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Er hat die Chancen der Solarenergie vor 45 Jahren erkannt

Urs Muntwyler präsentiert eine der vielen PV-Anlagen vor der Berner Fachhochschule, Abteilung Elektrotechnik und Informationstechnologie, in Burgdorf, die dank seinem persönlichen Einsatz hier stehen und den Studierenden als Studienobjekte dienen. Foto: Beat Kohler

Seit er 1975 seine erste Arbeit über Solarmodule geschrieben hat, hat sich Urs Muntwyler unablässig mit der Solarenergie befasst und deren Entwicklung vorangetrieben. In den letzten zehn Jahren tat er dies als Professor der Photovoltaik an der fachhochschule Burgdorf. Ende nächstes Jahr geht er als Professor in Pension. Als Vorkämpfer für die Solarenergie wird er aktiv bleiben.

Beat Kohler

Schon bei der Anfahrt auf den Parkplatz der Berner Fachhochschule, Abteilung Elektrotechnik und Informationstechnologie, in Burgdorf, wird klar: Hier steht die Photovoltaik hoch im Kurs. PV-Anlagen verschiedener Bauweisen und aus verschiedenen Jahren sind rund um den Platz angelegt. Unter den auf der Längsseite installierten Modulen sind zudem verschiedene Ladestationen für Elektroautos angebracht. Und auf einem Auto kleben zusätzlich noch Solarzellen und Kabel – doch dazu später. Mit wachem Blick und sprühender Energie kommt derjenige, der in den letzten Jahrzehnten zu einem grossen Teil für den Aufbau dieser Forschungsinfrastruktur mit verantwortlich war, zur Begrüssung auf ebendiesen Platz – Urs Muntwyler. «Die Anlage hinten auf dem Unterstand ist ganz neu. Das war ein schwieriger Kampf innerhalb der Bürokratie des Kantons», taucht er an diesem sonnigen Sommermorgen ohne Umschweife in das Thema ein, das ihn seit 1975 begleitet: die Entwicklung, Erforschung und Förderung der Photovoltaik. Heute ist Muntwyler Professor an der Berner Fachhochschule. Bürokratische Hindernisse, wie auch die vielen anderen Hürden, die es in den letzten Jahrzehnten zu überwinden galt, haben seinen Kampfgeist nicht geschmälert, sondern eher angefacht.

Labor für Photovoltaiksysteme

Das Labor für Photovoltaiksysteme der Berner Fachhochschule, Abteilung Elektrotechnik und Informationstechnologie, in Burgdorf (PV LAB) forscht und arbeitet seit 30 Jahren im Bereich der Photovoltaiksystemtechnik. Die wichtigsten Aktivitäten des PV LAB sind Forschungsprojekte und Dienstleistungen im Bereich der Langzeitmessung und Qualitätssicherung von PV-Anlagen, des Testens von PV-Wechselrichtern, der Integration der Photovoltaik in Gebäudehüllen und der Verbindung von Photovoltaik mit Elektrofahrzeugen, Batterien und «Smart Use». Zur Infrastruktur in Burgdorf gehören Testanlagen mit 60kWp, 2,5 kWp, 4,8 kWp und 5 kWp, ein Hochspannungslabor mit dem unter anderem Blitzstromempfindlichkeitstests an Solarmodulen durchgeführt werden können, Sonnensimulatoren zur Prüfung der Leistung von Solarmodulen, eine akkreditierte Wechselrichtertest-Infrastruktur für Normtests und viele weitere Messungen und Messgeräte. Das PV LAB untersucht alle Faktoren, die den langfristigen Energieertrag sowie den sicheren und zuverlässigen Betrieb von PV-Anlagen beeinflussen. Seit 1993 werden an ausgewählten PV-Anlagen in der Schweiz Messungen durchgeführt. Es werden die Sonneneinstrahlung in der Modulebene, die Umgebungstemperatur, die Temperatur der Solarzellen, der Gleichstrom, die Gleichspannung, die ins Netz eingespeiste Wirkleistung sowie die Netzspannung in kurzen Intervallen gemessen und als 1- oder 5-Minuten-Mittelwerte abgespeichert. Die Daten werden entweder über eine Internet- oder über eine Telefonverbindung vom Datenserver des PV LAB aus den Messstationen abgefragt. Dieser speichert die Messdaten zentral ab. Die Messungen werden unabhängig von den PV-Komponenten erhoben. Diese Messmethode erlaubt es, das Betriebsverhalten der PV-Anlage mit der normierten Darstellung auszuwerten. Das PV LAB hat auch eine Methode entwickelt, die eine detaillierte Analyse sporadischer Fehlfunktionen, wie zum Beispiel eines Maximum-Power-Tracking-Fehlers beim Wechselrichter oder einer (Teil-)Beschattung oder Schneebedeckung der Solarmodule, erlaubt. Das Labor wirkt auch am Zentrum Energiespeicherung der Berner Fachhochschule mit. Dieses Zentrum ist ein überdepartementales Gefäss zur Erforschung und Entwicklung von Technologien für Energiewandler und -speicher und an drei der sieben Swiss Competence Centers for Energy Research (SCCER) beteiligt. (pd/bk)

Querdenker von Anfang an

Bereits 1975, nach dem Schock der ersten Ölkrise in der Schweiz, schrieb Muntwyler, der damals in der Ausbildung zum FEAM (Fernmelde-, Elektro- und Apparatemonteur) steckte, seine erste Arbeit über amorphe Solarmodule. Er war technisch sehr interessiert und durch die Krise für Energiethemen sensibilisiert. Dass er sich gerade auf die Solarenergie und die Photovoltaik konzentrieren wollte, geschah nicht unbedingt zur Freude seiner Vorgesetzten, die das Ganze für eine Träumerei hielten. Doch er liess sich nicht beirren. Auch nicht während seiner Ausbildung zum Elektroingenieur an der Ingenieurschule Biel von 1979 bis 1982. Mit Schalk, der ihm bis heute nützlich ist, sorgte er dafür, dass er ans Ziel kam, indem er seine Diplomarbeit nicht beim beliebtesten Professor machte, sondern beim unbeliebtesten. «Dafür konnte ich als Bedingung das Thema meiner Arbeit selbst definieren», erinnert sich Muntwyler. Die Arbeit erschien unter dem Titel «Maximum Power Tracker für Solargeneratoren». In einem Artikel, in dem er die Ergebnisse seiner Arbeit vorstellte, prognostizierte er bereits 1983 sinkende Preise für PV-Module, sagte aber auch, dass es ungewiss sei, wann der kommerzielle Durchbruch erfolgen würde. Das ist in den letzten 15 Jahren geschehen. Dennoch hat eine Aussage aus dem bald 40 Jahre alten Artikel immer noch ihre Gültigkeit: «Wichtig scheint aber zu erkennen, dass die Photovoltaik für bestimmte Bereiche der Schweizer Industrie eine grosse Chance darstellt.» Diese Erkenntnis ist immer noch nicht überall angekommen, obwohl Muntwyler selbst mitgeholfen hat, Forschung und Entwicklung zu verstärken, so wie er es damals gefordert hatte.

Raus aus dem Elfenbeinturm

Er fand 1982 eine Stelle als Entwicklungsingenieur bei der damaligen Hasler AG in Bern und konnte sich dort unter anderem mit dem Einsatz von Wind- und Solargeneratoren befassen und sich im Bereich der Photovoltaik weiterbilden. In einem der Labore in Burgdorf, wo heute die Leistung moderner Module getestet wird, können Muntwylers Studierende die Entwicklung direkt sehen: Von den ersten in der Schweiz eingesetzten und zum Teil auch hier in Lizenz produzierten Modulen bis zu den heutigen Hochleistungsmodulen sind in einer kleinen Ausstellung alle zu sehen. Das macht die Photovoltaik zu einem greifbaren Forschungsobjekt. Muntwyler wollte Mitte der 1980er-Jahre nicht im Elfenbeinturm tätig sein. So übernahm er – wieder belächelt von einigen seiner Kollegen – die technische Leitung beim Bau einer solaren Stromversorgung in einem Spital in Rwanda, was ihn als Mitgründer des Drittweltladens in Solothurn sehr interessierte. Noch heute hängt in seinem Büro ein Bild an der Wand, das ihn vor der fertiggestellten Anlage zeigt und damals das Lächeln der Kollegen zu seiner Genugtuung in ein Staunen verwandelte. Spott in Staunen zu verwandeln, machte er zu seiner Aufgabe; beispielsweise als technischer Leiter und später auch als Geschäftsführer der Tour de Sol ab 1984. Dieses Solarautorennen brachte die Photovoltaik erstmals in das Bewusstsein der Schweizer Öffentlichkeit. Zusammen mit Josef Jenni, in dessen Firma Muntwyler auch kurze Zeit tätig war, kämpfte er an vorderster Front für die Solarenergie. Er gründete sein eigenes Ingenieurbüro, mit dem er später sehr erfolgreich in den Anlagenbau einstieg, und begann auch zu unterrichten, zuerst  als Gewerbeschullehrer. Zudem fand er noch Zeit, seine Erkenntnisse in verschiedenen Büchern zu publizieren, zum Beispiel in «Muntwylers SolarHandbuch», das schliesslich in zwölf Auflagen erschien. Dieses ist aber nur eine von Dutzenden Publikationen, die über die Jahre von ihm erschienen sind.

Mobilität und PV als treue Begleiter

Ein Thema, das Muntwyler seit der Tour de Sol begleitet, ist die Elektromobilität in Verbindung mit der Solarenergie. So war er von 1998 bis 2018 Leiter der Arbeitsgruppe «Hybrid and Electric Vehicles» der Internationalen Energie-Agentur (IEA). Er selbst fährt natürlich auch elektrisch: «Bei der Autobahnauffahrt in Bern, wenn ich Richtung Burgdorf fahre, lasse ich die Benziner immer hinter mir», meint er mit einem verschmitzten Lächeln. Inzwischen ist er davon überzeugt, dass dies auch im übertragenen Sinn so sein und die Elektromobilität den Verbrennungsmotor ablösen wird. Der zusätzlich benötigte Strom werde aus Solarzellen kommen, die inzwischen günstig zu kaufen seien. «Damit ist der Traum der Tour-de-Sol-Initianten wahr geworden, nämlich ‹mit Sonne herumzufahren›. Einzig die grossen und schweren Fahrzeuge haben sie sich unter dem Begriff Solarmobil so nicht vorgestellt», erklärt Muntwyler. Darin sieht er eine Herausforderung für Ingenieure. Inzwischen befassen sich seine Studierenden auch wieder mit einem Konzept, das schon bei der Tour de Sol erforscht wurde: Solarzellen direkt auf dem Auto zu applizieren. Sie erforschen, wie gut und effizient die Zellen auf einem Fahrzeug arbeiten. Denn inzwischen sind Solarzellen preislich und technisch auch für grosse Elektroautohersteller interessant geworden.

Kampf um den Ingenieurnachwuchs

2010 hat sich Muntwyler entschieden, sich ganz auf die Lehre zu konzentrieren, und wurde zum Professor für Photovoltaik der Berner Fachhochschule (BFH) Technik und Informatik gewählt. Denn er ist überzeugt, dass gut ausgebildete Kräfte für das Weiterkommen der Photovoltaik entscheidend sind, und wollte zu dieser Ausbildung beitragen. Hier, in dem von seinem Vorgänger Heinrich Häberlin aufgebauten Photovoltaiklabor an der Berner Fachhochschule in Burgdorf, das schon vor zehn Jahren auf die Wechselrichterprüfung spezialisiert war und das Langzeitmonitoring verschiedener PV-Anlagen in der Schweiz machte, konnte er das tun. Insbesondere für die Wechselrichterprüfung waren eigene Testapparaturen entwickelt worden, die in den letzten zehn Jahren weiterentwickelt und optimiert wurden. Muntwyler trat die Stelle mit der Überzeugung an, dass eine wachsende PV-Branche gut ausgebildete Ingenieurinnen und Ingenieure braucht. Dafür hat er in den letzten Jahren gekämpft und auch immer wieder dafür gesorgt, dass das PV-Labor die entsprechenden finanziellen Mittel erhielt. Mittel will sich das PV-Labor aktuell im Rahmen von SWEET (Swiss Energy Research for the Energy Transition), dem neuen Förderprogramm des Bundesamts für Energie, beschaffen. Entsprechend hat Muntwyler mit einem Dutzend Projekteingaben sichergestellt, dass in Burgdorf die Forschung weitergetrieben werden kann. Geld kommt unter anderem auch aus Forschungsprojekten, die zusammen mit der Industrie durchgeführt werden. Denn nach wie vor ist es für Muntwyler entscheidend, dass die Forschung nicht im Elfenbeinturm erfolgt, sondern die Resultate auch zur Anwendung kommen. Das geschieht auch ganz konkret. So ist das PV-Labor im Vorstand des Vereins ADEV Burgdorf, der seit fast 30 Jahren PV-Anlagen im Contracting in der Stadt Burgdorf baut. Diesen Sommer ist die mit fast 90 kWp mit Abstand grösste PV-Anlage in der ADEV-Geschichte auf dem Alters- und Pflegeheim Schlossmatt in Burgdorf in Betrieb genommen worden. Das Labor nutzte die Ausschreibung für PV-Preisstudien. Diese Forschung kann der Politik aufzeigen, wie effizient die Photovoltaik ist. Denn was Muntwyler 1983 vermutet hat, kann er nun mit den neuen Studien belegen: PV-Strom kostet aktuell auf Anlagen im Schweizer Mittelland rund 5 Rp./kWh. Bis 2030 kann der Preis auf 3Rp./kWh sinken. Muntwyler widerspricht damit klar Studien der ETHZ und des PSI, die von Preisen zwischen 6 und 19 Rp./kWh im Jahr 2050 ausgehen.

Weitere Neuausrichtung steht an

Nach zehn Jahren, in denen er sich ausschliesslich der Lehre gewidmet hat, will Urs Muntwyler nach seiner Frühpensionierung bei der BFH Ende 2021 wieder in seinem 1985 gegründeten Ingenieurbüro Muntwyler arbeiten. Bis dahin wird er vor allem in Forschungsprojekten tätig sein, unter anderem geht es dabei um eine neuartige Solarstore und um die Brandprävention in der Photovoltaik. Wenn man ihn durch die in der Coronazeit leeren Hallen und Labore in Burgdorf gehen sieht und hört, mit welcher Begeisterung er von den Forschungsprojekten seiner Studierenden berichtet, dann dürfte ihm dieser Abschied nicht ganz leichtfallen. Aber die Berner Fachhochschule steht insgesamt vor einem grossen Umbruch. Die Standorte sollen in einem Neubau in Biel konzentriert werden. Was mit den Räumlichkeiten in Burgdorf, die beispielsweise auch mit einem Hochspannungslabor für den Test von PV-Modulen ausgestattet sind, geschieht, ist noch unklar. Für sich hat Muntwyler Klarheit geschaffen. Wenn nötig, wird er noch laufende Projekte des PV-Labors unterstützen. Ansonsten will er im Rahmen seines Ingenieurbüros beratend tätig sein und auch weiterhin Schulungen und Referate durchführen.