Abwärme aus der energieintensiven Industrie ist oft für den Einsatz in Fernwärmesystemen geeignet, jedoch meistens ungenutzt. Eine detaillierte Übersicht der in der EU verfügbaren Potenziale liefert jetzt eine Datenbank des Projekts sEEnergies. In Deutschland könnten 29 Petajoule Abwärme aus Industriestandorten genutzt werden, was dem Bedarf von mehr als einer halben Million Haushalte entspricht.
Pressedienst/Redaktion
Im EU-Projekt sEEnergies entwickelt ein Konsortium aus Universitäten und Forschungseinrichtungen einen ganzheitlichen Modellierungsansatz, um EU-weit die Potenziale für Energieeffizienz in Gebäuden, Verkehr und Industrie zu quantifizieren und dieses Wissen nutzbar zu machen.
Eine Möglichkeit für die effiziente und CO2-arme Wärmeversorgung von Gebäuden ist die Nutzung industrieller Abwärme in Fernwärmesystemen. Energieintensive Industriestandorte aus den Branchen Chemie, Eisen und Stahl, Zement, Glas, Papier sowie Raffinerien produzieren vor allem durch Rauchgase viel überschüssige Wärme, die derzeit aber nur selten genutzt wird.
Viel Abwärme vorhanden
Um dieses bisher meist ungenutzte Potenzial europaweit abschätzen zu können und sichtbar zu machen, hat das Konsortium vier Datenbanken verknüpft. Das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI hat als Projektpartner eine neue Methodik für die Bestimmung der Abwärmepotenziale verwendet. Die gewonnenen Daten sind als Kartenansicht verfügbar, die Datensätze können heruntergeladen werden.
Die Karte zeigt: In Deutschland entstehen 29 Petajoule (PJ) und in Europa 151 PJ – und damit jeweils mehr als 35 Prozent der industriellen Abwärme – maximal zehn Kilometer von bestehenden Fernwärmesystemen entfernt und könnten somit in die Systeme eingespeist werden. Bei einem Endenergieverbrauch von Fernwärme in Höhe von 1.945 PJ in der Europäischen Union könnten also EU-weit acht Prozent der heutigen Fernwärmenachfrage durch überschüssige Wärmequellen aus energieintensiven Industrien gedeckt werden, in Deutschland sind es sieben Prozent.
«Diese Ergebnisse zeigen, dass industrielle Abwärme schon jetzt einen großen Beitrag zur effizienteren Wärmeversorgung leisten könnte. Wie dies gelingen kann, zeigt zum Beispiel die Stadt Karlsruhe: Seit 2010 wird überschüssige Abwärme aus der nahegelegenen Raffinerie in das Fernwärmesystem eingespeist und versorgt etwa 32.000 Wohnungen mit Wärme. Noch ist dies in Deutschland und Europa allerdings ein seltenes Beispiel», erklärt die Projektleiterin vom Fraunhofer ISI, Pia Manz.
Mithilfe der berechneten Potenziale und der räumlichen Analyse können weitere solche Synergien identifiziert werden. Im Ruhrgebiet beispielsweise als dicht besiedelte und industriell geprägte Region sind die Potenziale besonders hoch: Große Mengen an industrieller Abwärme könnten eingebunden werden, während die bestehenden Fernwärmenetze kosteneffizient ausgebaut werden könnten. Pia Manz betont: »Der ambitionierte Ausbau von effizienten Fernwärmenetzen und die Anbindung industrieller Abwärmequellen an Fernwärmesysteme sollten zentrale Elemente beim Übergang zu einer nachhaltigen und CO2-neutralen Wärmeversorgung in Europa sein.»