SubPagesTopPicture

Ein elektrisierender Traktor aus der Schweiz

Sepp Knüsel demonstrierte auf dem Schwand seinen Elektrotraktor. Hans Soltermann, Soltermann Solar GmbH, hat auf diesem Hof die PV-Anlage installiert. Foto: Beat Kohler

Sepp Knüsel hat einen elektrisch betriebenen Traktor von Grund auf entwickelt. In seiner Firma Rigitrac Traktorenbau AG in Küssnacht am Rigi arbeitet man fieberhaft daran, den Prototyp weiterzuentwickeln, damit man spätestens Anfang kommendes Jahr mit einer Nullserie an den Markt gehen kann. Landwirte zeigen schon jetzt grosses Interesse. Sie verfügen über grosse Dachflächen und können mit Photovoltaik den notwendigen Strom selbst herstellen und so auch zur Dekarbonisierung der Landwirtschaft beitragen.

Text: Beat Kohler

Die Schweizer Bauern sind vom Klimawandel gleich mehrfach herausgefordert. Sie spüren als Erste und sehr direkt die Auswirkungen des veränderten Klimas. Wenn wie letztes Jahr im Sommer der Regen zum grössten Teil ausbleibt, dann fehlt das Futter für die Tiere, und der Ertrag der Feldfrüchte fällt aus. Schliesslich fehlt sogar das Wasser, um die Tiere zu tränken. «Wir Bauern – in der Schweiz wie weltweit – spüren die Klimaveränderung bei unserer täglichen Arbeit in und mit der Natur besonders stark», erklärte der Präsident des Schweizer Bauernverbandes, Nationalrat Markus Ritter, Mitte Juli vor den Medien. Das gilt nicht nur für die ganz direkten Auswirkungen. Wegen der wärmeren Temperaturen breiten sich auch neue Schädlinge aus, und die althergebrachten Nutzpflanzen bringen geringere Erträge. Herausgefordert sind die Bauern aber nicht nur, weil sie Missernten und dadurch Ertragsausfälle zu verkraften haben, sondern auch, weil sie gerade in der Schweiz zu den grossen Emittenten gehören. «Damit sind sie gefordert, ihren Beitrag zum Klimaschutz zu leisten», ist für den Präsidenten des Bauernverbandes klar. Mit der Revision des CO2-Gesetzes werde neu ein konkretes Reduktionsziel für Treibhausgasemissionen aus der Landwirtschaft festgelegt. Diese hat einen Anteil von 13% an den Treibhausgasemissionen der Schweiz. 45% davon sind Methan aus der Nutztierhaltung. Ein Drittel macht Lachgas aus, das den landwirtschaftlichen Böden und bei der Hofdüngerlagerung entweicht. Die restlichen gut 20% entfallen auf Kohlendioxid, das grösstenteils aus der Treibstoffverbrennung stammt.

Die Batterie ist unter der Kabine montiert und garantiert im Gelände einen tiefen Schwerpunkt.

Neuentwicklung

An diesem Punkt setzt ein Projekt des Innerschweizer Traktorenherstellers Rigitrac an. Für Firmengründer und Geschäftsführer Sepp Knüsel ist die Zukunft elektrisch. Deshalb hat er von Grund auf einen Traktor entwickelt, der mit Strom betrieben werden kann. Zu Beginn hat er einen konventionellen Traktor zerlegt, um zu schauen, wie ein elektrisches Modell aufgebaut werden könnte. Einfach den Diesel- mit einem Elektromotor zu ersetzen, kam für ihn nicht infrage. Dies weil in diesem Fall für ihn die Frage, wo die Batterie am besten untergebracht wird, nicht gelöst ist. Um zudem einen möglichst hohen Wirkungsgrad zu erzielen, sollte der Elektrotraktor möglichst viel Strom mitnehmen können, aber einen möglichst geringen Verbrauch ausweisen. «Für uns gab es deshalb nur den Weg, von Grund auf zu beginnen», erklärt Sepp Knüsel. Die guten Ideen seien vorhanden und müssten nun umgesetzt werden. Die Entwicklung des E‑Traktors hat Sepp Knüsel privat, aus der eigenen Tasche, finanziert und trägt entsprechend auch das Risiko. Er ist aber überzeugt, dass solche Innovationen von privater Seite der richtige Weg sind und seiner Firma auch die Zukunft sichern.

Noch zeigt die Anzeige eine Zapfsäule bei der Ladungsanzeige. Das soll sich noch ändern.

Fahrender Prüfstand

Beim entwickelten Modell sind die Antriebsmotoren direkt auf den Achsen montiert. Die Zapfwellen verfügen über eigene Motoren, ebenso die Hydraulikpumpe, sodass insgesamt fünf Motoren verbaut wurden. «Dadurch haben wir den bestmöglichen Wirkungsgrad», erklärt der Entwickler der diese Lösung zusammen mit seinem Team erarbeitet hat. Denn die einzelnen Motoren laufen nur, wenn ihre Funktion benötigt wird. Mit einem Elektromotor in einem bestehenden Modell wäre dies nicht möglich. Die Batterie, die rund 500 Kilogramm schwer ist, musste möglichst nahe am Boden eingebaut werden, damit der Traktor einen tiefen Schwerpunkt erhält und man ihn auch gut im Gelände einsetzen kann. Das Batteriepaket wurde so leicht zugänglich unter der Kabine zwischen die Achsen positioniert und montiert. Das Einzige, was von einem bestehenden Fahrzeug übernommen werden konnte, war die Kabine. «Uns ist es bei diesem Prototyp auch nicht um das Design, sondern um die Funktion gegangen», erklärt Sepp Knüsel. Dennoch ist er mit dem Erscheinungsbild des Prototyps sehr zufrieden. Dieser sollte aber in erster Linie auf die Räder gestellt werden, damit möglichst viele Daten und Erfahrungen im konkreten Einsatz gesammelt werden können. «Wenn wir ein Frontmähwerk anhängen und einige Stunden auf dem Feld mähen gehen, dann sehen wir genau, wo wir stehen. Das ist ein fahrender Prüfstand», erklärt der Konstrukteur des Rigitrac SKE50 Electric.

Das kompakte Innenleben wurde neu entwickelt.

Nullserie im Jahr 2020

Das nun entwickelte Konzept des Traktors soll in dieser Grösse bestehen bleiben und bis im Herbst möglichst viele Daten liefern. «Danach entwickeln wir aufgrund der Auswertung der Daten die Nullserie des Traktors», erklärt Sepp Knüsel. Diese soll Anfang des kommenden Jahres gebaut werden mit den entsprechenden Optimierungen des Innenlebens aufgrund der gesammelten Daten. Im Moment demonstriert er seinen Traktor an verschiedenen Veranstaltungen wie zum Beispiel am Bioackerbautag auf dem Schwand in Münsingen. Dort versorgte er die Besucherinnen und Besucher mit Getränken, die er mit seiner Heckschaufel überall auf dem Gelände verteilte. Dabei war der leise surrende Traktor eine Attraktion. «Das Interesse in der Landwirtschaft ist viel grösser, als ich es je erwartet hätte», stellt Sepp Knüsel fest. Er habe viele Anrufe von Interessierten, die wissen wollten, wann der E-Traktor auf den Markt komme.

Landwirte können die Sonne nicht nur nutzen, damit Gras für ihre Kühe wächst, sondern dass auch Strom für ihren Maschinenpark entsteht.

Tanken vom eigenen Dach

Hier auf dem Schwand vermag das Interesse aber kaum zu überraschen. Hier sind grosse Teile der Scheune mit Photovoltaik bedeckt, und Bauer Urs Siegenthaler ist von der Anlage überzeugt, wie er bei einem Rundgang erklärt. Doch wie alle Bauern hat er im Moment unter dem Dach noch einen relativ geringen Eigenverbrauch, was ihm bei den bestehenden Rahmenbedingungen natürlich nicht entgegenkommt. Den Maschinenpark zu elektrifizieren und so den Eigenverbrauch zu erhöhen, käme ihm also entgegen. «Wir haben berechnet, dass ein Betrieb wie der Biohof Schwand mit einer 25%-Belegung der geeigneten Dachflächen mit PV seinen Strombedarf abdecken sowie die fossilen Brenn- und Treibstoffe ersetzen kann», erklärt Hans Soltermann, Soltermann Solar GmbH, der die Anlage auf dem Schwand installiert hat. Elektrische Antriebe sowie Arbeitsmaschinen seien prädestiniert für den Einsatz in der Landwirtschaft, weil sie deutlich effizienter seien als Verbrenner und die Landwirte mit ihren grossen Dächern die Energie selbst produzieren könnten. Zudem helfen sie mit, die Emissionen der Landwirtschaft zu verringern. «Neue erneuerbare Energiequellen, Elektromobilität sowie Energiespeicher bilden die Basis für die Dekarbonisierung. Clever eingesetzt, erfüllen sie nicht nur diese Zielsetzung, sondern leisten auch einen wesentlichen Beitrag zur Netzstabilisierung und verhindern unnötige, kostenintensive Netzausbauten», ist Soltermann überzeugt.

Preis noch offen

Natürlich ist dieser Wechsel zur Elektromobilität nicht gratis. Noch kann Sepp Knüsel keinen Preis nennen für das fertige Fahrzeug: «Da werden wir noch gewaltig über die Bücher gehen müssen.» Die Batterie mit einer Kapazität von 80 kWh alleine kostet im Prototyp 80 000 Franken. «In der Serienproduktion werden diese Kosten halbiert», ist Sepp Knüsel aber überzeugt. Dies auch dank Partnern, die ebenfalls an die elektrische Zukunft glauben würden. Entwickelt wurde die Batterie in Brunnen bei der Schwyzer Firma Ecovolta. «Wir haben eine sehr gute Zusammenarbeit», so Sepp Knüsel. Das Ziel sei insgesamt, die Fahrzeuge zu einem möglichst guten Preis anzubieten, um auch einen entsprechenden Absatz erzielen zu können, auch bei den Landwirten. Auch dafür ist die Optimierung des Innenlebens des E-Traktors notwendig. Im Moment entwickelt Sepp Knüsel noch eine schmalere und abgespeckte Version des Fahrzeuges speziell für Kommunen. Dort seien der Markt und die Nachfrage sehr gross, stellt er fest.

www.rigitrac.ch