In einer Siedlung in Pratteln sorgt die neue Solarthermieanlage mit Röhrenkollektoren für eine zuverlässige Warmwasserversorgung. Der externe Energiebezug konnte stark reduziert werden, weil die Anlage auf einen gleichmässigen Solarertrag ausgelegt ist.
Remo Bürgi, Faktor Journalisten
Solarthermie: Neue Einsatzmöglichkeiten
Klassische Einsatzgebiete von Solarthermie sind das Erwärmen von Brauchwarmwasser oder Schwimmbadwasser sowie die Heizungsunterstützung im Niedertemperaturbereich (Fussbodenheizung). Die technische Entwicklung rückt jedoch neue Verwendungsmöglichkeiten in den Fokus:
• Rücklauf-Vorwärmung in Fernwärmenetzen
• Vorwärmen der Quelle für Wärmepumpen (z. B. Eisspeichersysteme)
• Regeneration von Erdwärmesonden
• Erwärmen von Prozesswasser (z. B. Biogasproduktion, Trocknen von Früchten)
• Lebensmittelindustrie (Hochtemperatur-Anwendungen v. a. mit Röhrenkollektoren)
In einem ruhigen Wohnquartier in Pratteln BL liegt eine Siedlung der «Sowag AG für sozialen Wohnungsbau» mit drei Hauptgebäuden, die insgesamt sieben Mehrfamilienhäuser umfassen. Deren Versorgung mit Brauchwarmwasser verlief in den vergangenen Jahren aus verschiedenen Gründen nicht wunschgemäss. So konnte am Morgen das warme Wasser für die total 64 Wohnungen nicht konstant auf 55 Grad Celsius gehalten werden. Das System war sehr anfällig, weil die eingesetzten Warmwasserbereiter deutlich zu klein waren. Zudem kamen auch Fragen bezüglich Legionellen auf. Aus diesem Grund entschieden sich die Verantwortlichen, die Warmwasserversorgung sanieren zu lassen. Den Auftrag dafür erteilten sie der Omlin Energiesysteme AG, die sich auf individuelle Energielösungen bei der Modernisierung von Bestandesbauten spezialisiert hat.
Röhren- statt Flachkollektoren
Firmeninhaber und Gebäudetechnikplaner Martin Omlin setzte an verschiedenen Punkten an, um die Warmwasserversorgung der Siedlung zu verbessern. Kern des neuen Systems sind die drei Solarthermieanlagen mit einer Fläche von insgesamt 90 Quadratmetern, die auf dem Flachdach der Liegenschaft mit der grössten Dachfläche installiert wurden. Sie nutzen Röhrenkollektoren des Typs Vitosol von Viessmann. «Wir haben uns für Röhren- statt für Flachkollektoren entschieden, weil sie deutlich effizienter sind», erklärt Martin Omlin. «Röhrenkollektoren produzieren fünfmal mehr Energie, als es mit Photovoltaik möglich ist, denn sie können auch bei tiefem Sonnenstand und bei diffusem Licht viel Sonnenstrahlung aufnehmen.» Das ist nicht zuletzt morgens und abends sowie in den Wintermonaten ein grosser Vorteil.
Die drei Anlagen benötigen für den Betrieb ihrer Pumpen 450 Watt, erbringen selbst aber eine Leistung von total 45 000 Watt. Sie generieren also das Hundertfache der ursprünglich eingesetzten Energie. Auch aus ästhetischer Sicht überzeugen die Röhrenkollektoren, denn vom Boden aus sind sie im Gegensatz zu aufgestellten Flachkollektoren nicht zu sehen.
Boiler mit Kriechstromsicherung
Bei der Installation der Warmwasserbereiter und der Verschaltungsleitungen wurde vor den Bereitern je ein zwei Meter langes Leitungsanschlussstück aus Kunststoff eingebaut. Dieses sorgt dafür, dass kein Kriechstrom in die Warmwasserbereiter gelangt. Dieser könnte sonst an der schwächsten Stelle im Speicherbehälter innerhalb weniger Jahre zu einer Durchrostung führen, weil sich der Stromfluss dort konzentrieren und die Hülle zerstören kann. Dank der sogenannten Kriechstromsicherung konnte diese Gefahr bei den drei Wärmespeichern gebannt werden.
Spezielle Windsicherung
Eine besondere Herausforderung bei der Planung der Kollektoranlagen war die Tragfähigkeit des Dachs. Um diese trotz des zusätzlichen Gewichts zu gewährleisten, wurde zum einen die Dacheindeckung aus Kies unter den Anlagen entfernt. Zum anderen verankerten Fachleute die verschiedenen Kollektormodule auf einem einzigen Schienensystem, um das Gewicht gut zu verteilen und gleichzeitig aufgrund der verbundenen Module ein hohes Eigengewicht zu schaffen. So sind die Anlagen windsicher verbaut, ohne dass viel Zusatzgewicht an den Verankerungen angebracht werden musste.
Weniger Nachwärmen nötig
Das auf dem Flachdach in den Röhrenkollektoren erhitzte Wasser fliesst direkt in die Energiezentrale. Dort wird es in die jeweils unterste Schicht der drei raumhohen Warmwasserbereiter mit einem Fassungsvermögen von je 4000 Litern eingebracht. Erst wenn der Wärmeertrag der Solaranlagen nicht mehr ausreicht, nutzt das System zusätzliche Energie aus dem Fernwärmenetz, das in die heisseren oberen Schichten der Warmwasserbereiter geleitet wird. Der grosse Vorteil dieser Lösung: Der Solarertrag bringt Ruhe und Konstanz in die Wärmespeicher, es gibt fast keine Umschichtung. Vorher mussten die kleineren Speicher, die nur mit Fernwärme betrieben wurden, immer wieder nachgewärmt werden. Das verbrauchte viel Energie, die man nun einspart.
Höhere Autonomie
Eine komplexe und gleichzeitig sehr wichtige Aufgabe bei der Planung des Systems war die Dimensionierung der Speicher und der Solarkollektoren. Die Warmwasserbereiter sind so dimensioniert, dass das Warmwassersystem während der Sommermonate keine externe Wärmeenergie aus dem Fernwärmenetz mehr benötigt. Auch sonst übernimmt die Solarenergie mehrheitlich die Wärmeerzeugung für die Warmwasserversorgung, über das ganze Jahr gesehen sind es etwa 55 bis 60 Prozent des Bedarfs. Damit konnte eine zentrale Anforderung der Bauherrschaft erfüllt werden, die eine höhere Energieautonomie gewünscht hatte.
Siedlung
Standort Augsterhegli-/Siebenjurtenstrasse, 4133 Pratteln BL
Eigentümerschaft Sowag AG für sozialen Wohnungsbau
Liegenschaften 7
Wohnungen 64
Warmwasserbedarf ca. 21 000 m3 pro Jahr à 60 °C
Kollektoren
Typ Röhrenkollektoren «Vitosol 300-TM»
Hersteller Viessmann
Leistung 45 000 W (3 à 15 000 W)
Pumpenverbrauch 450 W (3 à 150 W)
Kollektorfläche 90 m2 (3 à 30 m2)
Wärmespeicher
Typ / Werkstoff Spezial-Warmwasserbereiter aus V4A (Chromstahl)
Hersteller Viessmann
Fassungsvermögen 3 à 4000 l
Leitungssystem
Länge ca. 200 m
Vorlauftemperatur bis 100 °C
Ganztägig Solarenergie aufnehmen
Die eingebauten Röhrenkollektoren von Viessmann verfügen über eine innovative Abschaltautomatik. Sie schützt die Kollektoren vor einer Überhitzung von mehr als 160 Grad Celsius, um die Lebensdauer der Anlage zu verlängern. Eine solche Überhitzung könnte beispielsweise während der Sommerferien drohen, wenn viele Bewohnende in den Ferien weilen und dadurch der Warmwasserverbrauch sinkt.
Allerdings steht die Anlage für den Rest des Tages still, wenn sie sich automatisch abschaltet. Das will man vermeiden, damit die Kollektoren den ganzen Tag über Sonnenstrahlung aufnehmen und die Warmwasserbereiter mit dem maximalen Solarertrag versorgen können. Daher ist die Kollektorfläche im Verhältnis zu den drei Warmwasserbereitern so dimensioniert worden, dass selbst an heissen Sommertagen und bei tieferem Verbrauch keine Überhitzung des Systems droht.
Optimierte Zirkulation
Um den externen Energiebezug auch im Winter möglichst tief zu halten, haben Martin Omlin und sein Team den Warmwasserbedarf der drei Überbauungen nicht wie üblich nach der Energiebezugsfläche berechnet, sondern nach der Anzahl Bewohnerinnen und Bewohner. «Zudem haben wir die Zirkulationsverluste um 90 Prozent senken können», ergänzt Omlin. Statt das gesamte zirkulierende Warmwasser regelmässig in die Warmwasserbereiter zu führen und aufzuwärmen, werden nur 10 Prozent des zirkulierenden Warmwassers dafür eingesetzt. Das reicht, um die erforderliche Temperatur in der Warmwasserversorgung sicherzustellen. Dank dieser Massnahmen bezieht die Siedlung statt 300 Kiowatt nur noch 150 Kilowatt Wärmeleistung beim lokalen Fernwärmenetz. Die Energiekosten für die Warmwasserversorgung sinken dadurch um 30 bis 40 Prozent.
Erfolgreicher Start
Die Funktionsweise des neuen Systems wird konstant überwacht: Sensoren messen Erträge, Verbräuche, Vorlauftemperaturen und den externen Energiebezug. Ein Memograph führt die erhobenen Daten zusammen und visualisiert sie anhand von Graphen. «Die Darstellung der Solarerträge eines Tages sollte einer halbmondförmigen Kurve entsprechen», erläutert Martin Omlin. Dies bedeute nämlich, dass die Solarthermieanlage konstant Energie aufnehme und nicht überhitze. Im ersten Betriebssommer habe das wie geplant funktioniert, bilanziert Omlin zufrieden. Die Anlage ist damit ein gelungenes Beispiel für eine optimale Solarenergienutzung.