Nachdem wir uns mit Kerzen und Holz eingedeckt haben – gemäss Empfehlung des ElCom-Chefs und ehemaligen Berner SVP/BDP-Regierungsrats –, fragen wir uns: Was haben eigentlich die Energiepolitiker in den vergangenen Jahrzehnten gemacht? Nun das hängt ganz von der Partei ab, und so nähern wir uns dem Phänomen des «Energiepolitikers»: Das Wichtigste ist die Partei. Sie haben die Wahl, bei einer Partei mitzumachen, bei der Fakten zählen. Das heisst, Sie verbringen die nächsten Jahre mit Aktenstudium und haben idealerweise noch einen entsprechenden Hintergrund. Abschreckende Beispiele sind alt Nationalrat Rudolf Rechsteiner und Nationalrat Roger Nordmann, die beide mit Fachbüchern zum Energiethema glänzen. Dafür winkt eventuell ein Präsidium bei einer NGO. Aber Achtung: Bei der Bezahlung gibt es da viel Luft nach oben.
Wenn Sie den Aufwand gering halten wollen, orientieren Sie sich am anderen Ende des Parteienspektrums. Energiepolitik ist dort sowieso nicht wichtig, und die Partei ist froh, dass Sie nicht in relevantere Kommissionen drängen. Nun sind Sie der/die Energieexpert/in Ihrer Partei. Jetzt werden Sie für Podien, Arena-TV-Sendungen usw. eingeladen. Da treffen Sie nun auf die Energie-Nerds, die anderen Parteien angehören und in der Lage sind, flugs den Unterschied zwischen kW und kWh zu erklären. Davon verstehen müssen Sie nichts. Ihre Taktik: Sie verkünden zu Beginn schon einmal: «Von diesen sogenannten Expert/innen halte ich gar nichts.» Sind «Studierte» dabei, keine Bange: «Von diesen Studierten halte ich gar nichts, die kennen das wahre Leben nicht.» Nun bringen Sie eine alternative These in die Diskussion: «Es geht nicht ohne die XY-Technologie» oder «Es braucht Technologieoffenheit». Hier kommt der monetäre Aspekt ins Spiel – per Zufall haben Sie eine Anfrage für ein gut bezahltes Mandat des Verbandes oder der Firma XY erhalten. Wenn die Energie-Nerds entgegenhalten, so werden Sie persönlich: «Früher haben die Professoren nicht so dumme Sachen erzählt!» Der Überraschungseffekt ist Ihnen sicher. Über die Energie-Nerd-Politiker haben Sie etwas recherchiert (max. 5 Minuten): «Politikerin X als Präsidentin des Verbandes X muss das ja sagen, sie kriegt ja Geld dafür.» So werden Sie bald an alle möglichen Veranstaltungen eingeladen. Diese haben heutzutage zum Abschluss gerne von Star-TV-Journalist/innen moderierte kontroverse Podiumsgespräche – die Einladung ist Ihnen sicher!
P.S. Die Praxisbeispiele stammen aus meiner Zeit als Berner Grossrat und als Teilnehmer der «Arena» des Schweizer Fernsehens.
Lesetipps (nur für Nerds – ich habe Sie gewarnt):
• Rudolf Rechsteiner: «Energiewende im Wartesaal»
• Roger Nordmann: «Le plan solaire et climat: Comment passer de 2 à 50 GW photovoltaïque pour remplacer le nucléaire, électrifier la mobilité et assainir les bâtiments» (auch auf Deutsch erhältlich)
Urs Muntwyler,
CTO Dr. Schüpbach &
Muntwyler GmbH,
Emeritierter Professor für Photovoltaik