Die Vorurteile sind aus der Entwicklung der Photovoltaik bekannt. Auch beim grünen Wasserstoff wird oft moniert, er sei zu teuer für einen flächendeckenden Einsatz. Verschiedene Experten gehen aber davon aus, dass sich die Preise rasant nach unten entwickeln werden und dass grüner Wasserstoff rasch wettbewerbsfähig wird.
Text: Pressedienst/Beat Kohler
Weltweit werden jährlich rund 50 Millionen Tonnen Wasserstoff hergestellt. Wasserstoff kann durch verschiedene Prozesse gewonnen werden. Zum grössten Teil wird er heute aus fossilen Energieträgern hergestellt, aus Erdgas, Schweröl, Benzin oder Kohle. Entsprechend ist industriell produzierter Wasserstoff keineswegs CO2-neutral. Nur bei der Erzeugung aus erneuerbarem Strom über ein Power-to-Gas-Verfahren ist Wasserstoff frei von CO2-Emissionen. Bislang wurde eine solche Erzeugung von Wasserstoff jedoch als zu teuer angesehen. Die industrielle Produktion von Wasserstoff steckt noch in den Kinderschuhen. Das stellt die Technologie vor Herausforderungen, vor denen die Photovoltaik vor 20 Jahren stand.
Grosse Dynamik
Sauberer Wasserstoff erfreue sich dennoch einer beispiellosen politischen und geschäftlichen Dynamik, erklärte die internationale Energieagentur IRENA vergangenen September. Sie geht davon aus, dass grüner Wasserstoff, der mit erneuerbarem Strom erzeugt wird, künftig stark zunimmt. Viele laufende und geplante Projekte wiesen in diese Richtung. Wasserstoff aus erneuerbaren Energien sei heute technisch tragfähig und nähere sich rasch der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit. Und je mehr Power-to-Gas-Anlagen zum Einsatz kommen, umso günstiger werden die einzelnen Komponenten. Zudem wird auch der Strom aus Solar- und Windkraft weltweit nach wie vor immer günstiger. Dieser Strom wird zunehmend auch für die Wasserstofferzeugung genutzt. Auch weil sich so das Netz stabilisieren lässt. Vorausgesetzt, dass kostengünstiger Strom verfügbar ist, besteht die Herausforderung darin, den Elektrolyseur möglichst gut auszulasten. Dafür braucht es Wind- und Solarressourcen mit einer hohen Verfügbarkeit. Günstiger wird die Technologie auch, weil die Elektrolyseure schon bald von Megawatt auf Gigawatt skaliert werden. Die IRENA geht davon aus, dass sich die Kosten pro Kilowatt bis 2040 halbieren. Und sie kommt zum Schluss, dass mit dem erwarteten Rückgang sowohl der Elektrolyseurkosten als auch der Kosten des erneuerbaren Stroms grüner Wasserstoff wettbewerbsfähig oder gar billiger als alle Formen der Wasserstoffproduktion aus fossilen Brennstoffen wird. Dennoch müsse die Politik die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen, damit sich Wasserstoff mittelfristig durchsetzen könne, schreibt die IRENA.
Immer günstiger
Das Potenzial von Wasserstoff in einer kohlenstoffarmen Wirtschaft war Ende des vergangenen Jahres auch Thema einer Konferenz des Mannheim Institute for Sustainable Energy Studies (MISES) der Universität Mannheim. Gunther Glenk, Assistenzprofessor am MISES, sprach über seine Arbeit zur «Ökonomie reversibler Brennstoffzellen». Diese ermöglichen es, Elektrizität aus Wasserstoff und Wasserstoff aus Elektrizität zu erzeugen. Während die Stromerzeugung aus Wasserstoff heute vielfach als zu teuer angesehen wird, zeigte Glenk, dass reversible Brennstoffzellen Strom zu wettbewerbsfähigen Preisen liefern können. Reversible Anlagen könnten dann beispielsweise in Zeiten Strom erzeugen, in denen die Erzeugung bei Wind- und Solaranlagen nicht ausreicht, um den Bedarf zu decken. Professor Stefan Reichelstein von der Universität Mannheim erklärte, wie Wasserstoff CO2-frei und gleichzeitig rentabel produziert werden kann. Mithilfe von kombinierten Systemen aus einer Wind- oder Solaranlage und einer modernen Power-to-Gas-Anlage könne CO2-freier Wasserstoff viel günstiger hergestellt werden als bislang angenommen, so der Energieexperte. «Unsere Ergebnisse lassen mich die Vorhersage bekräftigen, dass die Entwicklung für Wasserstoff im kommenden Jahrzehnt ähnlich rasant ablaufen mag wie für die Wind- und die Solarenergie in den 1990er-Jahren», sagte Reichelstein.
www.irena.org/-/media/Files/IRENA/Agency/Publication/2019/Sep/IRENA_Hydrogen_2019.pdf