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Metallkörner speichern Energie

Gehen Metalle eine Verbindung mit Sauerstoff ein, so werden enorme Energiemengen freigesetzt. Daher können Aluminium und andere Metalle verwendet werden, um erneuerbaren Strom zu speichern und daraus im Winter Wärme und Strom zu gewinnen. Forschende der Ostschweizer Fachhochschule haben evaluiert, welche Metalle zur Einspeicherung, Lagerung und Ausspeicherung von Energie besonders geeignet sind und in welchem Mass sie zur Deckung der Winterenergielücke durch erneuerbare Energie beitragen könnten.

Text: Benedikt Vogel

Mit dem Ausbau der Photovoltaik dürfte in den Sommermonaten mehr Solarstrom anfallen, als tagesaktuell benötigt wird. Zudem gibt es Länder, wo ganzjährig viel erneuerbare Energie produziert werden kann, zum Beispiel Island (Geothermie und Wasserkraft) oder Marokko (Solarstrom). Mit einem geeigneten Energiespeicher könnten solche Überschüsse an erneuerbarer Energie im Idealfall zur Deckung des Strom- und Wärmebedarfs im Winter herangezogen werden.
Dieses Ziel verfolgt ein Team der Ostschweizer Fachhochschule (OST) seit einigen Jahren mit der Entwicklung eines Energiespeicherzyklus auf der Basis von Metall als erneuerbarer Energieträger. Dabei wird Strom in chemischer Form im Metall gespeichert, und die Energie wird im Winter in Form von Wärme (im Temperaturbereich von 60 bis 70 °C) und Strom wieder freigesetzt. An der OST wird mit Aluminium als Speichermedium gearbeitet. Dieses kann in seiner oxidierten Form (Aluminiumoxid) Strom aufnehmen: Dabei wird Sauerstoff abgespaltet, und es entsteht Aluminium. «Darin lässt sich Energie über lange Zeiträume verlustfrei speichern und transportieren, bevor das Metall die Energie in einem Oxidationsprozess in Form von Wärme und Strom wieder abgibt und sich dabei wieder mit Sauerstoff verbindet», sagt Michel Haller, Leiter der Forschung am SPF Institut für Solartechnik der OST.
Um den Wärme- und Strombedarf eines Einfamilienhauses sicherzustellen, braucht es nach Berechnungen der Forschenden eine PV-Anlage mit 60 m2 Fläche (10 kWp) und einen Aluminiumspeicher in der Grösse einer Waschmaschine (vgl. Fachartikel «Aluminium bringt die Sonne in den Winter», abrufbar unter https://­pubdb.bfe.admin.ch/de/publication/download/9796). An der OST wird derzeit im Rahmen des Projekts REVEAL (www.reveal-storage.eu) ein Demonstrator für die Produktion von Wärme und Strom mit einer Gesamtleistung von 4 kW gebaut. Das Projekt wird von der Europäischen Union und dem Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation gefördert.

Aluminium, Eisen, Silizium

In einem neuen Forschungsprojekt haben Forscherinnen und Forscher der OST mit finanzieller Unterstützung des BFE nun das Potenzial metallbasierter Speichertechnologien generell untersucht. Im Zentrum stand zum einen die Frage, welche Metalle neben Aluminium als Speichermedium genutzt werden könnten. Hierbei wurden mit einer Multikriterienanalyse sowie Lebenszyklusanalysen möglichst umweltfreundliche, aber auch gut verfügbare und kostengünstige Metalle identifiziert. Zum anderen wurden Berechnungen durchgeführt, um zu ermitteln, ob bzw. in welchem Mass diese Speichertechnologie zur Deckung der Winterenergielücke beitragen könnte, die gegenwärtig breit diskutiert wird. Gemeint ist damit das Problem, dass sich mit einem starken Ausbau der Photovoltaik zwar der Strombedarf in den Sommermonaten decken liesse, in den Wintermonaten aber nach wie vor eine Versorgungslücke bleiben würde.
Die Arbeiten der SPF-Forschenden haben ergeben, dass neben Aluminium auch Eisen und Silizium vielversprechende Speichermedien sind. Dazu heisst es im Projektschlussbericht: «Die Hauptvorteile sind ihre hohe Verfügbarkeit – sie sind neben Sauerstoff die häufigsten Elemente in der Erdkruste –, ihre geringen Kosten und ihre einfache Handhabung, da sie weder giftig noch hochreaktiv sind.»

 

 

Jedes Metall hat Stärken und Schwächen

Aluminium, Eisen und Silizium eignen sich technisch als saisonale Energiespeicher. Die im Metall gespeicherte Energie kann durch eine Reaktion mit Wasser freigesetzt werden, wobei – abhängig von der Temperatur – ein Metalloxid oder -hydroxid und Wasserstoff entstehen. Dabei hat jedes Material seine Vor- und Nachteile, wie die Studie zeigt. Ein Vorteil von Eisen ist, dass bei der Oxidation mit Wasser nur wenig oder keine Wärme entsteht und die gespeicherte Energie vollständig auf den produzierten Wasserstoff übertragen wird. Dieser kann in einer Brennstoffzelle zu 50% in Strom umgewandelt werden, der Rest wird als Wärme frei. Bei der Wasserstofferzeugung aus Wasser und Aluminium hingegen werden ca. 50% der im Metall enthaltenen Energie in Wärme umgewandelt, und 50% stehen als Wasserstoff zur Verfügung. Daraus resultiert ein Verhältnis von ca. 75% Wärme und 25% Strom.
Aluminium und Silizium haben im Gegenzug eine deutlich höhere Energiedichte als Eisen. Das hat den Vorteil, dass die Energiespeicherung weniger Material und Volumen benötigt und geringere Transportkosten verursacht. Der von den SPF-Forschenden errechnete Gesamtwirkungsgrad von erneuerbarem Strom hin zu Strom und Wärme liegt für alle Metalle im Bereich von 50 bis 60%. Anders formuliert: Bei einer saisonalen Speicherung von erneuerbarem Strom kann im Winter etwas mehr als die Hälfte wieder in Strom oder Wärme umgewandelt werden.

Alternativen ohne Kohlenstoff

Eine Herausforderung, die allen drei Metallen gemeinsam ist: Bei der «Beladung» der Speicher mit erneuerbarem Strom – chemisch gesehen eine Reduktion der Metalloxide – wird in den heute industriell genutzten Verfahren Kohlenstoff als Reduktionsmittel eingesetzt. Der von den Metalloxiden abgespaltete Sauerstoff verbindet sich dabei mit dem Kohlenstoff zu CO2. Das führt zu Emissionen, die vor dem Hintergrund der Klimadebatte unerwünscht sind. Um dies zu vermeiden, verfolgt die Metallindustrie ambitionierte Klimaziele. Weltweit wird an alternativen Verfahren zur CO2-freien Herstellung von Aluminium und Eisen gearbeitet. Für Eisen bietet sich die direkte Reduktion mit erneuerbarem Wasserstoff an, bei Aluminium und Silizium die Nutzung von Inert-Elektroden anstelle von Kohleelektroden. Am weitesten fortgeschritten ist die direkte Reduktion mit Wasserstoff bei Eisen. Die Technologie ist bereits erprobt und befindet sich im Upscaling (Technologie-Reifegrad von 6/7 auf 8/9). Im bereits erwähnten Projekt REVEAL entwickeln Partner in Island die CO2-freie Produktion von Aluminium aus Aluminiumoxid.
«Aufgrund der Studie sind wir davon überzeugt, dass kurz- bis mittelfristig marktfähige ‹Metall-Speicherzyklen› aus Aluminium und Eisen zum Einsatz kommen werden», sagt SPF-Forscherin Yvonne Bäuerle und ergänzt: «Die Umsetzung der saisonalen Energiespeicherzyklen könnte einen wesentlichen Beitrag zur Deckung der Winterenergielücke leisten.» Ausgehend von den Energieperspektiven 2050+ wurden am SPF verschiedene Szenarien des Schweizer Energiesystems im Jahr 2050 simuliert. Selbst bei massivem Ausbau der Photovoltaik auf 45 TWh/a (derzeit 6 TWh/a) wird im Jahr 2050 voraussichtlich eine Winterstromlücke von 8 bis 9 TWhel verbleiben. Nimmt man nun an, dass von den 500 000 Schweizer Mehr­familienhäusern ein wesentlicher Teil mit einer Metall-Energie-Umwandlungsanlage von 10 kW Wärmeleistung ausgestattet und der in den Liegenschaften nicht benötigte Strom ins Netz eingespeist wird, so kann durch den Einsatz von Aluminium oder Silizium als Energieträger die Winterlücke von gut 8 TWhel auf 2 bis 3 TWhel reduziert werden. Bei der Nutzung von Eisen könnte die Lücke sogar vollständig geschlossen werden; die Schweiz wäre dann sogar in der Lage, im Winter Strom zu exportieren.

Neue Energielogistik

Um dieses saisonale Speicherpotenzial zu realisieren, müsste eine Transportlogistik aufgebaut werden, um Energiespeichermetalle im Umfang von mehreren Millionen Tonnen in Grossanlagen in der Schweiz oder im Ausland zu transportieren und von Neuem mit erneuerbarem Strom beladen zu können sowie um die Metalle anschliessend wieder in die Haushalte zurückzutransportieren. Zum Vergleich: Heute werden jährlich 9 Mio. t Erdöl in die Schweiz importiert.
Derzeit findet die Entwicklung des Energiespeicherzyklus auf der Basis von Aluminium hauptsächlich innerhalb des Projekts REVEAL statt. Aus diesen Entwicklungen wurde ein Start-up gegründet, das die Technologieentwicklung auch für Investoren zugänglich machen soll.
Der Schlussbericht zum Projekt «Covering Winter Peaks of Heat and Electricity Demand by Renewable Metal Fuels» (PeakMetal) ist abrufbar unter: https://www.aramis.admin.ch/Texte/?ProjectID=51622
Auskünfte zum Projekt erteilt Nadège Vetterli (nadege.vetterli@anex.ch), externe Leiterin des BFE-Forschungsprogramms Gebäude und Städte.
Am 12./13. Februar 2025 findet an der OST in Rapperswil das erste internationale Symposium «Renewable Metal Fuels» (ReMeF) statt:
https://www.reveal-storage.eu/remef