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Die Drei Eckpfeiler einer ausgewogenen Vorlage

Letzten Sommer haben die Gletscher – wie hier der Steilimigletscher am Susten – stark gelitten und die geringen Niederschläge im Winter sorgen nicht für Besserung. Langfristig kann das nur ein Rückgang der CO2-Konzentration in der Atmosphäre leisten. Foto: Beat Kohler

Das Klimaschutzgesetz, über das am 18. Juni abgestimmt wird, ist ein Rahmengesetz: Es gibt in erster Linie verbindliche Ziele und Zwischenziele vor. Das Gesetz fördert Massnahmen in zwei Bereichen, wofür über zehn Jahre 3,2 Milliarden Franken aus der Bundeskasse vorgesehen sind. Der erste Bereich sind Investitionen in die Förderung neuartiger Technologien. Als Zweites ist ein Impulsprogramm für die Förderung von klima­freundlichen, effizienten Heizsystemen vorgesehen.

Text: Verein Klimaschutz Schweiz / Redaktion

Unterstützende ­Organisationen und gefasste Parolen

Der Verein Klimaschutz Schweiz, der die Gletscher-Initiative auf den Weg gebracht hat, besitzt eine sehr breite Basis. Die über 3000 Mitglieder stammen aus der ganzen Schweiz. Viele weitere Organisationen unterstützen im aktuellen Abstimmungskampf den indirekten Gegenvorschlag. So auch die 140 Mitglieder und Partnerorganisationen der Klima-Allianz. Zu ihnen gehören unter anderem die Alliance Sud, Amnesty International, Greenpeace, Heks, Helvetas, die Schweizerische Energiestiftung SES, Suisse Eole, die SSES und Swissolar. Bis Anfang April haben auch schon verschiedene Organisationen und Parteien ihre Parolen gefasst. Als einzige Bundesratspartei einstimmig gegen das Gesetz positioniert hat sich die SVP, die das Referendum gegen die Vorlage ergriffen hatte. Die SP-Delegierten beschlossen fast einstimmig die Ja-Parole zum Klimaschutzgesetz. Als einen Grund für die deutliche Ja-Parole nannte die SP in einer Medienmitteilung, dass die Schweiz durch das neue Gesetz unabhängiger von Öl- und Gasimporten werde, was sowohl den Klimaschutz als auch die Versorgungssicherheit stärke. Auch die Delegierten der Mitte sprachen sich an ihrer Versammlung in Stans klar für das Klimaschutzgesetz aus, mit 245 Ja- zu 3 Nein-Stimmen bei einer Enthaltung. Die Delegierten der Grünen ihrerseits fassten zu diesem Gesetz ebenso eine einstimmige Ja-Parole wie diejenigen der GLP. Als einzige der grossen Parteien hat die FDP ihre Parole noch nicht gefasst. Der Freisinn beschliesst seine Parole erst am 6. Mai.

www.klimaschutz-schweiz.ch

Das Gesetz, mit dem der Klimaschutz mit förderlichen Massnahmen auf den Weg zu weniger Emissionen gewiesen werden soll, heisst mit vollem Namen «Bundesgesetz über die Ziele im Klimaschutz, die Innovation und die Stärkung der Energie­sicherheit». Es wurde am 30. September 2022 als indirekter Gegenvorschlag zur Gletscher-Initiative vom Parlament beschlossen. Wie schon beim CO2-Gesetz stellte sich in der Debatte zum Klimaschutzgesetz, das aus der Feder der Umweltkommission des Nationalrats stammt, erneut die SVP alleine gegen die Vorlage. Dieser Gegenvorschlag der Kommission sei eine Mogelpackung, argumentierte sie. Damit rette man keinen einzigen Zentimeter Gletscher. Es gehe vielmehr um Umverteilung, um Bevormundung und um Verteuerung. Die grosse Mehrheit der eidgenössischen Räte war aber der Meinung, dass mit dem Klimaschutzgesetz ein wirksamer und rascher Klimaschutz in der Schweiz möglich ist. Das sah auch das Komitee der Gletscher-Initiative so und zog seine Volksinitiative bedingt zurück. Die Bedingung ist, dass der Gegenvorschlag in der Volksabstimmung nicht abgelehnt wird.

Emissionsziele für mehr Klimaschutz

Der erste Pfeiler des Gesetzes sind die Ziele für die Treibhausgasemissionen. Die Schweiz muss spätestens 2050 netto null erreichen. Das heisst, nach 2050 muss sie der Atmosphäre mehr Treibhausgase entziehen, als sie ausstösst. Die Netto-Null garantiert, dass der Anteil an Treib­haus­gasen in der Atmosphäre nicht weiter ansteigt. Zwischenziele in Form von Durchschnittswerten über mehrere Jahre sorgen zudem dafür, dass das Netto-null-Ziel nicht auf die lange Bank geschoben wird. Soweit technisch möglich und wirtschaftlich tragbar, müssen die Emissionsziele durch Emissionsminderungen im Inland erreicht werden. Das heisst: Kompensationen (sogenannte Offsets) im Ausland und Negativemissionen dürfen nur an die Zielerreichung angerechnet werden, wenn es nicht anders geht. Um die verbleibenden Emissionen mit Negativ­emissionen ausgleichen zu können, braucht es Kohlenstoffspeicher (Senken). Bund und Kantone sorgen dafür, dass solche Senken im In- und Ausland im nötigen Umfang bereitstehen. Die Schweiz braucht eine Gesamtstrategie zur Erreichung ihrer Klimaziele. Das Klimaschutzgesetz ist ein wichtiger Teil davon.

Förderung neuartiger Technologien und Prozesse

Der zweite Pfeiler des Gesetzes: Der Bund unterstützt bis 2029 Unternehmen oder Branchen fachlich beim Ausarbeiten von Plänen zur Erreichung des Netto-null-Ziels. Darüber hinaus können sie vom Programm zur Förderung neuartiger Technologien und Prozesse und von der Risikoabsicherung für Infrastrukturen profitieren. Dafür stellt der Bund über sechs Jahre je 200 Millionen Franken pro Jahr bereit. Bei der Förderung neuartiger Technologien und Prozesse geht es nicht darum, klimaschonende Technologien und Prozesse neu zu erfinden, sondern diese zur Marktreife zu bringen. Beispiele dafür sind die Abscheidung von CO2 aus den Ab­gasen von Kehrichtverbrennungsanlagen und aus der Zementproduktion, CO2-armer Beton, die Herstellung von Chemikalien aus Kohlenstoff aus nicht fossilen Quellen, die Synthese von Treibstoffen aus atmosphärischem CO2 mithilfe erneuerbarer Energie, die Optimierung von Hochtemperaturprozessen in der Industrie mit nicht fossilen Brennstoffen und Pyrolyseverfahren zur Speicherung von Kohlenstoff in Böden. Der Klimaschutz wird so zu einer Chance für die Schweizer Wirtschaft. Mit Investitionen in innovative Technologien schafft das Gesetz Arbeitsplätze und Exportmöglichkeiten.

Impulsprogramm Heizungsersatz und Energieeffizienz

Als dritten Pfeiler beinhaltet das Gesetz auch eine Anpassung des Energiegesetzes. Über zehn Jahre fördert der Bund mit je 200 Millionen Franken den Ersatz fossiler Heizungen sowie elektrischer Widerstandsheizungen durch erneuerbare Heizsysteme sowie die Verbesserung der Energieeffizienz von Gebäuden. 2021 wurden beim Heizungsersatz erstmals mehr erneuerbare als fossile Heizsysteme installiert. Das bedeutet aber, dass immer noch viele fossile Heizungen durch ebensolche ersetzt werden. Da diese eine Lebensdauer von 20 bis 25 Jahren haben, soll das Impulsprogramm hier ansetzen und motivieren, so früh wie möglich auf erneuerbare Systeme zu wechseln. Zu ersetzen sind auch elektrische Widerstandsheizungen, weil sie enorme Mengen Strom verbrauchen. Erneuerbare Heizsysteme sind viel energieeffizienter, denn sie brauchen den Strom nicht, um Wärme zu erzeugen, sondern um Wärme zu transportieren. Das Gesetz erleichtert somit die Erneuerung von Heizungen und Gebäudesanierungen.

Weitere Bestimmungen

Das Klimaschutzgesetz enthält neben den drei Grundpfeilern weitere Bestimmungen:

  • Bund und Kantone sorgen für die notwendigen Massnahmen zum Schutz vor den Auswirkungen des Klimawandels.
  • Der Bund sorgt dafür, dass der Schweizer Finanzplatz einen effektiven Beitrag zur emissionsarmen und gegenüber dem Klimawandel widerstandsfähigen Entwicklung leistet. Zu diesem Zweck kann er mit den Finanzbranchen Vereinbarungen abschliessen.
  • Die Bundesverwaltung senkt ihre eigenen Treibhausgasemissionen bereits bis 2040 auf netto null. Die Kantone streben dasselbe Ziel an.
  • Der Bundesrat unterbreitet dem Parlament periodisch neue Anträge zur Erreichung der Emissionsziele.

Mit diesem Gesetz erhält die Schweiz endlich einen rechtlichen Rahmen für mehr Klimaschutz. Diesen hat sie dringend nötig, damit sich Politik, Wirtschaft und Gesellschaft auf gemeinsame und langfristige Ziele ausrichten und darauf hinarbeiten können.