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Ohne Hände ­keine Wende – Die Ausbildung zum Solar­installateur

In nur anderthalb Jahren haben Swissolar und Polybau gemeinsam eine neue Berufslehre entwickelt. Das grenzt an einen Rekord. Möglich wurde dies durch eine effektive Zusammenarbeit, das stetige Wachstum der Branche und letztendlich den spürbaren Fachkräftemangel in der Solarbranche. Bislang waren nur Quer­einsteigerinnen, Fachleute aus dem Gebäudehüllenbereich und Elektriker in der Solarbranche tätig. Ab August 2024 werden jedoch die ersten Solarmonteurinnen EBA und Solarinstallateure EFZ ausgebildet.

Text: Linda Wachtarczyk

Die Idee einer Solarausbildung existiert bereits seit Langem. Bereits vor der Jahrhundertwende berichtete Roger Nordmann von Plänen für eine Lehre im Solarbereich. Die Solarbranche war jedoch lange Zeit zu klein, um eine formale Ausbildung zu ermöglichen. Denn bisher erfolgte der Einstieg auf informellem Weg über Kurse oder dann durch einen höheren Berufsabschluss (siehe Abbildung S. 10). Es gab keine nationale Wissenssammlung, wie es bei einer Lehre üblich ist.
Nicht nur die Energiestrategie 2050 fordert eine Erweiterung der Solarbranche, um die nationalen Ziele für den Ausbau erneuerbarer Energien zu erreichen. Auch die starke Medienpräsenz des letzten Jahres hat dazu beigetragen, dass die Branche breite Unterstützung für die neue Grundbildung in der Solarinstallation erfährt. Ganz im Sinne des Mottos «Ohne Hände keine Wende» einer Solarinitiative in Deutschland, soll mit dieser Ausbildung dem Fachkräftemangel entgegengewirkt werden. Die Leiterin Bildung und Wissensmanagement von Swissolar, Rita Hidalgo, erzählt im Gespräch, wie sich der Aufbau der Lehre bis heute entwickelt hat und welche Schritte noch folgen werden.

Struktur und Inhalte der Ausbildung

«Das EFZ für Solarinstallateure wird nahtlos in das Berufsfeld der Gebäudehülle integriert. Im ersten Ausbildungsjahr besuchen die Lernenden des gesamten Berufsfelds gemeinsam die Schule. Sie pflegen somit einen direkten Austausch mit den Personen, mit denen sie in Zukunft auf der Baustelle zusammenarbeiten werden», erklärt Rita Hidalgo im Gespräch über den neuen Lehrgang. Gemeinsame Kurse behandeln Themen wie die Organisation von Arbeiten an der Gebäudehülle, die Wahrung von Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz, den sachgerechten Umgang mit Materialien in Bezug auf Transport, Lagerung, Einsatz und Entsorgung. Auch die Interaktion mit der Kundschaft sowie die Skizzierung und Dokumentation von Arbeiten werden thematisiert.
In den folgenden Jahren erfolgt eine vertiefte Auseinandersetzung mit den Fachkompetenzen der Montage und Installation von Solaranlagen. Die Bewertung des Untergrunds nimmt dabei eine zentrale Rolle ein. Zudem wird nicht nur die Montage selbst beleuchtet. Auch der kontrollierte Umgang mit den Montagematerialien und die Koordination der Übergänge und Schnittstellen mit anderen Berufen sind Teil der Ausbildung. Der überberufliche Lehrplan ist sehr praxisnah. Der grösste Handlungskompetenzbereich bezieht sich auf die Montage und Installation von Solaranlagen selbst. Die Lernenden erfahren, wie Montagen auf verschiedenen Dach- oder Fassadenarten durchgeführt werden. Nun muss der Strom vom Dach ins Haus. Tatsächlich ist dies der weniger sichtbare Teil der Anlage, der jedoch ebenfalls komplex ist. Die Leitungsführung, die Montage der Speicherlösung und schliesslich die gesamte Inbetriebnahme der Anlage sind hier wesentliche Bestandteile. Das abschliessende Handlungsfeld umfasst Wartung, Reparatur sowie das Demontieren von Solaranlagen.
Der Lehrgang erstreckt sich über drei Jahre. Wie in den meisten Lehren werden die Kompetenzen in der Schule, im Lehrbetrieb und in überbetrieblichen Kursen vermittelt. Einführung, Anwendung und Übung ergänzen sich mit erläuternder Theorie zur Praxis. Dabei sind nicht nur fachliche Kompetenzen von Bedeutung, sondern auch Methodenkompetenzen, Selbstkompetenzen sowie Sozialkompetenzen. Die Lehre wird mit einem Qualifikationsverfahren abgeschlossen.
Da die heutigen Solarteure allesamt Quereinsteiger sind und die Lehre nun eine offizielle Bezeichnung erhalten hat, eröffnen sich vielfältige Möglichkeiten für einen Quereinstieg. «Abhängig vom fachlichen Hintergrund ist es sogar möglich, im 2. oder 3. Lehrjahr einzusteigen. So können Menschen aus verwandten Berufen wie Dachdecker und Spengler bereits im 3. Lehrjahr einsteigen», erklärt Rita Hidalgo zur verkürzten Lehre. Mit dem Berufsabschluss für Erwachsene besteht zudem die Option, direkt ans Qualifikationsverfahren zu gehen, und allenfalls zur Vorbereitung die überbetrieblichen Kurse zu besuchen. Da das EFZ in der Solarbranche neu eingeführt wird, zeigen viele Auszubildende starkes Interesse an diesem Abschluss. Diese Entwicklung trägt massgeblich zur Professionalisierung der gesamten Branche bei.

Aktueller Stand der Ausbildungsinitiative

«Zum aktuellen Zeitpunkt bereitet sich die Branche intensiv auf die ersten Solarinstallateurinnen und Solarmonteure vor», sagt Rita Hidalgo. Das ist nötig, da die Ausbildung bereits im August 2024 beginnt. Dieser Meilenstein wurde durch das Inkrafttreten der Bildungsverordnung durch das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) am 1. Oktober dieses Jahres eingeleitet. Damit ist der Beruf nun offiziell etabliert, und die rechtlichen Grundlagen, Rahmenbedingungen sowie der Bildungsplan sind festgelegt. Der Grundstein für viele Prozesse ist damit gelegt. Trotzdem stehen bis August noch zahlreiche Aufgaben an.
In verschiedenen Arbeitsgruppen – besetzt mit Expertinnen und Experten aus der Solarbranche und dem pädagogischen Bereich – wird in den kommenden Monaten die konkrete Umsetzung erarbeitet. Die pädagogische Umsetzung, Vermittlung und Prüfung der Ausbildungsinhalte – kurz gesagt, die konkrete Implementierung des Bildungsplans. Neben der Zusammenstellung und Ergänzung der Lehrmittel müssen auch Lehrpläne gemäss dem Bildungsplan erstellt und die genannten Lernziele auf Themen aufgeschlüsselt werden. Eine weitere Arbeitsgruppe ist derzeit mit der Planung der überbetrieblichen Kurse (üK) beschäftigt. Hier werden Themen und konkrete Aufgaben für die Kurse formuliert. Die letzte Arbeitsgruppe widmet sich der Gestaltung des Qualifikationsverfahrens (QV), also dem Abschluss der Ausbildung. Sie beschäftigen sich mit Fragen wie: Welche Aufgaben müssen die Lernenden beim QV erfüllen? Wie viele Punkte gibt es für welche Aufgabe? «Zur Überprüfung des QV wird im nächsten September eine sogenannte Nullserie durchgeführt, bei denen frisch ausgebildete Dachdecker und möglicherweise auch Solarteure die Abschlussprüfung durchlaufen, um sicherzustellen, dass alles reibungslos funktioniert», erklärt die Leiterin Bildung von Swissolar.
Mit dem geplanten Angebot einer verkürzten Lehre ab dem nächsten Sommer steigt der Druck. Nicht nur das erste Lehrjahr, sondern auch die beiden folgenden Jahre müssen bis August vorbereitet sein. Dies erfordert die Zusammenarbeit von vielen Menschen aus der Branche.

Lehrbetriebe und ihre Rolle in der Ausbildung

Angehende Lehrbetriebe können seit dem 1. Oktober die Bildungsbewilligung für die Lehre beim kantonalen Berufsbildungsamt beantragen. Im Anschluss erfolgt eine Prüfung durch Expertinnen und Experten, in der Regel Personen, die bereits in den Arbeitsgruppen für die Lehre aktiv waren. Dabei wird überprüft, ob das Unternehmen mit seinen Tätigkeitsfeldern die geforderten Handlungskompetenzen im Qualifikationsprofil der Lernenden gemäss dem Bildungsplan für Solar­installateure bzw. Solarmonteurinnen abdeckt. Das Tätigkeitsfeld des Betriebs muss breit genug sein, um die im Bildungsplan geforderten Kompetenzen zu vermitteln und die Lernenden produktiv einzusetzen. Selbstverständlich müssen Arbeits­sicherheit und Gesundheitsschutz gewährleistet sein. Auch die Berufsbildner werden überprüft.
Polybau ist derzeit aktiv daran, das Ausbildungsprogramm für die Betriebe zu definieren, und unterstützt diese dabei, die Themen in einer sinnvollen Reihenfolge zu vermitteln. Dies kann von Betrieb zu Betrieb variieren. Kleinere oder spezialisierte Unternehmen können vielleicht nicht alle Handlungskompetenzen der Lehre abdecken. Für sie kann es sinnvoll sein, im Lehrverbund mit einem anderen Unternehmen auszubilden.
Die Unternehmen zeigen eine hohe Motivation; bisher haben sich landesweit bereits 170 Lehrbetriebe gemeldet. Es haben sich auch schon interessierte Jugendliche auf Lehrstellen beworben. Ben Gonda, ein zukünftiger Lernender von Jenni Energietechnik, meint zu TeleBärn: «Diese Lehre interessiert mich, weil sie für die Zukunft sehr wichtig ist und weil sie auf dem Dach ist.»
Jedoch gibt es noch viele freie Lehrstellen. Um diese zu besetzen, setzt sich der Branchenverband Swissolar mit einer Social-Media-Kampagne ein, um Jugendliche und Eltern über den Beruf zu informieren. Denn es ist von entscheidender Bedeutung, dass Menschen im Berufswahlprozess überhaupt erst erfahren, dass dieser Beruf existiert. Die Betriebe selbst können ebenfalls viel dazu beitragen, den Beruf sichtbarer zu machen. Schliesslich wird das Ziel verfolgt, 200 Lehrstellen zu besetzen, davon 140 normale und 60 verkürzte Lehren.

Schulstandorte und ihre Rolle im Ausbildungsprozess

Mit dem Beginn des Schuljahres stellt sich die Frage nach dem geeigneten Schulstandort. Da der Beruf in die Gebäudehülle integriert ist, war es für Swissolar und Poly­bau von Anfang an klar, dass die Solarinstallateurinnen und Solarmonteure die Berufsfachschule und die überbetrieblichen Kurse (ÜK) in Uzwil, Les Paccots und Lugano-­Trevano besuchen werden. Dieser Entschluss basiert darauf, dass in der Gebäudehülle vergleichsweise wenige Personen ausgebildet werden. Als Beispiel werden bei den Dachdeckern pro Jahr 80 Lernende ausgebildet, was diesen Lehrgang zum grössten macht. Die Berufsschulen sind mit Prototypen und Übungsdächern ausgestattet, um die überbetrieblichen Kurse direkt und gesichert vor Ort durchführen zu können. Diese strukturierte Zusammensetzung ermöglicht nicht nur eine sinnvolle inhaltliche Gestaltung, sondern auch direkten Kontakt zu den Personen, mit denen später zusammengearbeitet wird.
In Zusammenarbeit mit der Gewerbeschule in Grenchen wird die Berufsfachschule für das Berufsfeld auch im Kanton Solothurn angeboten. Zudem wird an der Technischen Fachschule Bern der Berufsschulunterricht für die Solarberufe angeboten. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann noch nicht abgeschätzt werden, wie viele Lernende letztendlich an den Schulen unterrichtet werden. Da der Kanton die Bildungshoheit hat, kann es auch sein, dass noch mehr Kanton den Beruf an ihren Berufsfachschulen anbieten möchten.

Ausblick und Herausforderungen

Trotz anfänglichen Turbulenzen und der noch ausstehenden Feinabstimmung der Lehrpläne an den verschiedenen Lernorten schreibt die Schweizer Solarbranche im kommenden Jahr Geschichte! Diese wegweisende Entwicklung wäre ohne die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Fachpersonen und Expertinnen aus der Branche kaum möglich gewesen. Die Erstellung des Bildungsplans war ein entscheidender Schritt zur Professionalisierung der Branche und bietet eine solide Grundlage für die künftige Weiterentwicklung. Bemerkenswert ist, dass es in keinem der Nachbarländer bisher eine vergleichbare Ausbildung für die Solarinstallation gibt.
Der Druck auf die Branche ist beträchtlich, wie der anhaltende Fachkräftemangel deutlich zeigt. Es ist verständlich, dass nun alle ihren Beitrag leisten möchten. Es wird jedoch klar, dass der akute Mangel an Fachkräften nicht allein durch die Ausbildung von Lernenden schnell behoben werden kann. Es bedarf weiterer Massnahmen, um dem Fachkräftemangel in der Branche nachhaltig zu begegnen.

www.solarlehre.ch