Ein an der TU Graz entwickeltes System nutzt Wasser als elektrisches und thermisches Speichermedium. Der Energiespeicher soll nach den Vorstellungen der Forscher den Ausbau emissionsneutraler Kraftwerke vorantreiben und 90 Prozent unseres Energiebedarfs decken.
Pressedienst/Redaktion
Die Idee ist simpel: Das Team um Franz Georg Pikl, Doktorand am Institut für Wasserbau und Wasserwirtschaft der TU Graz, kombiniert die bewährten Vorteile der Pumpspeichertechnologie und der thermischen Energiespeicherung mit dem Energieträger Wasser und führt sie in einem «Heisswasser-Pumpspeicherkraftwerk» zusammen. Dieses neue System speichert und liefert bedarfsgerecht Elektrizität, Wärme- und Kälteenergie.
Sektorkoppelnder Energiespeicher
Das erste Element im Konzept ist die Pumpspeichertechnologie. Sie sei aktuell die zuverlässigste, effizienteste und langlebigste Form der Speicherung von Elektrizität, erklärt man bei der TU Graz. Pumpspeicherkraftwerke sind überwiegend in gebirgigen Ländern wie auch der Schweiz zu finden, da sie neben ausreichend viel Wasser einen entsprechenden Höhenunterschied zwischen zwei Becken benötigen. In Zeiten hoher Stromproduktion wird mithilfe der überschüssigen Elektrizität das Wasser vom tiefer gelegenen Becken in ein höher gelegenes Becken gepumpt. Bei erhöhtem Strombedarf fließt das Wasser wieder nach unten und treibt die Turbinen an. Dieses Funktionsprinzip verlegt Pikl vollständig in den Untergrund. Durch unterirdische Tunnelsysteme werden die für die Stromerzeugung notwendigen Niveauunterschiede zwischen den beiden Speicherbecken topografieunabhängig erreicht. Dies minimiere den Flächenbedarf, vereinfache die Standortfindung und erleichtere die nötigen Genehmigungsverfahren, ist der Forscher überzeugt.
Großtechnische Fernwärmespeicher, in denen thermische Energie gespeichert wird, bilden die zweite Komponente des neuen Speicherkonzepts. Wasser dient dem unterirdischen Pumpspeicherkraftwerk aufgrund seiner hohen spezifischen Wärmekapazität nun als zusätzlicher thermischer Energiespeicher. Erneuerbare Energien erhitzen das Wassers auf bis zu 90 Grad Celsius. Die Einspeicherung und Nutzung der thermischen Energie erfolgt mit Wärmetauschern, die in den unterirdischen Wasserspeichern installiert sind. In Zeiten großen Wärmeenergiebedarfs gelangt die Wärme schließlich über Fernwärmeübertagungsleitungen direkt zum Endkunden.
Franz Georg Pikl hat das Konzept noch um die Fernkältetechnik ergänzt, die zum Kühlen von Gebäuden immer bedeutsamer wird, und setzt dabei Absorptionskältemaschinen ein. Bei Bedarf – also an heißen Tagen – dient das heiße Wasser dem Antrieb dieser Maschinen zur Kälteenergieerzeugung und wird über Fernkälteleitungen zu den Kundinnen und Kunden geliefert.
Ökologische und ökonomische Vorteile
«Durch die Kombination der an sich schon sehr effizienten Systeme mit Wirkungsgraden der elektrischen und thermischen Energiespeicherung von jeweils rund 80 Prozent steigert sich der Energieumsatz bei gleichem Ressourceneinsatz gegenüber der separaten Umsetzung deutlich», so Pikl. Mit dieser Energiespeicherzentrale könne eine Vielzahl von erneuerbaren Energieträgern über netzgebundene Energieinfrastruktur gebündelt werden, um den Herausforderungen der Energiewirtschaft gerecht zu werden. «Außerdem zeichnet sich die Anlage durch eine hohe Rentabilität aus. Die Amortisationszeit ist kürzer als bei herkömmlichen Pumpspeicherkraftwerken», so Pikl. Zudem könne das Kraftwerk emissionslos betrieben werden, verbrauche keine Freifläche und greife nicht in den Wasserhaushalt von natürlichen Gewässern ein. Das erleichtert die Umweltverträglichkeit.
Vom Konzept zur Umsetzung
Aktuell ist Pikl auf der Suche nach Energieversorgern und Unternehmen, die gemeinsam mit ihm einen Prototyp des Heißwasser-Pumpspeicherkraftwerks errichten. «Die berücksichtigten Technologien sind seit Jahrzehnten erfolgreich im Einsatz, jedoch ist noch niemand auf die Idee gekommen sie zu koppeln.» Hinsichtlich des Pariser Klimaschutzabkommens brauche es weitreichende Maßnahmen, um das 1,5-Grad-Klimaziel zu erreichen und gleichzeitig unseren Lebensstandard möglichst zu erhalten. «Unser System könnte ein Baustein für eine sichere erneuerbare Energiezukunft sein und wäre dafür eine energieeffiziente und umweltverträgliche Maßnahme. Die Bauwerke können sehr lange genutzt werden und sich somit klimatisch abschreiben», erklärt Pikl. Beim Kongress der International Commission on Large Dams mit 78 vertretenen Ländern, ICOLD 2018, in Wien wurde dieses Forschungsprojekt mit dem internationalen Innovationspreis ausgezeichnet.