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Gefragter Leitfaden für Wasserstoff-Tankstellen

Foto: coop

Dem Wasserstoff fehlt noch ein flächendeckendes Tankstellennetz. Ein Grund dafür ist der Genehmigungsprozess für Planung und Bau von Wasserstoff-Tankstellen. Dieser ist noch sehr unübersichtlich, da Erfahrungen weitgehend fehlen. Ende letzten Jahres hat die Empa-Abteilung «Fahrzeugantriebssysteme» deshalb eine entsprechende Schritt-für-Schritt-Anleitung zum Bau von Wasserstoff-Tankstellen erarbeitet. Diese ist sehr gefragt.

Text: Beat Kohler

«Wir haben die Anfragen bei uns nicht registriert – so aus dem Gedächtnis gehe ich von 10 – 15 von uns versandten Leitfaden aus», erklärt Christian Bach, Leiter der Empa-Abteilung «Fahrzeugantriebssysteme» auf Anfrage. Bei der Schweizerischen Normen-Vereinigung (SNV), welche den Leitfaden als «Schweizer Guideline SNG 10000:2019» veröffentlicht hat und über ihren Online-Shop kostenlos vertreibt, wurde er bisher 287 Mal heruntergeladen. Das zeigt, dass das Interesse am Bau von Wasserstofftankstellen vorhanden und das Bedürfnis nach einer Sammlung relevanten rechtlichen Bestimmungen da ist. Bach und sein Team haben zusammen mit betroffenen Fachstellen und Behörden diesen Leitfaden zum Bau von Wasserstoff-Tankstellen erarbeitet. Dieser schlüsselt in einer Schritt-für-Schritt-Anleitung auf, welche Behörden und Organisationen in den Genehmigungsprozess in der Schweiz einbezogen werden sollen und worauf bei Planung und Bau geachtet werden muss. Dazu liefert er eine Übersicht über die einschlägigen nationalen und internationalen Gesetze, Richtlinien und Normen. Der Leitfaden hat informellen Charakter und ist rechtlich nicht bindend. «Mit dem Leitfaden möchten wir Tankstellenbauern und Behörden eine Hilfestellung geben und damit die Planung und den Aufbau von Wasserstoff-Tankstellen vereinfachen», so Bach.

Förderverein H2 Mobilität Schweiz

Der Förderverein H2 Mobilität Schweiz setzt sich zum Ziel, in der Schweiz ein flächendeckendes Netz an Wasserstofftankstellen aufzubauen. «Die sieben Unternehmen wollen als Gründungsmitglieder des Vereins die Initialzündung geben und dazu beitragen, dass diese zukunftsweisende Technologie den Durchbruch schafft», sagte Jörg Ackermann, Präsident des neu gegründeten Fördervereins und Mitglied des Managements Coop, bei der Vereinsgründung vor zwei Jahren. Agrola AG, AVIA Vereinigung, Coop, Coop Mineraloel AG, fenaco Genossenschaft, Migrol AG und der Migros-Genossenschafts-Bund gründeten im Mai 2018 den Verein als gemeinsame Plattform, um den Aufbau der Wasserstoffmobilität in der Schweiz konkret zu fördern und zu beschleunigen.
Die Technologie habe sich bisher nicht durchgesetzt, weil die Tankstellen-Infrastruktur dazu fehlte. Mit dem Betrieb von mehr als 1500 Tankstellen in der Schweiz und dem Einsatz von über 1700 schweren Nutzfahrzeugen sahen sich die Gründungsmitglieder gemeinsam in der Lage, den flächendeckenden Aufbau der Wasserstoff-Infrastruktur zu bewerkstelligen. Im Vergleich zu Personenwagen benötigen schwere Nutzfahrzeuge jährlich das 30- bis 50- fache an Wasserstoff. Dadurch ist es mit dem Einsatz von 10 Brennstoffzellen- Nutzfahrzeugen bereits möglich, eine Wasserstofftankstelle wirtschaftlich zu betreiben.
SOCAR Energy Switzerland GmbH schloss sich im Juni 2018 dem Verein an. Im Oktober 2018 haben sich die Emil Frey Group und Shell dem Verein angeschlossen, Galliker Transport & Logistics im März 2019, Camion Transport, G. Leclerc Transport, F. Murpf und Tamoil im Mai 2019. Im August 2019 schlossen sich Chr. Cavegn AG und Emmi Schweiz AG an und im 2020 die Schöni Transport AG, die Gebrüder Weiss AG, die Streck Transport AG und von Bergen SA.
Nach einer Phase der Vorbereitungen beginnt in diesem Jahr nun die Umsetzung. Nebst der bereits bestehenden Wasserstoff-Tankstelle in Hunzenschwil (Coop) nehmen gemäss dem Förderverein bis Ende 2020 fünf weitere Standorte den Betrieb auf: Agrola/LANDI in Zofingen, AVIA in St.Gallen und Rümlang, Coop in Dietlikon und Crissier bei Lausanne.

Wasserstoff hat gute Chancen

Seit vielen Jahren beschäftigt sich der Mobilitätsforscher mit seinem Team mit dem Umstieg von fossiler auf erneuerbare Energie und dem damit einhergehenden Potenzial, die CO2-Emissionen im Strassenverkehr deutlich zu senken. Neben der Elektromobilität stehen dabei Wasserstoff und synthetische Treibstoffe im Zentrum. «Es spricht einiges dafür, dass sich der Wasserstoffantrieb insbesondere im lokalen und regionalen LKW-Einsatz wird etablieren können», ist Bach überzeugt. Dies insbesondere deshalb, weil man bei der Umstellung auf ein regeneratives Energiesystem nicht um Wasserstoff herumkomme. Wasserstoff ist für Bach ein zentrales Element für die neue Energiestrategie, denn er bietet die Möglichkeit, bei der Spitzenproduktion von Strom aus Wasserkraftwerken oder Solarstromanlagen – die im Sommerhalbjahr in grossen Mengen anfällt – in andere Energiesektoren wie die Mobilität zu übertragen. Mittels Elektrolyse wird dieser Strom in Wasserstoff umgewandelt und steht dann für die Betankung von Brennstoffzellenfahrzeugen zur Verfügung. Deshalb sei es sinnvoll, die direkte energetische Nutzung zu prüfen. «Allerdings gibt es schon noch einige Baustellen», räumt Bach ein. So müssten Lösungen entwickelt werden, um Wasserstoff auch im Winterhalbjahr, wenn die Schweiz schon jetzt auf Stromimporte angewiesen ist, aus erneuerbaren Quellen herzustellen. Zudem muss die erforderliche Infrastruktur praktisch vollständig neu aufgebaut werden, was hohe Investitionskosten verursacht. Die Schweiz spiele in diesem Kontext als Pionierland eine wichtige Rolle. Damit sich diese Technologie nachhaltig etablieren könne, müssten aber wesentlich grössere Wirtschaftsräume schnell nachziehen. «Zudem braucht es mehr Wettbewerb in allen Bereichen der Wasserstofftechnologie», führt Bach aus. Viele Bauteile seien heute einfach noch sehr teuer.

Die Tankstelle der Zukunft

Seit 2015 betreibt die Empa zusammen mit Partnern der öffentlichen Hand und der Industrie die Forschungs- und Demonstrationsplattform «move». Als Lade- und Tankstelle der Zukunft konzipiert, lassen sich im «move» Elektro-, Wasserstoff- und Gasfahrzeuge betanken und die Vor- und Nachteile dieser drei Mobilitätspfade ausloten. «Wasserstoff ist neben der Elektromobilität und synthetischen Treibstoffen eine der Schlüsseltechnologien für die Energiewende im Bereich des Strassenverkehrs», ist Bach überzeugt. Jede dieser Anwendungen habe energetische, betriebliche, ökologische und wirtschaftliche Vor- und Nachteile. «Die eigentliche Kunst ist, die Systeme so zu verstehen, dass man für die sehr verschiedenen Anwendungen das am besten geeignete Konzept auswählen kann», so Bach.