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«Die Photovoltaik wird das Öl des 21 Jahrhunderts sein»

Foto: Meyer Burger

Im März trat Gunter Erfurt (46) die Nachfolge von Hans Brändle als CEO der Meyer Burger Technology AG an. Der promovierte Physiker stiess 2015 zum Unternehmen und verfügt über rund 20 Jahre Erfahrung im globalen Photovoltaikgeschäft. Er hat bei Meyer Burger die Entwicklung und Einführung der Heterojunction/SmartWire-Technologie massgebend verantwortet. Im Interview mit dieser Zeitschrift erklärt er, wie das Unternehmen dank einer neuen Strategie und mit neuem Geld selber von dieser Technologie profitieren will.

Beat Kohler

Die Aktienkapitalerhöhung ist erfolgreich abgeschlossen. Wie zuversichtlich waren Sie im Vorfeld, dass dies gelingen kann?

Ich und das ganze Management waren sehr zuversichtlich. Um die Transaktionssicherheit entsprechend zu erhöhen hatten wir den Aktionären zwei Transaktionsvarianten vorgeschlagen. Die Versammlung hat sich für die Variante mit der sogenannten PIPE-Tranche (Private Investment in Public Equity) entschieden. Über diese Variante hatten wir bereits im Vorfeld Investoren angefragt. Wir hatten so faktisch mit dem Tag der ausserordentlichen Generalversammlung bereits die Zusicherung von diesen Investoren, dass letztlich 110 Millionen Franken im Zweifel abgesichert sind von den 150 Millionen Franken, die das Minimalziel darstellten. Uns hat es enorm gefreut, dass die Aktionäre für diese Variante gestimmt haben. Und umso grösser ist die Freude, dass die Aktienkapitalerhöhung nun erfolgreich abgeschlossen werden konnte.

Aktienkapitalerhöhung geglückt

Die Meyer Burger Technology AG gab bekannt, dass bis zum Ende der Bezugsfrist am 22. Juli im Rahmen der Aktienkapitalerhöhung 98.9% der Bezugsrechte ausgeübt worden sind. Die 13‘718‘276 neu zu emittierenden Namenaktien, für welche die Bezugsrechte nicht ausgeübt wurden, werden am Markt verkauft. Aus der Bezugsrechtsemission resultiert damit ein Bruttoerlös von rund 115 Millionen Franken. Bereits im Vorfeld der Kapitalerhöhung haben sich sogenannte PIPE-Investoren (Private Investment in Public Equity) gegenüber der Gesellschaft zur Zeichnung von rund 30% der insgesamt neu auszugebenden Aktien zum Bezugspreis von CHF 0,09 verpflichtet, was einem Bruttoerlös von rund 50 Millionen Franken entspricht. Mit dem Abschluss der Kapitalerhöhung wird der Gesellschaft damit ein Bruttoerlös von insgesamt rund 165 Millionen Franken zufliessen. Die neuen Mittel machen den Weg frei für die Neuausrichtung der Meyer Burger als Hersteller von Solarzellen und Solarmodulen, schreibt das Unternehmen. Die Produktion soll im ersten Halbjahr 2021 mit 400 MW Solarzellen und 400 MW Solarmodulen starten. Bis 2026 ist ein Ausbau der Produktionskapazität auf rund 5 GW geplant. Es lägen bereits Kaufabsichtserklärungen von potenziellen Kunden aus Europa und den USA im Umfang von über 2 GW pro Jahr vor. Der Verwaltungsrat rechnet damit, dass die neu ausgerichtete Meyer Burger Gruppe bereits mit diesem Produktionsvolumen einen operativen Gewinn erreichen kann. (pd/bk)

Wie erklären Sie sich das grosse Interesse an Meyer Burger Aktien? Die Firma braucht ja nicht zum ersten Mal neues Kapital und musste die letzten Jahre immer wieder restrukturieren. Woher kommt das Vertrauen der Investoren?

Das Vertrauen kommt vor allem daher, dass wir nicht weitermachen, wie bisher. Wir haben unser Geschäftsmodell umfassend analysiert und alles hinterfragt. Das brachte uns die Erkenntnis, dass zusätzliches Geld einzusammeln und einfach weitermachen wie bisher keine Option ist. Für viel Geld mit einem hohen Aufwand auf der Entwicklungsseite führende Anlagentechnik herzustellen, deren Wert letztlich dem Kunden überlassen wird, das konnte so nicht weitergehen. So verdient der Kunde alleine mit unseren Entwicklungen Geld und wir nicht. Die Maschine verkauft man einmal und die Module pro Watt-Peak über den ganzen Nutzungszeitraum der Anlagen. Wenn wir den ganzen Prozess künftig selber kontrollieren, dann ergibt sich daraus für Meyer Burger ein deutlich höheres Potenzial, den Platz an der Sonne – der uns als dem weltweit führenden Technologielieferanten in der Photovoltaik eigentlich gebührt – endlich einnehmen zu können. Es war das grosse Dilemma der letzten Jahre: Meyer Burger hat anerkannter Weise diese führende Rolle eingenommen. Nahezu alle Solarmodule der Welt enthielten in der einen oder anderen Form Meyer Burger Technologie. Auf der anderen Seite hatten wir enttäuschte Investoren und Aktionäre, weil es nie gelungen ist, für das Unternehmen nachhaltig einen Aktionärswert zu schaffen. Das soll jetzt anders werden. Ich bin überzeugt, dass wir dafür eine sehr gute Chance haben.

Dass man an den Maschinen im Gegensatz zu den Modulen nur einmal verdienen kann ist ja keine neue Erkenntnis. Warum kommt diese Umstellung des Geschäftsmodelles so spät?

Zum einen ist es klar, dass man im Nachhinein immer schlauer ist. Diese Erfahrung machen wir alle immer wieder. Aber es gibt aber noch andere, valide Gründe dafür. Zum einen hat es Jahre gegeben, in denen es mit dem Verkauf der Maschinen sehr gut funktioniert hat. Meyer Burger hat in diesem Geschäft goldene Zeiten erlebt. Auch die Roth & Rau AG, das Unternehmen, das Meyer Burger in Deutschland erworben hatte, hat im Equipment-Bereich dieselbe Erfahrung gemacht. Inzwischen hat sich in der Branche einfach viel verändert. Und den nun geplanten Schritt so konsequent zu gehen, ist auch erst jetzt möglich.

Warum?

Weil heute eine grosse Lieferkette diese Industrie beliefert, auf die auch Meyer Burger Zugriff hat. Die Herstellung von Solarmodulen ist zu einem grossen Teil eine Montage von bestimmten Komponenten, die man zukauft. Diese kann Meyer Burger nun zu gleich günstigen Bedingungen einkaufen, wie das die gesamten Mitbewerber machen. Es gibt keine Gründe, warum das für uns anders sein sollte.

Stehen Ihnen aber nicht die höheren Lohnkosten in Deutschland und der Schweiz im Wege?

Der reine Personalkostenanteil beim Zusammenbau der Solarmodule liegt bei weniger als zehn Prozent. Die Unterschiede in den Personalkosten machen nicht mehr den Unterschied im Preis aus – zumal auch in China diese Kosten steigen. Ingenieure sind im Grossraum Shanghai heute teurer als in Ostdeutschland.

Wo können Sie den Unterschied zu Ihrer Konkurrenz machen?

Der beste Preis ist nicht alles. Was eine wichtige Rolle spielt – das bestätigen uns auch viele potenzielle Kunden mit denen wir bereits Kaufabsichtserklärungen unterzeichnet haben – ist der hohe Wirkungsgrad eines Modules. Wenn sie ein solches Produkt mit höherer Leistung und höherem Energieertrag fertigen und somit mit einer höheren installierten Leistung auf der gleichen Fläche deutlich mehr Energie produzieren und das auch unter Beweis stellen können, dann Zahlen die Kunden auch dafür. Für eine höhere Performance erzielt man bessere Preise. Die meisten Kunden setzen auf Zuverlässigkeit und hohe Energieerträge, was die niedrigsten Energiegestehungskosten ergibt. Hier kann Meyer Burger mit seiner überragenden Technologie den Unterschied machen. Wir werden ja nicht dasselbe produzieren, wie die fernöstlichen Modulhersteller.

Auf welche Märkte zielen Sie mit ihren Modulen ab? Auf Dachanlagen, auf Kraftwerke oder auf beides? Eher in Europa oder in Übersee?

Wir wollen in verschiedene Segmente gehen, was uns von anderen Herstellern im Hochleistungsbereich unterscheidet. Heute zielen diese Hersteller praktisch nur auf Dachanlagen ab. Das ist auch für uns wichtig, wir möchten aber nach und nach genauso ins Kraftwerkssegment vorstossen. Dabei wollen wir Europa, die USA, Japan und Australien beliefern, wobei diese Reihenfolge genau unsere Prioritäten wiederspiegelt. Das sind die Märkte, in denen man sehr sensibel für das Leistungsthema ist und in denen es gerade im Hausdachsegment Einschränkungen bei den Flächen gibt. Da spielt es eine wesentliche Rolle, ob sie vom selben Hausdach mit unserem Produkt 20 Prozent mehr Energie produzieren als mit den Mitbewerbern. Das Kraftwerkssegment möchten wir mitnehmen, weil dies rund 50% des Gesamtmarktes ausmacht. Wir sind zuversichtlich, auch dort das richtige Produkt zu haben, auch wenn das noch eine Weile dauern wird. Erfreulich ist, dass das Attribut «swiss technologie made in germany» gefragt ist, wie wir in den letzten Wochen oft gehört haben. Wir haben oft von Grosshändlern und Installateuren die Rückmeldung erhalten, dass sie eigentlich keine Module aus Fernost zukaufen wollen, in der jüngeren Vergangenheit aber keine wirklichen Alternativen mehr hatten – selbst bei Modulen, die in Europa zusammengebaut wurden, stecken ja fast ausschliesslich chinesische Komponenten drin. Wir werden aber nun mit unserem Produkt wieder etwas Eigenständiges produzieren. Dieser Standortvorteil hat mit Technik erst einmal nichts zu tun, scheint aber für viele Kunden ein wichtiges Kriterium zu sein, das wir auch nutzen wollen.

Sind sie in diesem Sinn näher am europäischen Kunden dran?

Das kann man so sagen, auch weil heute Module nicht mit den Kunden zusammen entwickelt werden. Zumindest nicht in dem Masse, wie man sich das vielleicht vorstellt. Die chinesischen Hersteller überbieten sich Momentan im Wochenrhythmus mit noch leistungsstärkeren Modulen bis zu Momentan 660W. Sie erreichen das, indem sie einfach die Module grösser und damit auch schwerer machen. Das hat mit Produktinnovation nichts zu tun und das ist auch nicht das, was die Kunden am Ende wollen. Die haben ganz andere Anforderungen. Um diese erfüllen zu können, muss man sich aber mit den Kunden hinsetzen und die Bedürfnisse ergründen. Meyer Burger schaut sich ganz genau an, welche Interessen in welchen Regionen bestehen. Wir werden auch viel stärker auf individuelle Kundenbedürfnisse eingehen. Wir können das, weil wir einen sehr starken technologischen Fussabdruck haben und auf der Entwicklungsseite sehr stark sind.

Wie gehen sie mit den Kunden um, welche die PERC-Technologie bei Ihnen bezogen haben. Werden auch die nicht mehr beliefert?

Wir haben erklärt, dass unser neues Geschäftsmodell ein geschütztes sein wird. Wir werden den Wert der neuen Heterojunction-Technologie für uns nutzen und nicht mehr an die Kunden weitergeben, weil wir sonst nicht davon profitieren können. Genau aus diesem Dilemma müssen wir herauskommen. Wir werden aber unsere Bestandskunden nicht fallen lassen. Für alles, was an installierter Basis vorhanden ist, werden wir weiterhin Servicedienstleistungen anbieten. Diese Basis alleine im Solarzellenbereich ist mit mehr als 1000 Anlagen sehr gross. Insgesamt gibt es bei den von uns installierten Anlagen einen grossen Bedarf für Ersatz- und Verschleissteile, aber auch nach Anpassungen und Erneuerungen. Dieses Geschäft wollen wir weiterhin betreiben. Das ist für Meyer Burger interessant und auch für die Kunden wichtig. Wir lassen niemanden im Regen stehen, geben aber einfach die neue Technologie nicht heraus. Das ist der grosse Unterschied.

Sind Maschinen für die PERC-Technologie auch für neue Kunden noch verfügbar?

Genau, die verkaufen wir auch weiterhin.

Nicht beeinflussen können Sie die äusseren Umstände wie aktuell die Corona-Pandemie. Wie wirkt sich diese auf die Umstellung ihres Geschäftes aus?

Die Pandemie haben wir natürlich nicht vorausgesehen. Die Diskussionen, die sich nun daraus ergeben über die Resilienz von Volkswirtschaften oder die Sicherheit von Lieferketten kommt uns sehr zupasse. Das klingt vielleicht etwas zynisch, wenn ich sage, dass uns die Corona-Krise hilft, weil man in der Wirtschaft stärker über solche Dinge nachdenkt. Aber gerade in der Photovoltaik sind diese Überlegungen sehr wichtig. Photovoltaik gilt unter Experten – und es ist traurig, dass dies bei unseren Politikern noch nicht angekommen ist – als die entscheidende Energiequelle der Zukunft. Die Photovoltaik wird das Öl des 21 Jahrhunderts sein, wenn sie das nicht sogar schon ist. Insofern wird sie auch die gleiche Bedeutung haben. Die dafür notwendigen Lieferketten faktisch zu 100 % China zu überlassen, ist deshalb schon mehr als töricht. Eigentlich ist es verantwortungslos aus meiner Sicht, aber auch aus Sicht der europäischen Industriepolitik. Umso mehr ist die Debatte, die jetzt geführt wird, Wasser auf unsere Mühlen. Unser Business Case ist aber nicht davon abhängig, welche Industriepolitischen Absicherungen und Subventionen es gibt. Dennoch müssen alle Industrienationen darüber nachdenken, ob es clever ist, die Energieversorgung der Zukunft den Chinesen zu überlassen.

Kommt das Verständnis für diese Zusammenhänge in Europa und auch in der Schweiz langsam in den Köpfen der Politikerinnen und Politiker an?

In den Bundesländern, in denen wir unsere Produktion ansiedeln – Sachsen und Sachsen-Anhalt – hat die Politik die Chance und die Notwendigkeit verstanden. Das kann ich ganz klar sagen. Dort unterstützt man uns auch. Es bewegt sich auch etwas in der deutschen Bundespolitik, wenn auch noch viel zu langsam. Sehr enttäuschend für uns ist Europa, weil hier viel über Massnamen gesprochen wird – beispielsweise mit dem Green Deal – aber eigentlich gar nichts passiert. In der Schweiz sind die Debatten im Gange und es wird kontrovers diskutiert. Erst vor kurzem wurde in den Medien wieder breit diskutiert, dass man breit auf die Photovoltaik setzen soll und kann. Wenn man die Flächen anschaut, die man theoretisch benötigt, um die Industrieländer des Kontinents zu 100% mit PV-Strom zu versorgen, dann sind die so klein, dass die geeigneten Flächen eigentlich schon vorhanden sind.

Dennoch ist die Auswahl der Flächen, insbesondere wenn es um Freiflächen geht, immer wieder ein Streitpunkt?

Man wird sich in Zukunft die Frage stellen müssen, was die Aufgabe ist, die vor uns liegt. Ist es einfach nur die Energieerzeugung oder geht es um viel grössere Prozesse wo man Energieversorgung mit Umwelt- und Klimaschutz verbindet. Hier ist die Photovoltaik meiner Meinung nach so geeignet wie keine andere Energiequelle. Sie kann auch doppelten Nutzen bringen, wenn sie beispielsweise auf Flächen die Verdunstung verringert und diese so vor dem Austrocknen schützt. Hier muss man weiterdenken, wenn man Flächen abseits bestehender Dachflächen nutzen will. Schlussendlich wird die Energieversorgung eine Mischform verschiedener Energiequellen sein, die auch nicht überall gleich aussieht. Der Photovoltaik wird aber ein grosser Teil am Energiemix zugesprochen werden.

Welche Auswirkungen hat der Strategiewechsel von Meyer Burger mit der neuen Produktion in Deutschland auf den Standort Schweiz und insbesondere auf den Hauptsitz in Thun?

Ich bin seit 2017 Teil der Gruppenleitung und in dieser Funktion immer wieder in der Schweiz und in Thun.. Aus bekannten Gründen haben wir in den letzten drei Jahren massiv restrukturiert, nicht nur in der Schweiz. Wir mussten weltweit Stellen abbauen. Der Status, den wir dadurch in der Schweiz erreicht haben, passt sehr gut zu dem, was wir jetzt vorhaben. An den drei Standorten arbeiten heute rund 100 Personen. Die Entwicklung und damit letztlich auch der Erfolg des neuen Geschäftsmodelles liegen weiterhin ganz klar bei den Kollegen in der Schweiz. Sie haben die einzigartige Heterojunction-Technologie entwickelt und arbeiten schon wieder an den nächsten Schritten. Das sind äusserst wichtige Standorte, die so erhalten bleiben.