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Biogasproduktion

Kaum erstaunlich: Die letzten Jahre, gespickt mit Krieg und Krise, haben nicht nur bei den Eigenheimbesitzenden, sondern auch bei Bauern und Bäuerinnen die Nachfrage nach Energieautarkie gefördert. In ungewissen Zeiten oder bei erhöhter Investitionssicherheit scheint der Zubau von erneuerbaren Energien den Menschen einfacher zu fallen.

ENERGIEAUTARKIE IN DER LANDWIRTSCHAFT: AUFBRUCHSSTIMMUNG IN UNSICHEREN ZEITEN

Text: Linda Wachtarczyk

«Aktuell sind rund 130 Biogasanlagen in Betrieb, davon 25 Kleinbiogasanlagen. Rund 15 weitere Kleinanlagen sind mo­ mentan in Planung – das ist ein Zubau von über 50%», erklärt Albert Meier, Lei­ ter Politik von Ökostrom Schweiz. Der Fachverband vertritt landwirtschaftliche Biogasanlagen und ist die Anlaufstelle für Bäuerinnen und Bauern, die sich für die Biogasproduktion interessieren. «Das ganze Energiethema und auch der Krieg in der Ukraine haben das Interesse der Bau­ ern gestärkt, energieautark zu sein. Bis zum heutigen Zeitpunkt sind die Nach­ frage und das Interesse ungebrochen», so Meier.

Viele Landwirte interessieren sich für kleine Anlagensysteme, da die Anlagen an den jeweiligen Bauernhof angepasst wer­ den müssen. Die Menge des verwendeten Hofdüngers (Mist und Gülle) sowie weite­ rer organischer Reststoffe spielt dabei eine zentrale Rolle. Neben der Integration auf dem Hof schliessen die Bauern wichtige Nährstoffkreisläufe, indem sie das ver­ gärte Material als hochwertigen Dünger weiterverwenden. Die Anlagen bieten auch gemeinwirtschaftliche Vorteile, etwa durch die Nutzung der Überschusswärme zum Beheizen von Ställen oder zur Trock­ nung von Heu und anderen Rohstoffen. So wird ein grosser Mehrwert geschaffen, ohne direkt mit der Nahrungsmittelpro­duktion zu konkurrieren.

 

Die Kleinbiogasanlage braucht wenig Platz.

Neben den betriebswirtschaftlichen Vor­teilen bieten Biogasanlagen eine schnelle und brauchbare Alternative zu fossilen Energieträgern. Da die Landwirtschaft zu den grössten Klimatreibern in der Schweiz zählt, können durch Biogasanlagen nicht nur erhebliche Emissionen eingespart werden, sondern es besteht auch ein gros­ ses zusätzliches Potenzial. «Die Landwirt­schaft, die lange als Buhmann galt, hat einen wichtigen Hebel in der Hand, um kurzfristig und langfristig CO2 einzuspa­ren, was in anderen Wirtschaftssektoren nicht so schnell möglich ist», beschreibt Alina von Allmen, Coachin für Klimapro­jekte bei der Regionalkonferenz Oberland­ Ost.

Bei der Vergärung von Hofdüngern in Biogasanlagen wird Methangas durch Verbrennung in CO2 umgewandelt. Da der Kohlenstoff biogenen Ursprungs ist, ist das entstehende CO2 klimaneutral. Studien des Forschungsinstituts für biologischen Landbau (FiBL) zeigen, dass durch den Be­trieb von Kleinbiogasanlagen bis zu 85% der Klimagasemissionen bei der Gülle­lagerung eingespart werden können. Dies gelingt durch die Vermeidung von Emis­sionen aus der Hofdüngerlagerung und die Substitution fossiler Energieträger. Die Gesamtemissionen eines Betriebs werden durch eine Kleinbiogasanlage um min­ destens 20% reduziert, was im Vergleich zu anderen Klimaschutzmassnahmen äus­serst effizient ist.

Ein wesentlicher Vorteil der Kleinbiogas­anlagen ist die Generierung zusätzlicher Wertschöpfung direkt auf den Bauernhö­fen. Da die Anlagen lokal betrieben wer­den, entfallen lange Transportwege, was die Logistikkosten senkt und den CO2­-Ausstoss minimiert. Die Möglichkeit zur Energieautarkie stärkt zudem die Unab­hängigkeit der Landwirte von externen Energiequellen. Ein weiterer erheblicher Vorteil von Biogasanlagen im Allgemei­nen ist ihre Fähigkeit, die Substrate und die Energie zu speichern. Dadurch kann über das gesamte Jahr kontinuierlich und steuerbar Strom eingespeist werden, was zur Netzstabilität beiträgt, Netzkosten senkt und eine zuverlässige Energiequelle sicherstellt.

HERAUSFORDERUNGEN UND WIRTSCHAFTLICHE ÜBERLEGUNGEN

Obwohl es viele gute Gründe gibt, warum Bauern eine (Klein­)Biogasanlage errich­ten und davon profitieren sollten, haben sich bisher nur wenige dafür entschieden. «Bei den Bauern gibt es zwei Lager: die einen, die offen und interessiert an neuen und innovativen Lösungen sind, und die anderen, die im Spannungsfeld hoher Ar­beitsbelastung und niedriger Löhne ste­hen. In diesem Spannungsfeld gibt es we­nig Raum, neue Ideen weiterzuentwi­ckeln», erklärt Alina von Allmen von der Regionalkonferenz Oberland­ Ost.

Neben dem biologischen, energetischen und klimatechnischen Mehrwert muss sich eine solche Anlage auch wirtschaft­lich lohnen, damit mehr Landwirte sich dieser Technologie zuwenden. Die Errich­tung einer Biogasanlage ist für einen landwirtschaftlichen Betrieb keine einfa­che Erweiterung des Hofes. Die Investi­tionskosten müssen sorgfältig kalkuliert werden, und der Betrieb der Anlage, der etwa 10–20% eines Vollzeitäquivalents in Anspruch nimmt, muss gut geplant sein. Anders als bei Photovoltaikanlagen, die nach der Installation kaum Wartung er­ fordern, fallen bei Biogasanlagen konti­ nuierliche Betriebsarbeiten und ­kosten an. Ohne Förderung sind die Anlagen bei den aktuellen Energiepreisen oft nicht wirtschaftlich rentabel.

Was hier in Gross abgebildet ist, geht auch in Klein: Die Menge des Hofdüngers bestimmt die Grösse der Anlage.

Viele Landwirte zögern aufgrund der lau­fenden Betriebskosten und des zusätzli­chen Arbeitsaufwands, da die Planungs­sicherheit momentan nur bedingt gegeben ist. Seit dem 1. Januar 2023 können dank der Energieförderungsverordnung (EnFV) bis zu 50% der Investitionskosten über den Bund finanziert werden. Zusätzlich unterstützt der Bund die Betreiber auch mit einem Betriebskostenbeitrag für jede eingespeiste Kilowattstunde. «Das hat na­türlich auch die Nachfrage nach Biogas­ anlagen erheblich beeinflusst», erklärt Al­bert Meier. «Allerdings muss man beden­ ken, dass die laufenden Betriebskosten, die Wartung und die Personalkosten den Grossteil der Gesamtkosten einer Biogas­ anlage über die ganze Amortisationsdauer ausmachen.» Neben den finanziellen Unsicherheiten stellt die Raumplanung derzeit eine der grössten Hürden für Landwirte dar. Die Zonenkonformität von Biogasanlagen ist im geltenden Raumplanungsrecht sehr vage formuliert. Doch positive Anpassun­gen sind bereits in Aussicht.

WEITERE FÖRDERUNG UND HÜRDENABBAU NÖTIG

Mit dem am 9. Juni angenommenen Stromgesetz wurde eine Grundlage ge­schaffen, um Biogasanlagen aller Grössen durch verschiedene Massnahmen zu för­dern. In einer Medienmitteilung von Ökostrom Schweiz vom 6. Oktober 2023 äussert sich der Verband zum revidierten Raumplanungsgesetz: «Es stärkt die Zo­nenkonformität von landwirtschaftlichen Biogasanlagen und vereinfacht die raum­ planerische Bewilligungspraxis. So dürfen landwirtschaftliche Biogasanlagen bis zu einer bestimmten Grösse (45 000 Tonnen Substratinput pro Jahr) künftig nicht mehr der Planungspflicht unterstellt werden.» Nicht nur in der Raumplanung, sondern auch durch die Vergütung über eine glei­tende Marktprämie gibt es nun bessere Fördermöglichkeiten für Biogasanlagen als bisher. Diese gleitende Marktprämie orientiert sich an den Gestehungskosten, ähnlich wie bei der Wasserkraft. Das Stromgesetz bietet hier zwar einen attrak­tiven Rahmen, jedoch stellen die bisher ausgearbeiteten Verordnungen eher Hin­dernisse als Förderungen dar. Der Fachver­band Ökostrom Schweiz beurteilt dies kri­tisch: «Für bestehende Anlagen sind die Perspektiven existenzgefährdend, für neue Anlagen ungewiss.» Der Fachverband kri­tisiert die Ausgestaltung der Nachfolge­lösung des Einspeisevergütungssystems (KEV) und betont, dass die formulierten Ziele mit diesen Verordnungen nicht er­ reicht werden können.

Es bleibt zu hoffen, dass die Verordnungen so angepasst werden, dass sie den weiteren Ausbau erneuerbarer Energien fördern und nicht hemmen. Angesichts der Tatsache, dass der Betrieb einer Mikrobiogasanlage nicht nur erneuerbare Energie bereitstellt, sondern auch einen erheblichen Beitrag zum Klimaschutz in der Landwirtschaft leisten kann, ist es wichtig, mit den Ver­ordnungen zum Stromgesetz die Anlagen in der Landwirtschaft zu stärken und nicht zu schwächen.