Der Hafen Rotterdam und das Institute for Sustainable Process Technology (ISPT) untersuchen die Möglichkeit nachhaltigen Wasserstoff im industriellen Umfang herzustellen. Dazu ist eine enorme Skalierung aktueller Elektrolyse-Technologien erforderlich. Die Potentiale und Chancen, vor allem mit Blick auf eine erneuerbare Energiepolitik, hingegen gross.
Pressedienst/Matthias Schiemann
Das ISPT stellt sich der Herausforderung Wasserstoff in der Niederlande CO2-neutral herzustellen. Derzeit beträgt die Wasserstoffproduktion ca. 800.000 Tonnen jährlich, das hauptsächlich aus Erdgas gewonnen wird. Genutzt wird dieser vorwiegend für die Herstellung von Ammoniak und Kunstdünger, im Raffinationssektor sowie in der chemischen Industrie. Um die Niederlande künftig mit CO2-freiem Wasserstoff zu versorgen, wären mehrere Elektrolyseanlagen im Gigawatt-Bereich nötig. Ihre Bedeutung reicht dabei über die Erzeugung nachhaltigen Wasserstoffs für die Industrie hinaus: Sie können auch zu einer künftigen flexiblen Energieinfrastruktur beitragen, in der Wasserstoff als Energieträger fungiert.
Tausendmal grösser
Die Herausforderung ist enorm. Derzeit bieten die Industrieanlagen zur Elektrolyse von Wasser – die sogenannten «Elektrolyser» – lediglich eine Kapazität von einigen Megawatt. In einer Anlage mit einer Leistung eines Gigawatts sollten somit 100 bis 1000 solcher Elektrolyser stehen. Im Rahmen des Projekts untersucht nun ein Konsortium aus Unternehmen, Universitäten und Wissenseinrichtungen Wege zum Entwurf einer Elektrolyseanlage im Gigawatt-Bereich. Sie ermitteln gemeinsam die Anforderungen für den Bau einer solchen Elektrolyseanlage zwischen 2025 und 2030.
Das Konsortium
Die Koordination liegt in Händen des ISTP, mit Sitz in Amersfoort. Es vermittelt zwischen Industrie, Klein- und Mittelunternehmen, Forschungseinrichtungen und Behörden zur Entwicklung innovativer Verfahrenstechnologien. Das Projekt wird von TKI Energie & Industrie unterstützt. Partner sind unter anderem Nouryon, Shell, Yara, OCI Nitrogen, Gasunie, DOW Chemical, Ørsted, Frames, ECN, die Universität Utrecht und das Imperial College London. Das Projekt gehört zum ISPT-Hydrohub-Progamm.
Hafenbetrieb Rotterdam
Ziel des Hafenbetriebs Rotterdam ist die Verbesserung der Konkurrenzfähigkeit des Rotterdamer Hafens als Logistische Drehscheibe und auch als Industriekomplex. Die Kernaufgaben des Hafenbetriebs Rotterdam sind nachhaltige Entwicklung, Verwaltung und Betreibung des Hafens sowie die Gewährleistung schneller und sicherer Betriebsabläufe der Schifffahrt.
Herausforderung Dynamik
Das Gigawatt-Elektrolyser-Projekt wird die wichtigsten Probleme analysieren und zu lösen suchen, die sich beim massiven Anstieg der Elektrolysezellen (sogenannten «Stacks») in einer integrierten Anlage ergeben. Eine erste Herausforderung stellt die dynamische Operation der Anlage dar. Die Anlage wird in umfangreichem Mass Strom von Wind- und Solarparks beziehen. Die Menge deren produziertem Strom variiert stark mit dem Windaufkommen und der saisonalen Sonneneinstrahlung. Die Anlage wird mit der schwankenden Bereitstellung von Elektrizität umgehen können müssen. Eine entsprechende Abstimmung des Anlagenbetriebs muss möglich sein.
Herausforderung Wirtschaftlichkeit
Eine weitere Hürde ist die wirtschaftliche Rentabilität. Das letztliche Ziel ist ein optimaler Entwurf zu minimalen Kosten. Beim heutigen Stand der Technologie und den heutigen Marktpreisen würde die Investition für eine GW-Elektrolyseanlage etwa eine Milliarde Euro betragen. Das Konsortium strebt an, diesen Betrag bis auf 350 Millionen Euro zu senken. Dies ergäbe eine wettbewerbsfähige Alternative zur konventionellen fossilen Wasserstofftechnologie. Potential dafür sehen die Verantwortlichen im grossen Massstab des Projektes. Es gilt herauszufinden, in welchem Umfang die Kosten für Anlagen und Komponenten durch den Einsatz von Elektrolysetechnologie in größerem Maßstab gesenkt werden können. Ausserdem umfasst es auch eine Untersuchung der zu erwartenden Lerneffekte in der Fertigungsindustrie. Das Institut erwartet, dass das Projekt zur Innovationen im Bereich der Elektrolysetechnologie beiträgt. Dies soll schliesslich Möglichkeiten für die Fertigungsindustrie von Elektrolyse-Modulen und Komponenten schaffen. Ähnlich wie dies zu Kostensenkungen bei Wind- und Solaranlagen geführt hatte.
Ferner wird untersucht, inwiefern die Standortwahl die Kosten für eine Anlage beeinflusst. In der nächsten Projektphase, die gegenwärtig geplant wird, werden daher Fallstudien in Zusammenarbeit mit der Industrie durchgeführt. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den Industrieregionen um Vlissingen-Terneuzen-Gent, Rotterdam, Amsterdam, Delfzijl und Geleen.
Wertvolle Nebenprodukte
Ein weiterer bedeutender Aspekt der Gigawattanlage sind die entstehenden Nebenprodukte. Wärme und Sauerstoff sind wertvolle Nebenprodukte der Elektrolyse von Wasser. Bei der technischen Konzeption der Anlage kommt es darauf an, dass diese Nebenerzeugnisse gut abgeführt und bereitgestellt werden können. Wenn dies auf eine Art und Weise geschieht, die mit der operationellen Strategie Hand in Hand geht, können diese Produkte nutzbar gemacht werden.
Bedeutung für die Schweiz
Die Weiterentwicklung dieser Technologie kann auch für die Schweiz zukünftig von hoher Relevanz sein. Mit dem geplanten Ausbau der erneuerbaren Energien, im Rahmen der Energiestrategie 2050, werden sich im Sommer hohe Strompoduktionsspitzen ergeben. Der nicht speicherbare überschüssige Strom geht verloren, wenn nicht anderweitig gespeichert. Die Umwandlung des Energieträgers Strom in speicherbaren Wasserstoff kann dies verhindern. So kann diese Energie für andere Zwecke genutzt werden. In einem weiteren Verfahren ist es ausserdem möglich, aus dem Wasserstoff mittels Zugabe von C02 Methan zu generieren. Methan ist gegenüber Wasserstoff noch umfänglicher nutzbar. In seiner chemischen Zusammensetzung wie auch der Anwendung ist Methan identisch mit Bio- respektive Erdgas. Deshalb kann es, im Gegensatz zu Wasserstoff, problemlos in das europäische Gasnetz eingespeist werden.
Dies ermögliche die Bereitstellung eines nachhaltig produzierten Treibstoffes im grossen Umfang, was die Notwendigkeit von fossilen Brennstoffe erheblich reduzieren könnte. Die grösste Herausforderung stellt auch hier noch die Effizienz und damit einhergehende wirtschaftliche Rentabilität dar. Derzeit forscht das Institut für Energietechnik an der Hochschule für Technik Rapperswil am Potential einer industriellen Methanisierung. In Kombination der Forschung des ISPT öffneten sich dadurch Tür und Schloss für zukünftige Produktion eines nachhaltigen und speicherbaren Energieträgers, aus überschüssigem erneuerbaren Strom.