Solarenergie als Standard auf geeigneten Bauten und Anlagen – das fordert die neue Initiative der GRÜNEN Schweiz, die auch von der SSES unterstützt wird. Um die Transformation unseres Energiesystems zu schaffen, brauchen wir alle Hände oder eben alle verbauten und versiegelten Flächen. Wir zeigen Ihnen schon heute, was die Initiative «Für eine sichere Versorgung mit erneuerbaren Energien» im Einzelnen fordert.
Text: Linda Wachtarczyk / Redaktion
Die Energieversorgung der Schweiz wird in den kommenden Jahren wesentliche Veränderungen erfahren. Die Annahme des Klimaschutzgesetzes durch die Schweizer Stimmbevölkerung hat das klare Ziel gesetzt, den Netto-Treibhausgasausstoss bis 2050 auf null zu reduzieren. Zur Erreichung dieses Ziels sind konkrete und zielgerichtete Massnahmen erforderlich. Die Dekarbonisierung des Energiesystems – also der Ausstieg aus fossilen Brennstoffen wie Kohle, Erdöl und Erdgas – sowie der Atomausstieg sind die vorrangigen Ziele.
Die Sonnenenergie gilt heute als die erneuerbare Energiequelle mit dem grössten Ausbaupotenzial: Die Energie der Sonne ist bekanntlich für menschliche Massstäbe beinahe unbegrenzt und kostenlos. Heute wird erst ein Bruchteil der geeigneten verbauten Flächen in der Schweiz zur Strom- und Wärmeproduktion genutzt. Die mögliche Jahresstromproduktion der Photovoltaik hat sich bis Ende 2023 laut Swissolar zwar von 4,5 TWh auf 6 TWh gesteigert, was einem Marktwachstum von 40% entspricht und den Anteil an Solarstrom im Strommix auf 10% erhöht hat. Das Potenzial ist aber viel grösser: Das Bundesamt für Energie und weitere Institutionen sprechen von einem Potenzial von rund 67 TWh pro Jahr, die auf Dächern und Fassaden produziert werden können. Davon würde rund ein Drittel im Winter produziert. Dazu kommen Anlagen auf Infrastrukturen, mit denen zusätzlich rund 10 TWh jährlich produziert werden können. Neben dem Fakt, dass die Photovoltaik die einzige Technologie zur Stromerzeugung ist, die in der Schweiz rasch und in grossen Mengen neu gebaut werden kann, sind PV-Anlagen praktisch überall sinnvoll, wo die Sonne scheint. In Kombination mit den erneuerbaren Energien, die die Schweiz bereits aufweist, kann damit ein bedeutender Anteil unseres Stromverbrauchs mit erneuerbaren Energiequellen gedeckt werden.
Politische Chance verpasst, jetzt muss nachgebessert werden
Der Mantelerlass, der die Revision des Energie- und des Stromversorgungsgesetzes beinhaltet und vom Parlament in der Herbstsession verabschiedet wurde, sieht bereits eine Solarpflicht für Gebäude mit einer Gebäudefläche über 300 m2 vor. Der Ständerat hat sich in der Bereinigung gegen eine umfassende Solaroffensive auf allen geeigneten Dächern, Fassaden und sogar Parkplätzen ausgesprochen und hat diese Pflicht aus dem Gesetz gestrichen.
Als Reaktion darauf haben die GRÜNEN Schweiz im August des vergangenen Jahres beschlossen, die Solarinitiative für eine umfassende Solarpflicht auf geeigneten Bauten und Anlagen zu erarbeiten. Im Gespräch betont Aline Trede, Nationalrätin und Fraktionschefin der GRÜNEN: «Wir haben in der Schweiz eine Pflicht für die Erstellung von Parkplätzen bei Neubauten, warum dann keine Solarpflicht?» Tatsächlich existieren zahlreiche Standards im Bauwesen für Sicherheit, Qualität und Umweltschutz. Trede erklärt weiter: «Bei der Transformation unseres Energiesystems können sich alle beteiligen, und von der Solarpflicht werden langfristig alle profitieren.»
Die Initiative fordert eine Solarpflicht für alle neu errichteten Gebäude mit geeigneten Dächern und Fassaden. Für bestehende Bauten und Anlagen gilt die Pflicht ab 15 Jahre nach Annahme der Initiative. Die Freiwilligkeit zur Errichtung von Anlagen reicht laut der GRÜNEN-Nationalrätin nicht aus, daher bedarf es einer klaren Verpflichtung. Dabei wird der Solarstrom gleichwertig mit der Solarthermie behandelt. Geeignete Flächen sind aus Sicht der Initianten solche, die gemäss dem Solarpotenzialkataster des Bundes als «gut», «sehr gut» oder «hervorragend» bewertet sind. Kleine Bauten wie Hühnerhäuschen sind per Definition ausgeschlossen, während Infrastrukturanlagen wie Lärmschutzwände, Parkplätze, Stauseen oder Lawinenverbauungen eingeschlossen sind. Grundsätzlich gilt für alle Gebäude das Prinzip der Verhältnismässigkeit.
Als Grundeigentümerin muss man nicht zwingend selbst eine Anlage erstellen, sondern kann auf bewährte Optionen wie Genossenschafts- oder Contractingmodelle zurückgreifen. Falls es jedoch nicht möglich ist, die geeigneten Flächen Dritten zur Verfügung zu stellen, und es der Eigentümerschaft finanziell nicht zumutbar ist, eine Solaranlage selbst zu errichten, müssen entsprechende Massnahmen zur finanziellen Unterstützung durch den Bund in Betracht gezogen werden. Dies würde sicherstellen, dass in solchen Fällen die Errichtung einer Solaranlage verhältnismässig wird.
Kantonale Initiativen und Gesetze
Kanton Bern: Die Initiative zur Solarpflicht ist im Frühling in der ersten Lesung beim Parlament.
Kanton Thurgau: Die Initiative zur Solarpflicht wurde bei der Staatskanzlei eingereicht.
Kanton Schaffhausen: Die Solarpflicht wurde vom Parlament abgelehnt, ohne Gegenvorschlag. Die Initiative wird am 9. Juni zur kantonalen Volksabstimmung kommen.
Kanton Waadt: Ein Gesetzesvorentwurf für die Revision des Energiegesetzes liegt dem Parlament vor. Darin ist eine Solarpflicht für Neubauten und bei vollständiger Renovierung von Dächern vorgesehen.
Fürstentum Liechtenstein: Die Solarpflicht wurde vom Volk mit 67% abgelehnt.
Auf dem Weg zum Standard – Chancen, Herausforderungen
Solardächer sollen zum Standard werden, um das volle vom Bund identifizierte Solarpotenzial auszuschöpfen und die dezentrale Stromproduktion zu fördern. Eine erfolgreiche Umsetzung dieser Offensive würde nicht nur einen Beitrag zum globalen Klimaschutz leisten, sondern auch die natürliche Landschaft schützen und die Schweizer Wirtschaft ankurbeln. «Die Solarinitiative kann auch als Reaktion auf den Solar-Express verstanden werden. Die Signalwirkungen des Solar-Expresses sind zwar sehr positiv, aber er fokussiert doch zu stark auf alpine Anlagen», meint Aline Trede im Gespräch. Die Initiative sei eine Ergänzung, um die bereits verbauten Flächen zu erschliessen, ohne natürliche Flächen verbauen zu müssen, um grosse Anlagen zu erstellen. «Auch Kleinvieh macht Mist, und wie wir sehen macht die Solarenergie im Moment 10% der Schweizer Stromproduktion aus, das ist enorm, wenn man bedenkt, wie viele kleine Stromproduzenten etwas dazu beitragen.»
Die instabile Weltlage in den letzten Jahren hat verdeutlicht, wie wichtig eine selbstbestimmte Energieversorgung ist. Gleichzeitig wird der angestrebte Ausbau der Sonnenenergie erheblich zur Reduzierung der CO2-Bilanz beitragen. Berücksichtigt man sämtliche Emissionen aus Herstellung, Transport und Entsorgung von Solarmodulen, resultieren lediglich 35 bis 65 Gramm CO2 pro erzeugter Kilowattstunde Strom. Diese Werte tendieren zu sinken, insbesondere bei einem verbesserten Strommix. Denn wenn in Zukunft Herstellung, Transport und Entsorgung vollständig mit erneuerbaren Energien erfolgen, sind auch die Solaranlagen 100% emissionsfrei.
Obwohl und weil Solarenergie bereits seit Jahrzehnten bekannt ist, hat sich viel verändert. Was einst als fantastisch galt, ist heute weitgehend Realität. Sowohl Solarthermie als auch Photovoltaik sind schweizweit breit akzeptiert.
Die langfristige Investitionsplanung für Solaranlagen ist derzeit begrenzt, da die Vergütungspreise quartalsweise schwanken. Im aktuellen Mantelerlass wird eine Mindestvergütung vorgeschlagen, was zu einer präziseren Planbarkeit führen soll und dringend nötig ist. Unabhängig davon ist klar, dass ein schneller Ausbau der Photovoltaik ein entscheidendes Ziel für die Bewältigung der Energiewende ist. Um dieses Ziel zu erreichen, ist es wichtig, in verschiedene Richtungen zu denken und sowohl Anreize als auch Verpflichtungen für einen raschen Ausbau zu schaffen. Die Solarinitiative repräsentiert dabei einen wichtigen Schritt in Richtung einer umfassenden Transformation unseres Energiesystems.