Die Windkraft ist zum Zankapfel der Gegner und Befürworter der Energiestrategie 2050 geworden. Für die einen ist sie Bestandteil der Lösung für die Energiewende, für die anderen eine Plage, die neben Vogelschlag und Lärmbelastung zudem die Landschaft verschandelt. Ein neues Windturbinen-Konzept «Vertical Sky» könne beide Seiten zufrieden stellen, verspricht der Hersteller.
Pressedienst/Redaktion
Nicht alle, und das sieht man in der aktuellen Diskussion im Zusammenhang mit der Abstimmung zur Energiestrategie 2050 vom 21. Mai 2017, sind von der Windenergie begeistert. In diesen Diskussionen spielt der Landschaftsschutz oft eine grosse Rolle, oder die Sorge um Vögel und Fledermäuse, die den schnell drehenden Flügel der bisherigen Windräder nicht ausweichen können und so erschlagen werden. «Die neuen Vertical Sky-Windturbinen drehen langsam, und geben eine ruhige und fassbare Silhouette, die von Vögeln erkannt wird», verspricht der Schweizer Hersteller Agile Wind Power AG aus Dübendorf. Die Vogelwarte Sempach bewerte das Konzept als lobenswert und weniger risikoreich.Auch für die Menschen sei die neue Technologie viel angenehmer: Die langsam drehenden Rotorblätter erzeugten keine wahrnehmbaren Lärm-Emissionen und wesentlich weniger Schattenwurf, erklären die Entwickler. «Der Vertikalrotor und der grün gestrichene Gitterturm integrieren sich optimal in die Ortsbilder und Landschaften wodurch das Konzept eine breitere Akzeptanz in der Bevölkerung findet», schreibt Agile Wind Power.
Ungeplanter Projekt-Zwischenhalt
Die 2010 gegründete Firma hat die Entwicklung dieser neuartigen Grossanlagen, bei denen sich die Windturbine nicht in der horizontalen, sondern wie ein Zylinder in der vertikalen Achse dreht, vorangetrieben. Den nun vorgestellten Typ sehen die Ingenieure erst in Computersimulationen und in Gedanken drehen: 105 Meter hoch, mit einem grünen Gitterturm, drei weissen Rotorblättern, langsam um die Vertikalachse drehend, unauffällig und geräuschlos. Doch der Weg zur fertigen Anlage ist eine Herausforderung. Anfang letzten Jahres, nach sieben Jahren Forschung und Entwicklung, wähnten die Entwickler die erste Pilotanlage bereits zum Greifen nah: Die Baubewilligung in Niederurnen, Vereinbarungen mit den SBB und die Detailplanung waren bereits erstellt. Doch im August musste der Bau der Pilotanlage gestoppt werden. «Trotz bestehender Bewilligungen und Vereinbarungen standen unvorhergesehene äussert ungünstige Bodenbedingungen einer wirtschaftlichen Fundamentierung der Windturbine und somit dem Bau der ersten Anlage im Wege», erklärt das Unternehmen.
Innovation in der Rotorblattsteuerung
Das Innovative des Konzepts ist nicht die auffällige Drehung der Windturbine um die Vertikalachse, sondern eine neue kontinuierliche Echtzeitsteuerung der Anstellwinkel der drei Rotorblätter. Diese legt laut den Entwicklern die Rotorblätter während der Drehung permanent optimal in den vorherrschenden Wind. Die aus Faserverbundwerkstoffen hergestellten vierteiligen Rotorblätter mit einer Gesamtlänge von 54 Metern und einer Breite von 2,7 Metern könnten dank der Steuerung das Maximum an Energie aus dem vorhandenen Wind herausholen, erklärt Agile Wind Power. Gleichzeitig würden durch diese Rotorblattsteuerung die auf die Turbine wirkenden Wechsellasten massiv reduziert und die Verwirbelungen der Luft verhindert. Dadurch werde dieser Windturbinentyp zum ersten Mal skalierbar und somit wirtschaftlich interessant, was bisher mit Vertikalachsen-Windturbinen nicht möglich gewesen sei. Verschiedene Firmen unter anderem auch in der Schweiz versuchen seit längerer Zeit das Konzept der vertikalten Windmühlen wirtschaftlich zu machen.
Testanlage in Deutschland, Prüfstand Rotorblattsteuerung in der Schweiz
Schon während der Konzeption der Anlage in Niederurnen plante Agile der Aufbau und die Zertifizierung des Marktreifetyps in einem Windanlagen-Testgelände in Deutschland. Nach den ernüchternden Sondierungsbohrungen in der Linth-Ebene traf das Team der Ingenieure und die Geschäftsleitung den Entscheid, direkt in die nächste Phase einzutreten. Der Kern der neuen Windenergie-Technologie ist die Echtzeitsteuerung der Rotorblätter. Sensoren messen permanent die Stärke und Richtung des eintreffenden Windes und geben diese Information an die Rotorblattsteuerung weiter, welche die Rotorblätter optimal ausrichtet. Um die einwandfreie Funktionsfähigkeit der Steuerungs-Einheit zu testen bauten die Ingenieure einen Prüfstand im Mas- sstab 1:1 auf. Auf dem Prüfstand belasteten sie den Pitch-Antrieb, einen getriebelosen Elektromotor, mit den im realen Betrieb auftretenden Krafteinwirkungen. So prüften sie das Systemverhalten und die Regelgenauigkeit bei verschiedenen Windbedingungen
Resultat steht fest
«Seit dem frühen Morgen des 20. Aprils 2017 steht fest, dass alle theoretischen und x-fach berechneten Werte mit dem Live-Test übereinstimmen», schreibt Agile Wind Power nun. Mit diesem «überaus positiven» Resultat stehe dem Bau eines industriellen Prototyps (Marktreifetyp) in Deutschland auf einem Testgelände für Windturbinen und der Typenzertifizierungen nichts mehr im Wege. Die neue Windturbine fülle die befürchtete Lücke in der Stromproduktion auf. «Der stetige Fokus während der Entwicklung auf eine wirtschaftlich funktionierende Lösung, macht das Produkt für eine breite Zielgruppe interessant und eröffnet neue Einsatzmöglichkeiten», verspricht das Unternehmen.