Drei Institute des ETH-Bereichs forschen an der sogenannten Perowskit-basierten Optoelektronik, wie zum Beispiel Solarzellen, Photodetektoren und Leuchtdioden (LEDs). Im AMYS-Projekt haben sich Labors der EPFL, der ETH Zürich und der Empa nun für vier Jahre zusammengeschlossen, um neue chemische Zusammensetzungen, aber auch einfache und skalierbare, kostengünstige Produktionsmethoden zu erforschen.
Empa/RAINER KLOSE
Um Sonnenlicht direkt in Strom umzuwandeln, gibt es verschiedene Lösungen. Die bekanntesten sind Silizium-Solarzellen, die auf Silizium-Einkristallen basieren. Solarzellen dieses Typs sind relativ dick und zerbrechlich. Als weitere Variante haben sich so genannte Dünnschichtsolarzellen etabliert, die etwa 100-mal dünner sind. Diese Zellstruktur ist flexibel und kann auf flexible Substrate wie Kunststofffolien oder Metallfolien aufgedampft werden. Zu den bereits seit längerem bekannten Dünnschichtzellen aus den Halbleitern Galliumarsenid (GaAs), Cadmiumtellurid (CdTe) oder Kupfer-Indium-Gallium-Schwefel-Selen (CIGS) gesellt sich nun eine neue Klasse: die organisch-anorganischen Perowskite. Der Begriff Perowskit beschreibt die gemeinsame Kristallstruktur der Materialien in diesen dünnen Schichten.
Das Interessante daran ist, dass Perowskite nicht nur als Solarzellen eingesetzt werden können, sondern umgekehrt auch als Beleuchtungsmittel oder als Basis für Photodetektoren, zum Beispiel in Röntgengeräten oder Sensoren für Smartwatches. Aus diesem Grund wird diese Materialklasse derzeit weltweit intensiv erforscht. Doch es gibt ein Problem: Viele dieser Perowskit-Kristalle enthalten sogenannte organische Ionen als Bausteine. Das sind Kristallbausteine, die Kohlenstoff, Stickstoff und Wasserstoff enthalten. Sie schmelzen und verdampfen bei viel niedrigeren Temperaturen als Silizium oder GaAs, CdTe oder CIGS. Daher sind viele bewährte Produktionsverfahren für diese Materialien nicht geeignet.
Industrielle Fertigung ist gefragt
Das Projekt AMYS („Advanced Manufacturability of Hybrid Organic-inorganic Semiconductors for Large Area Optoelectronics“), das im Rahmen der „Strategic Focus Area Advanced Manufacturing“ (SFA-AM) des ETH-Bereichs gestartet wurde, versucht nun, genau diese Probleme zu lösen. Benötigt wird ein industrielles Herstellungsverfahren für Perowskit-Dünnschichten, die bisher hauptsächlich in „nassen“ Sprühverfahren in Labors hergestellt werden. Die Aufgaben der Forschungspartner sind sorgfältig verteilt: Das Team der Perowskit-Spezialisten Ayodhya N. Tiwari und Fan Fu vom „Thin Films and Photovoltaics Laboratory“ der Empa sucht nach einem flexiblen Perowskit-Photodetektor und Solarzellen; das Team von Chih-Jen Shih von der „Nanomaterials Engineering Research Group“ der ETH Zürich will Perowskit-LEDs bauen, die Licht mit besonders hoher Farbgenauigkeit erzeugen. Und Christophe Ballif von der EPFL ist mit seinem Team auf der Suche nach besonders effizienten Tandem-Solarzellen, die aus Silizium auf der Unterseite und einer halbtransparenten Perowskit-Schicht auf der Oberseite bestehen.
Alle Forscher haben bereits Vorarbeiten geleistet: Im Juli stellte das EPFL-Team einen neuen Weltrekord auf: Solarzellen aus dickem, kristallinem Silizium mit einer dünnen Perowskit-Schicht darauf erreichten einen Wirkungsgrad von über 31 Prozent. Ein solcher Wert wurde bereits mit anderen Halbleiterzellen erreicht, doch sind diese in der Herstellung rund 1000-mal teurer. Damit öffnet sich ein Tor zur kostengünstigen Photovoltaik. „Wir haben einen zweistufigen Prozess entwickelt, um die organischen Bestandteile unserer Perowskite schonend und homogen auf mittelgrosse Solarzellen aufzutragen“, erklärt Christian Wolff, der im EPFL-Team arbeitet. „Das wollen wir nun auf ein neu entwickeltes, auf Trockendampf basierendes Verfahren ausdehnen, das es einerseits ermöglicht, noch grössere Flächen homogen zu bedecken, und gleichzeitig zu sehen, ob es nicht noch bessere chemische Kombinationen gibt.“
Sebastian Siol von der Empa hilft ihm dabei. Er ist Spezialist für Beschichtungsprozesse und für die Analyse von industriell hergestellten dünnen Schichten. Mit automatisierten Hochdurchsatz-Experimenten wird er eine Vielzahl von verschiedenen chemischen Zusammensetzungen und Prozessparametern screenen, mit dem Ziel, eine „Bibliothek“ von vielversprechenden Perowskit-Mischungen zu erstellen. Damit erhalten Wolff und seine Kollegen in allen Arbeitsgruppen entscheidende Hinweise, wo sie suchen müssen. Das beschleunigt den Weg zum Ziel von preiswerten, stabilen und grossflächigen optoelektronischen Bauelementen mit vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten.
Ungiftige Lösungsmittel für die Herstellung
Der Empa-Forscher Fan Fu ist Spezialist für Perowskite und ebenfalls Teil des Forschungskonsortiums. Er hat sich gleich zwei Aufgaben vorgenommen: Einerseits sucht er nach neuen Photodetektoren und Solarzellen auf der Basis von Perowskiten. Andererseits will er auch einen „grünen Weg“ für die industrielle Produktion von Perowskit-Zellen finden. „Während das EPFL-Team einen Trockenprozess gefunden hat, haben wir an der Empa den Nassprozess weiterentwickelt“, erklärt der Forscher. „Wir benutzen keine giftigen Lösungsmittel mehr, die man zwar im Labor verwenden kann, die aber im industriellen Prozess ein Handicap sind. Wir arbeiten jetzt mit Isopropanol – das auch in jedem Coiffeur-Salon verwendet wird.“ Fan Fu will sein Nassverfahren nun auch auf industrielle Prozesse wie die sogenannte Slot-Die-Beschichtung übertragen. Bei der Suche nach dem optimalen Verfahren hilft ihm auch sein Empa-Kollege Sebastian Siol. Er wird die Probekörper aus Fus Versuchsreihen kartieren und helfen, die optimalen Prozessparameter zu finden.
Perowskit-Sensoren für Smartwatches
Fan Fu hat noch ein zweites Projekt, das er im Rahmen von AMYS verfolgt: Perowskit-Zellen könnten auch als Photodetektoren in Kameras oder als Röntgendetektoren für die medizinische Bildgebung dienen – und hätten zwei entscheidende Vorteile: Sie sind viel billiger und einfacher herzustellen als die heute üblichen Silizium-Kamerachips. Außerdem sind sie flexibel und können sich der Körperform anpassen. Fu erläutert anhand eines Beispiels, wie interessant dies werden könnte: „Blutsauerstoff- und Pulsfrequenzsensoren in Smartwatches basieren teilweise auf der optischen Erfassung des Blutflusses.“ Mit flexiblen, optischen Sensoren könnten solche Messwerte in Zukunft viel günstiger und gleichzeitig genauer ermittelt werden, sagt Fu. „Messgeräte, die direkt auf der Haut aufliegen, sind eine Schlüsseltechnologie für die zukünftige Interaktion zwischen Mensch und Maschine.“