorzustellen und den Fortschritt auf dem Weg zu solarbetriebenen Fahrzeugen zu beschleunigen. An der Konferenz treffen sich Wissenschaftler und Forscher aus den Bereichen PV und Materialien, Fahrzeughersteller, Modulproduzenten, Elektronik- und Materiallieferanten, Berater und Konstrukteure, um sich zu vernetzen und Ideen auszutauschen. Dies ist die dritte solche Konferenz. Sie wird vom 6. bis 8. März in Neuenburg durchgeführt. Dort werden unter anderem Bonna Newman, CEO Lightyear, Bénédicte Bonnet-Eymard, CESM, Sachin Kinge, Toyota, Richard Doya, Helion und AMAG, oder Professor Christophe Ballif, CSEM und EPFL, sprechen. Urs Muntwyler wird die letzten 40 Jahre der Geschichte der Solar-Elektrofahrzeuge beleuchten. Interessierte können sich online für die Konferenz anmelden.