Landwirtschaft und Stromproduktion auf derselben Fläche – die angehobenen Agrophotovoltaikpanels (APV) machen es möglich. Das Frauenhofer-Institut für Solare Energiesysteme geht der Vision seines Gründers nach und sucht nach der maximalen Landnutzungseffizienz. Über die Potenziale für die Schweiz lässt sich derzeit nur fantasieren.
Matthias Schiemann
Pflanzen brauchen Sonne. Photovoltaik auch. Bisweilen stritten sie gewissermassen um ihren Platz an der Sonne. Denn beides scheint sich auszuschliessen: entweder Photovoltaik oder Photosynthese. Der Bau von grossflächigen Photovoltaikanlagen im Namen der Energiewende entzieht letztlich der Landwirtschaft ihren Boden. Doch wo wird dann unser Gemüse noch produziert? Das Problem ist ein altes: Landmanagement. Die Energiewende benötigt den Ausbau der erneuerbaren Energien. Wenn dafür aber die Landwirtschaft Platz machen muss und transportintensive Importe aus Ländern mit fragwürdigen Stromquellen die lokale Nahrungsmittelversorgung sicherstellen müssen, wird die nachhaltige Idee hinter der ganzen Sache ad absurdum geführt.
RECHTSLAGE IN DER SCHWEIZ
Nach dem Bundesgesetz über die Raumplanung sind Bauten innerhalb der Landwirtschaftszone nur gestattet, wenn die Standortgebundenheit dies erfordert. Weil Solarparks auch anderswo aufgestellt werden können, können nach schweizerischer Rechtsauffassung frei stehende Solaranlagen nicht landwirtschaftlich begründet werden und sind deshalb rechtlich auch nicht zulässig, wie der Landwirtschaftliche Informationsdienst (LID) schreibt – zumal in der Schweiz immer noch sehr viele landwirtschaftliche Dachflächen ungenutzt sind und obwohl die Baukosten bei solchen Freiflächenanlagen geringer sind. 2012 erfragte ein Postulat beim Bundesrat, wie Freiflächen-Solarstromanlagen bewilligt werden könnten oder welche gesetzlichen Bestimmungen insbesondere im Raumplanungsgesetz geändert werden müssten, damit dies möglich wäre. Bereits damals verwies der Bundesrat in seiner Antwort auf das grosse noch vorhandene Potenzial an geeigneten Gebäudeflächen zur Nutzung der Photovoltaik in der Schweiz. Das geltende Raumplanungsrecht schliesse freistehende Solaranlagen zwar nicht ausdrücklich aus. Die Standortgebundenheit solcher Anlagen ausserhalb der Bauzone sei aber mit Blick auf das grosse Potenzial auf bestehenden Gebäuden «nur in den allerseltensten Fällen» gegeben. Der Bundesrat sah damals keinen Bedarf, einen Bericht über allfällige Gesetzesänderungen zu erstellen. (BK)
Entweder oder? Und!
Das Problem haben Prof. Adolf Goetzberger, Gründer des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE), und Dr. Armin Zastrow bereits 1981 thematisiert. Ihr Ziel war es, Sonnenenergie und Landwirtschaft zu kombinieren. Die Idee: Angehobene Sonnenkollektoren sollen die Beschattung durch die Anlage reduzieren und so eine Doppelnutzung der Fläche ermöglichen. Sie haben die präzise Aufstellung einer solchen Anlage für die hiesigen Breitengrade mathematisch berechnet. Die Kollektoren müssen nämlich, proportional zu ihrer Breite und ihrem Winkel, mit genügender Höhe installiert werden, damit die Pflanzen unter der Anlage immer noch genügend direkte und diffuse Sonneneinstrahlung erhalten. Nur so können diese auch weiterhin gut gedeihen und Früchte tragen.
25 Jahre später ist es Realität
Was 1981 noch Theorie war, ist in Herdwangen-Schönach, Deutschland, unweit vom Bodensee heute Praxis. Zwar wurden keine Sonnenkollektoren, dafür Photovoltaik verwendet, aber die Idee bleibt dieselbe. 720 Module mit einer Leistung von 194,4 kW prangen auf der Hofgemeinschaft Heggelbach fünf Meter über einem Drittel Hektar Ackerfläche. «Agrophotovoltaik» (APV) nennt sich nun das Ganze und soll die Landnutzungseffizienz optimieren, indem quasi auf zwei Etagen die Energie der Sonne genutzt wird. Auch für Landwirtinnen und Landwirte birgt dies Vorteile. Der Flächenkonkurrenz untereinander wird entgegengewirkt und gleichzeitig erschliesst sich ihnen eine neue Einkommensquelle. Letztlich treibt es aber durch den Ausbau erneuerbarer Energien auch die Energiewende voran. Die Höhe der PV-Module wird gleichzeitig auch genutzt, um deren Ertrag zu maximieren. Dazu wurden bifaziale Module installiert – Module, die auf der Unterseite auch die Rückstrahlung vom Boden absorbieren können. Besonders im Winter fördert dies die Stromgewinnung, aufgrund der starken Rückstrahlung von schneebedecktem Boden. Tatsächlich konnte unter dieser Bedingung ein zusätzlicher Gewinn von bis zu 25 Prozent verzeichnet werden. Ein starker Pluspunkt in Anbetracht des bekannten «Winterlochs» für die Solarenergieproduktion.
«APV-Resola»
Die Installation auf der Demeter-Hofgemeinschaft ist nicht die erste ihrer Art. Aber sie dient dem ISE als Versuchsfläche und Forschungsgrundlage. Das Projekt wurde «Agrophotovoltaik – Ressourcen effiziente Landnutzung» oder kurz «APV-Resola» getauft und prüft die effektive Produktivität einer Doppelnutzung. Nicht bloss die Stromproduktion wird gemessen, sondern insbesondere auch die Produktivität des Bodens. In einer dreijährigen Studie wurden unter den Solarmodulen ebenso wie auf einer nicht überbauten anliegenden Fläche verschiedene Pflanzen und Getreide angepflanzt und miteinander verglichen. Die mit der Einweihung der Anlage im September 2016 begonnene Studie endet dieses Jahr, und das ISE kann überzeugende Ergebnisse präsentieren. Bemerkenswerterweise konnten die Ernteerträge im letzten Jahr bei drei der vier Versuchskulturen sogar gesteigert werden.
POTENZIALE IN ARIDEN ZONEN
Besonders in sehr heissen und trockenen Breiten graden könnte eine Agrophotovoltaikanlage gute Anwendung finden. Einerseits ist viel Sonne für die Stromproduktion vorhanden, andererseits schützen die Solarmodule die Bodenbedeckung vor zu grosser Trockenheit. Ein kontinuierlich mit Grün bedeckter Boden kann Wasser viel besser speichern. Ist die Vegetation einmal weg, ist die Bodendegradation kaum aufzuhalten. Die Beschattung durch die Solarmodule könnte ein Mittel bieten, um dieser Abwärtsspirale entgegenzuwirken. Das ISE ist deshalb um den Transfer der Technologie in diese Zone bemüht. Beispielsweise prüft das Institut mit Partnern in Algerien im Rahmen des EU-Programms «Horizon 2020», wie sich die Agrophotovoltaikanlage auf den Wasserhaushalt auswirkt. Neben der geringeren Verdunstung und der verminderten Temperatur durch Verschattung könnte auch die Regenwassergewinnung mit den Solarmodulen einen Beitrag für einen verbesserten Wasserhaushalt leisten. (MS)
Die Teilverschattung durch die Solarmodule schützt die Pflanzen vor der starken Trockenheit im Hochsommer. Dank dem Schatten vermindert sich die Evapotranspiration, das Wasser kann besser gespeichert werden, und die Pflanzen können lang anhaltende Trockenheit besser verkraften. Tatsächlich konnte unter der APV-Anlage in den heissen und trockenen Frühlings und Sommermonaten eine erhöhte Bodenfeuchtigkeit des Weizenbestandes gemessen werden. Im ersten Jahr fielen die Erträge deutlich kleiner aus, und es wurden Verluste von bis zu 19 Prozent verzeichnet. Allerdings liegt diese einmalig tiefe Messung immer noch innerhalb des im Voraus angestrebten Ziels: Die Demeter-Landwirte von Heggelbach wollten mindestens 80 Prozent vom üblichen Ertrag unter der Anlage realisieren können. Rechnet man die zusätzliche Landnutzungseffizienz durch die Stromproduktion dazu, ergibt sich ein klarer Gewinn. Bereits im ersten Projektjahr verzeichnete das Projektkonsortium eine Landnutzungseffizienz von 160 Prozent. Und der Hitzesommer des letzten Jahres brachte mit einer solaren Einstrahlung von 1319,7 kWh pro Quadratmeter einen Ertrag von 1285,3 kWh pro installiertem kWPeak (womit die APV-Anlage bereits heute im Wettbewerb mit einer kleinen PV-Dachanlage mithalten kann). Damit konnte eine Landnutzungseffizienz von 186 Prozent erreicht werden. Trotz den hoffnungsvollen Ergebnissen gesteht das Konsortium realistischerweise ein, dass es noch zu früh für eindeutige Aussagen ist. Weitere Praxisjahre mit Untersuchungen von anderen Kulturen seien nötig. Sicher ist: Eine Agrophotovoltaikanlage ist nicht für alle Kulturen geeignet. Bereits Goetzberger und Zastrow haben vorausgesagt, dass sich diese Doppelnutzung nur für Pflanzen eignet, deren Wachstum nicht auf die Verfügbarkeit von Licht begrenzt ist. Gleichzeitig ist die Hoffnung gross, dass zusätzliche Erfahrungen mit weiteren Kulturen die Effizienz noch weiter steigern könnten.
Potenzial für die Schweiz
Die Energieproduktion aus der Schweizer Landwirtschaft ist immer noch zu grossen Teilen von Biomasse bestimmt. Wind und Sonne machen weiterhin einen kleinen Anteil aus, wenn er auch in den letzten zehn Jahren deutlich angestiegen ist. In einer Potenzialanalyse hat die Energieberatungsagentur AgroCleanTech im Jahr 2012 die Möglichkeiten der Energieproduktion in der Landwirtschaft untersucht. Obwohl lediglich das Flächenpotenzial auf Gebäuden berücksichtigt werden konnte – da freistehende Flächen in der Schweiz für die Nahrungs und Futterproduktion genutzt werden sollen –, hat die Agentur ein Potenzial von 1235 GWh/a bis 2030 für Photovoltaik in der Landwirtschaftszone errechnet. Da angehobene Solaranlagen in der Schweiz nicht erlaubt sind, kommt eine Anlage wie die in Herdwangen-Schönach heute nicht infrage. Man stelle sich aber vor, wie hoch das Potenzial läge, würde sich dies ändern.