Die kostendeckende Einspeisevergütung hat mehr zu sein als eine unerfüllte Hoffnung – sie ist heute Gesetz.
Heini Lüthi/VESE
Das neue Energiegesetz steht unter Beschuss – doch was verteidigen die Gegner? Im heute gültigen Energiegesetz steht unter Art 7a, dass Netzbetreiber Elektrizität aus erneuerbaren Energien zu den im Erstellungsjahr geltenden Gestehungskosten zu vergüten haben. Das ist die Grundlage der kostendeckenden Einspeisevergütung KEV.
Unter Artikel 7b steht, dass der Bundesrat frühestens für das Jahr 2016 verpflichtende Vorgaben für die Lieferung von Elektrizität aus erneuerbaren Energien machen kann, falls die im bestehenden Gesetz definierten Zubauziele nicht erreicht werden. «Planwirtschaft und Zwang» könnte dem bestehenden, von den Neuerungs-Gegnern verteidigten Energiegesetz genauso angelastet werden.
Nun ist es bislang Art 15b, der dazu führt, dass 2/3 der Solarstrom-Produzenten aktuell doch nicht die Gestehungskosten gemäss Art 7a vergütet erhalten: Zur Finanzierung der Differenz zwischen Marktpreisen und Gestehungskosten erhebt die Netzgesellschaft (Swissgrid) einen Zuschlag, dessen Summe 1.5 Rp/kWh nicht übersteigen darf. Somit sind die Mittel begrenzt – wobei fraglich ist, inwiefern deshalb Art 7a für Produzenten von erneuerbarer Energie ausser Kraft tritt.
Kosten des Status Quo
Vor Einführung der KEV 2008 war die Produktion von erneuerbarer Energie in Anlehnung an die «Beschaffungskosten von neuen, inländischen Produktionsanlagen» zu vergüten. Die günstigste Referenz-Ressource war damals Wasserkraft mit rund 15 Rp/kWh. In den Verordnungen zum neuen Energiegesetz ist für neue Solarstrom-Anlagen ein theoretischer Vergütungssatz von 11 Rp/kWh vorgesehen. Dieser Vergütungssatz ist nicht praxisrelevant; es ist zwar heute möglich, Solarstrom zu diesem Preis in der Schweiz zu produzieren, doch ausbezahlt wird er aufgrund der beschränkten Finanzmittel doch nicht.
Die Erhöhung vom Netzzuschlag von 1.5 auf höchstens 2.3 Rp/kWh führt zu den debattierten Mehrkosten von rund 40 CHF/Jahr (für einen Haushalt mit 5000 kWh/Jahr – viele konsumieren weniger). Die 3200 CHF der Gegner sind Befürchtungen ohne direkte gesetzliche Grundlage, und vor allem ohne zu berücksichtigen, welche Kosten beim «weiter wie bisher» folgen können. Im Parlament wurde die Erhöhung vom Netzzuschlag mehrheitsfähig, weil bis zu einem Viertel der Zuschlags-Erhöhung die Grosswasserkraft mit Marktprämien unterstützen soll. Weitere Anteile sind reserviert für Gewässerschutz, wettbewerbliche Ausschreibung für Effizienzmassnahmen und Geothermie-Erkundungsbeiträge. Für die ursprüngliche «KEV» sind die Mittel weiter sehr begrenzt: Es könnten noch Zusagen für PV-Anlagen erteilt werden, die vor 2015 angemeldet wurden. Neue Anlagen hingegen können nicht mehr mit der KEV rechnen; die Wirtschaftlichkeit ist neu unter Abwägung vom Eigenverbrauch und dem Rückliefertarif vom Elektrizitätswerk zu kalkulieren.
Und welchen Preis bezahlen die Elektrizitätswerke? www.pvtarif.ch zeigt: Gewisse Elektrizitätswerke, welche den Zubau erneuerbarer Energie begrüssen, zahlen 10 bis 23 Rp/kWh, während andere 4 Rp/kWh vergüten und mit dem heutigen EnG Art 7 begründen: «Die Vergütung richtet sich nach marktorientierten Bezugspreisen für gleichwertige Energie.» Bei Einführung von Art 7a per 1.5.2008 war es nicht die Absicht, dass erneuerbare Energie gemäss Art 7 vergütet wird – der Marktpreis-Bezug ist ein Rückschritt gegenüber den vorher geltenden inländischen Beschaffungskosten.
Energiestrategie lässt KEV faktisch verschwinden
Ab dem 1.Januar 2018 gibt es mit dem neuen Energiegesetz für neue PV-Anlagen faktisch keine KEV mehr, d.h. eine nationale Tarifregelung wird ersetzt durch ortsspezifische Tarife, die jedes Elektrizitätswerk je nach Strategie festlegt. Der neue EnG Art 15 besagt: Netzbetreiber haben die ihnen im Netzgebiet angebotene Elektrizität abzunehmen und angemessen zu vergüten. «Können sich Netzbetreiber und Produzenten über die Vergütung nicht einigen, so gilt folgendes: Bei Elektrizität aus erneuerbaren Energien richtet sie sich nach den vermiedenen Kosten des Netzbetreibers für die Beschaffung gleichwertiger Elektrizität.»
Heute, in der Post-KEV-Ära, muss man sich an die Formulierung der Vor-KEV-Zeit erinnern. «Beschaffung gleichwertiger Elektrizität» gemäss neuem EnG ist in der Energieverordnung in Anlehnung an das Gesetz vor dem 1.5.2008 zu präzisieren: «Bei der Vergütung für Elektrizität aus erneuerbaren Energien richten sich die Kosten, die der Netzbetreiber für die Beschaffung gleichwertiger Energie vermeidet, nach den Beschaffungskosten für Energie aus neuen inländischen Produktionsanlagen.» Ein Bezug auf Börsenpreise für ausländischen Graustrom widerspricht den Zielvorgaben vom Energiegesetz und ist nicht gleichwertig. Neue Wasserkraft ist heute kaum günstiger als 15 Rp/kWh; 11 Rp/kWh Gestehungskosten für Solarstrom zu vergüten, ist somit eine Win-Win Situation. Für neue inländische AKWs gibt es keine Referenz-Preise; für das neue AKW Hinkley Point C garantiert der Staat über 35 Jahre 92.5 GPB/MWh, das sind rund 11.8 Rp/kWh. Dieses neue britische AKW geht frühestens in 8 Jahren in Betrieb – in der Zwischenzeit bauen die Chinesen jährlich doppelt so viel Solar- und Windstrom zu, wie alle Schweizer Atomkraftwerke zusammen produzieren. Die erneuerbaren Energien sind kaum aufzuhalten – auch nicht durch ein altes oder neues Energiegesetz in der Schweiz.
Wer den Zubau erneuerbarer Energien wünscht, mag nach der Lektüre dieser Gesetzes-Analyse skeptischer geworden sein – grundsätzlich ist das Energiegesetz jedoch ein Schritt in die richtige Richtung. Die Verteidiger des bestehenden Gesetzes bitte ich, den geltenden EnG Art 7a doch bitte umzusetzen – danke.