Das Volk fordert seit 27 Jahren im Art. 89 der Bundesverfassung (BV) mehr erneuerbare Energien und einen effizienten Energieverbrauch. Damit können die 80% Energieverluste im Gebäudebereich und die jährlich für fossil-nukleare Energien an die arabischen Staaten und Russland überwiesenen 10,1 Milliarden Franken endlich reduziert werden.
Solaragentur/Redaktion
Die Energiegrundlagen von über 3400 Gebäuden und Anlagen, die aufgrund der Motion NR Leo Müller (16.3171) von der Fachhochschule Genf (HEPIA), der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) und der Universität Genf mit der Solar Agentur Schweiz untersucht wurden, beweisen: Mit Anreizinvestitionen für Gebäudesanierungen im Umfang der Parlamentsbeschlüsse vom 30.9.2016 für das neue Energiegesetz (EnG) können Wohn- und Geschäftsbauten immense Energieverluste von über 100 TWh/a reduzieren. Gleichzeitig können Landwirtschafts-, Gewerbe- und Mehrfamilienhäuser mit Abstand am meisten einheimische Energie umweltverträglich erzeugen: Sie können die AKW Mühleberg, Beznau I und II in 10 Jahren ersetzen. Längerfristig können – je nach Energieszenario – in 24 bis 55 Jahren alle fossil-nuklearen Energien umweltverträglich durch einheimische erneuerbare Energien ersetzt werden.
Gebäude erzeugen immer höhere Stromüberschüsse
National und global wird praktisch nur die Energieproduktion betrachtet. Die Themen «Energieverbrauch» und «Energieeffizienz» sind nicht «sexy». Sie werden beim Vollzug kaum berücksichtigt. Dabei ist das Effizienzpotential vier bis fünf Mal grösser. Mit der Motion Müller (16.3171) werden beide Faktoren gleichzeitig angegangen: Die Energieproduktion und der Energieverbrauch im Gebäudebereich. Dieser ist nämlich für die Hälfte des Gesamtenergieverbrauchs verantwortlich. Das wichtigste Instrument zur Eliminierung extrem hoher Energieverluste im Gebäudebereich ist der 2002/03 von den Kantonen lancierte Minergie-P- oder ein vergleichbarer Baustandard.
Werden energieeffiziente Gebäude erstellt oder saniert, kann die Gebäudehülle gleichzeitig zur solaren Energiegewinnung – als PlusEnergieBau – genutzt werden. Die innovative Gebäudebranche erstellt immer mehr PlusEnergieBauten (PEB). Sie versorgen Wohn- und Geschäftsbauten mit mehr solarem Gebäudestrom als sie im Jahresdurchschnitt benötigen. Um die stochastischen Solarstromüberschüsse rund um die Uhr und für den Verkehr zu nutzen, benötigt die Schweiz künftig mehr Pumpspeicherkraftwerke (PSKW); pro 10 TWh/a etwa 1 GW PSKW.
Eine Grundnorm statt 10’000 Bauvorschriften
Das riesige Energiepotential des Schweizer Gebäudeparks will die Motion Müller mit einer Grundnorm nutzen: Minergie-P/PEB! Der Minergie-P-Baustandard reduziert im Gebäudebereich – laut Bundesrat – bis «80% Energieverluste» (IP 10.3873). Dies ist dringend nötig. Denn bereits am 23.9.1990 forderten 71% des Schweizer Volkes im Art. 89 der Bundesverfassung (BV), dass Bund und Kantone sich «für eine ausreichende, sichere, wirtschaftliche und umweltverträgliche Energieversorgung sowie für einen sparsamen und rationellen Energieverbrauch» einsetzen. Nach Jahrzehnten stellte der Bundesrat fest: Die Energieverluste im Gebäudebereich sind etwa vier Mal höher als die Jahresproduktion aller fünf Schweizer AKW. Am 9.3.2016 erklärte das Bundesamt für Energie (BFE), dass bei 50% der Einfamilienhaus- und 78% der Mehrfamilienhaus-Neubauten nicht einmal die überholten Minergie-Grenzwerte von 1995 beziehungsweise die Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich (MuKEn) eingehalten werden.
Trotz mehr als 10’000 Bauvorschriften in 26 Kantonen und 2350 Gemeinden herrscht – energetisch betrachtet – eine unverhältnismässige Verschwendung von Energie- und Finanzressourcen von zirka 30 Milliarden Franken pro Jahr. Anstatt nach dem Giesskannenprinzip überholte Baustandards mit Einzelbaubestandteilen separat zu fördern, verlangt die Motion Müller zur MinergieP-Effizienz mehr PEB, um CO2-freien Strom für Gebäude und Verkehr zu generieren. Unendliche Wartelisten der kostendeckenden Einmalvergütung (KEV) und bürokratische Beschränkungen sollen aufgehoben werden. Es sind die Mieter-, Vermieter/innen und KMU mit den übrigen Gebäudeinhaber/innen, welche am meisten KEV und CO2-Beiträge praktisch ohne Ausnahmebestimmungen finanzieren. Die Leistungsbegrenzung für die Einmalvergütung von 30 kWp muss auf mindestens 200 kWp erhöht werden. Damit können vermehrt ganzflächige Dach- und Fassadenanlagen optimal integriert und die Architektur der Gebäude besser berücksichtigt werden (vgl. Motion Müller Art. 19 Abs. 4bis EnG, Teil II).
Volkswirtschaftliche Auswirkungen
Nachstehend werden die Untersuchungen zur Finanzierung und die betriebs- und volkswirtschaftlichen Auswirkungen der Hochschulstudie in fünf Teilen zusammengefasst. Es dürfte sich um die erste Untersuchung weltweit handeln, die mit gemessenen Minergie-P/PEB-Werten aufzeigt, wie mit Abstand am meisten Energieverluste reduziert und gleichzeitig mit einer Grundnorm die grössten CO2-freien Solarstromüberschüsse unbürokratisch generiert werden können:
- In Teil I sind die Grundlagen und Baupraxis-Beispiele seit 2010 von Landwirtschafts-, Gewerbebauten und Mehrfamilienhäusern ausschliesslich mit gemessenen Endenergiewerten aufgeführt: Die Branchen des innovativen Gebäudesektors beweisen seit Jahren, wie sie bei Geschäfts- und Wohnbauten bei vollem Komfort den Gesamtenergiebedarf um 80% oder um rund 100 TWh/a Energieverluste reduzieren und entsprechend CO2- Emissionen senken. Gleichzeitig können PEB mittel- bis langfristig über 132 TWh/a Solarstrom preisgünstig erzeugen und die Schweiz von Milliarden Franken Ausgaben für fossil-nuklearen Energien befreien.
- In Teil II befindet sich der Motionstext von NR Müller. Die Motion bezweckt die Umsetzung des Art. 89 BV insbesondere im Gewerbe-, Landwirtschafts- und MFH-Bereich mit dem grössten einheimischen Energiepotential. Die Anreizförderung ist auf höchstens 30% der Gesamtinvestitionen beschränkt; mit 70% müssen sich Private beteiligen. Im Wohn- und Geschäftsbaubereich stehen über 35’000 PV-Gesuche auf der KEV-Warteliste. Sie bestätigen, dass die Nachfrage im Gebäudebereich ungebrochen ist. Nur ästhetisch gute und sorgfältig integrierte Solaranlagen sollen befristet gefördert werden. Bei PV-Anlagen kann die Leistung von 200 kW auch überschritten werden, wenn die Architektur durch ganzflächige Dach- oder Fassadenflächen besser respektiert wird. Entscheidend ist, dass Solaranlagen, wie traditionelle Dach- und Fassadenmaterialien von Kirchen oder Kulturbauten, optimal in die Gebäudehülle integriert sind und einen Gebäudebestandteil bilden.
- In Teil III werden die Finanzierung und die Auswirkungen der Motion Müller erläutert. Von 2006 bis 2015 bezahlten die Schweizer/innen gut 30 Mrd. Fr. pro Jahr für den gesamten Energiekonsum; rund ein Drittel davon oder durchschnittlich 10,1 Mrd. Fr. pro Jahr fliessen für Energieimporte v.a. an islamistische Staaten und Russland. Mit der Umsetzung der Motion Müller im neuen EnG können diese Milliardenüberweisungen erheblich
reduziert und im Inland für Bausanierungen in Landwirtschafts-, Gewerbe- und Wohnbauten investiert werden. 80% der Landwirtschaftsbetriebe können mit etwa 4% der jährlichen Überweisungen für fossil-nukleare Energieimporte (0.39 Mrd. Fr.) in 10 Jahren die AKW Mühleberg, Beznau I und II ersetzen. Landwirtschafts- und Gewerbebauten sowie Mehrfamilienhäuser können mit etwa 1/10 der jährlichen Überweisungen für fossil-nukleare Energieimporte alle Schweizer AKW in 7 Jahren ersetzen, die CO2-Emissionen um 23% und die Energieverluste in Wohn- und Geschäftsbauten um ca. 16 TWh/a senken. - In Teil IV werden vier Szenarien (A bis D) für die Umsetzung der Motion Müller aufgezeigt: Laut Szenario A können 44’000 Gebäude (inkl. Landwirtschaftsbauten) mit einer Anreizförderung von 1.37 Mrd. Fr. pro Jahr (KEV-Anteil und Rest CO2-Beiträge für beheizte Gebäude) dank Minergie-P/PEB-Sanierungen rund 3.6 TWh/a fossil-nukleare Energien substituieren und jährlich ca. 1.5 Mio. t CO2-Emissionen senken.
- In Teil V sind die Ergebnisse der Energieszenarien A bis D zusammengefasst: Abb. 1 zeigt die energetischen, ökologischen und ökonomischen Auswirkungen der 30% Anreizförderung gemäss Motion Müller. Je nach Szenario ist die fossil-nukleare Unabhängigkeit der Schweiz in rund 24 bis 55 Jahren erreichbar. Dabei sind die jährlichen Einnahmen/Einsparungen bereits im vierten Jahr gleich hoch wie die jährlichen Anreizinvestitionen. Im neunten Jahr sind bereits alle KEV- und CO2-Anreizinvestitionen durch die jährlichen Einnahmen/Einsparungen an die Mieter-, Vermieter/innen und Gebäudeinhaber, welche den grössten Teil der Anreizinvestitionen finanzieren, zurückerstattet (vgl. Abb. 2). In 25 Jahren werden die Einnahmen/Einsparungen für Mieter/Vermieter/KMU auf rund 175 Mrd. Fr. geschätzt. Das ist fast so viel wie die 178 Mrd. Fr., welche in 25 Jahren (1990-2014) für fossil-nukleare Energieimporte vor allem an arabisch-islamistische Staaten und Russland überwiesen wurden (vgl. Schweiz. Gesamtenergiestatistik 2015, S. 49).