Deutschland deckt seinen Strombedarf bereits zu einem grossen Teil aus erneuerbaren Energien. Windstrom leistet dazu einen erheblichen Beitrag. Wetterbedingt kommt es allerdings durch unterschiedliche Windstärken zu Schwankungen in der Energieerzeugung. Starkem Wind kann zeitweise mehr Strom produzieren, als ins Netz eingespeist werden kann. Gemeinsam mit Partnern erforscht das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), diesen gerade nicht benötigten Strom in synthetisches Kerosin umzuwandeln. So wird kurzfristig das Versorgungsnetz entlastet und langfristig die Abhängigkeit des Flugverkehrs von Erdöl reduziert.
Pressedienst/Redaktion
Die „Power-to-Jet-Fuel-Anlage“ wird im Projekt „KEROSyN 100“ geplant und entwickelt. Sie soll mit gerade nicht benötigtem Windstrom synthetisches Kerosin herstellen. Der Aufbau der Anlage ist in einer Raffinerie im schleswig-holsteinischen Heide vorgesehen. Zum Einsatz wird das hergestellte synthetische Kerosin am 100 Kilometer entfernten Flughafen Hamburg zum Einsatz kommen. „Das Besondere an diesem Projekt ist, dass wir erstmalig eine kommerziell ausgerichtete Demonstrationsanlage entwerfen und aufbauen“, erklärt Julian Bartels, Leiter der DLR-Arbeitspakete im Projekt.
Integration in das regionale Stromnetz
Aktuell liefert die Raffinerie Heide jährlich etwa 350‘000 Tonnen Kerosin aus fossilen Rohstoffen zum Flughafen Hamburg, wovon in fünf Jahren 20‘000 Tonnen synthetisch hergestellt werden könnten. „Um diese Menge an Kerosin zu erzeugen, wird der überschüssige Windstrom allein voraussichtlich nicht ausreichen. Den zusätzlichen Bedarf an Strom planen wir, dem lokalen Versorgungsnetz zu entnehmen. Deshalb ist es wichtig, zu prüfen, ob sich der Lastfluss im Netz dadurch signifikant verändert und womöglich Engpässe zu befürchten sind“, führt Bartels aus. Mit dieser Fragestellung im Hinterkopf modelliert das DLR-Institut für Vernetzte Energiesysteme die Integration der geplanten Anlage in das Stromnetz. Erste Zwischenergebnisse der Simulationen am DLR zeigen, dass die Integration der Anlage lediglich in ihrer unmittelbaren Umgebung Laständerungen im Stromnetz zur Folge hat. Der regionale Strombedarf ist weiterhin jederzeit gedeckt.
Projektleitung und -partner
Das Advanced Energy Systems Institute an der Universität Bremen leitet das interdisziplinäre Projekt. Weitere Projektpartner sind die Raffinerie Heide, der Hamburg Airport, die Chemieanlagenbau Chemnitz, die Entwicklungsagentur Region Heide, das IKEM – Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität, das Institut für Energieverfahrenstechnik und Chemieingenieurwesen sowie die TU Bergakademie Freiberg sowie die SKL Engineering & Contracting.
Wasserstoff als Zwischenprodukt von synthetischen Treibstoffen
Konventionelle Flugzeugtreibstoffe bestehen zum grössten Teil aus Kohlenwasserstoffketten, gewonnen aus fossilen Rohstoffen, zum Beispiel Erdöl. Diese kann man durch chemische Prozesse auch synthetisch herstellen. Das Projekt KEROSyN 100 untersucht diesen Power-to-Jet-Fuel-Prozess und passt ihn so an, dass er auch in einem grösseren Massstab wirtschaftlich ist. Die Elektrolyse – die Strom benötigt – spaltet Wasser in seine Bestandteile Sauerstoff und Wasserstoff. In chemischen Prozessen wird dieser Wasserstoff zusammen mit CO2 zunächst in Methanol und dann in Kerosin umgewandelt. Die neue Anlage in Heide soll für diesen Prozess das CO2 nutzen, das in industriellen Abgasströmen ohnehin anfällt oder in der Luft vorhanden ist. Der gewonnene Wasserstoff liesse sich theoretisch diesem Prozess auch entnehmen und zwischenspeichern. Er könnte dann als Ausgangsprodukt dienen, um Heizgas herzustellen oder wieder zum Einsatz kommen, wenn erneuerbare Energie wetterbedingt knapp ist. Somit liefert das Projekt KEROSyN 100 auch im Bereich der Gewinnung von „grünem“ Wasserstoff wertvolle Erkenntnisse. Damit schafft es die Voraussetzung für weitergehende Forschung.