Das bidirektionale Laden von Elektrofahrzeugen erhält aktuell viel Aufmerksamkeit. Diese Technologie ermöglicht es, E-Autos auch als flexible Energiespeicher zu nutzen, die Energie ins Haus zurückspeisen können. Vor allem unter Technikinteressierten hat diese Entwicklung an Popularität gewonnen, da sie neue Möglichkeiten für eine möglichst autarke Energieversorgung eröffnet. Doch wie schneidet bidirektionales Laden im Vergleich zu klassischen stationären Batteriespeichersystemen für Photovoltaikanlagen ab?
Text: Linda Wachtarczyk
In Gesprächen über Elektroautos und bidirektionales Laden tauchen oft Missverständnisse auf: «Das bidirektionale Laden ist in der Schweiz noch nicht erlaubt», «Es gibt keine Autos auf dem Markt, die das können» oder «Man braucht eine Baubewilligung für die Installation». Diese Aussagen enthalten zwar wahre Elemente, sind jedoch in ihrer Gesamtheit oft falsch. Dennoch werden diese Halbwahrheiten von Menschen weiterverbreitet, welche die Fakten nicht vollständig kennen. In diesem Artikel sollen einige dieser Missverständnisse aufgeklärt werden.
Richtig ist, dass es in der Schweiz bisher nur wenige Elektroautos mit bidirektionaler Ladefähigkeit gibt. Aber es ist schon seit einigen Jahren möglich, das Auto als Energiespeicher zu nutzen und Strom ins Haus zurückzuspeisen. Dies ist besonders sinnvoll für Haushalte mit eigener Photovoltaikanlage, die ihre Energieautarkie steigern möchten. Der Aufwand für die Installation einer bidirektionalen Ladestation ist nicht grösser als bei einer herkömmlichen E-Auto-Ladestation – abgesehen vom Preis. Ein Elektriker installiert einen Anschluss von der Ladestation zum Elektrotableau. Neben dem Energiezähler des Wechselrichters wird ein weiterer Zähler für die Ladestation angebracht. Mit einem Internetanschluss und einer Smarthome-Lösung kann das Ladesystem dann bequem per Smartphone gesteuert werden. So kann das Auto tagsüber geladen und in der Nacht als Energiespeicher verwendet werden. Man kann die Ladefunktion so einstellen, dass am nächsten Morgen noch genügend Energie vorhanden ist, um mit dem Auto von A nach B zu kommen.
Hilfreiche Links
Entgegen der häufigen Annahme wird für die Installation einer bidirektionalen Ladestation in der Regel keine Baubewilligung benötigt – die genaue Regelung kann jedoch je nach Kanton variieren (siehe Kasten «Hilfreiche Links»). Bei den Steuern kann ein Teil der Investitionskosten als abzugsfähige Energiesparmassnahme angegeben werden.
In einigen Kantonen werden die bidirektionalen Ladestationen sogar mit finanziellen Beiträgen unterstützt. So kann man in den Kantonen Tessin, Bern, Zürich und Thurgau auf eine finanzielle Unterstützung des Kantons zählen.
Kostenvergleich: Bidirektionales Laden vs. Heimspeicher
Aktuell gibt es in der Schweiz nur einen zertifizierten Anbieter für bidirektionale Ladestationen: sun2wheel. Vergleicht man den Preis einer bidirektionalen Ladestation von sun2wheel (rund 13 000 CHF) mit stationären Batteriespeichern mit einer Kapazität von 11–15 kWh, wird klar, dass die Kosten für beide Optionen ähnlich sind – teilweise ist die Ladestation sogar günstiger. Allerdings benötigt man natürlich ein Elektroauto als Energiespeicher, um diese Technologie zu nutzen. Die Preise für kompatible E-Autos variieren je nach Hersteller und Modell erheblich. Dafür ist die Speicherkapazität eines E-Autos in der Regel deutlich höher als die einer Heimbatterie, und der Stromverbrauch eines Haushalts ist meist geringer als der eines Elektrofahrzeugs.
Ein grosser Vorteil des bidirektionalen Ladens liegt darin, dass es die Amortisationszeit einer Photovoltaikanlage erheblich verkürzen kann. Karin Schäfer, Geschäftsführerin von sun2wheel, erklärt, dass sie mit ihrem E-Auto sowohl ihre PV-Anlage als auch die Ladestation innerhalb von siebeneinhalb Jahren amortisiert hat. «Bei einem jährlichen Stromverbrauch von etwa 16 000 kWh konnten wir jährlich rund 4500 Franken an Stromkosten einsparen», erklärt sie. Wenn das Auto effizient in die Energienutzung eingebunden wird, kann sich die Investition doppelt lohnen. «Ein Elektroauto erfüllt einen wertvollen Doppelnutzen», so Schäfer weiter.
Auch für Mehrfamilienhäuser ist das bidirektionale Laden eine vielversprechende Lösung. «Die Mobilität entwickelt sich weiter, und mit neuen Konzepten wie Carsharing in Wohnkomplexen mit PV-Anlagen können Autos geteilt und gleichzeitig die Stromkosten gesenkt werden», erklärt Schäfer. Zwar gibt es bei Mehrfamilienhäusern zusätzliche Herausforderungen, wie die faire Verteilung des Verbrauchs und der Vergütung. Doch lohnt es sich, diesen Herausforderungen zu begegnen und Lösungen für die gemeinschaftliche Energie- und Mobilitätsnutzung zu entwickeln.
Voraussetzungen und Ausblick
V2X Suisse – Pilotprojekt zu bidirektionalem Laden
Im Rahmen des Projekts «V2X Suisse» wurden 50 bidirektional ladende Honda-e-Fahrzeuge in den regulären Carsharingbetrieb von Mobility integriert. Es handelte sich dabei um den ersten gross angelegten Test dieser Technologie in der Schweiz. Ziel war es, herauszufinden, wie bidirektionales Laden dazu beitragen kann, Lastspitzen im Stromnetz zu glätten und den Eigenverbrauch der Autostandorte mit Solaranlagen zu optimieren. Es wurde das betriebswirtschaftliche Potenzial dieser Fahrzeuge in der Schweiz analysiert und der Wettbewerb zwischen verschiedenen Flexibilitätsnutzern auf drei Netzebenen (Swissgrid, Verteilnetzbetreiber und Zusammenschlüsse zum Eigenverbrauch) untersucht.
Das Fazit des Projekts ist eindeutig: Die technische Machbarkeit wurde erfolgreich nachgewiesen, und die bidirektionale Technologie hat dadurch erheblichen Aufwind erhalten. Sowohl das bewährte V2H (Vehicle-to-Home) als auch V2G (Vehicle-to-Grid) erwiesen sich als technisch funktional, und beide Ansätze tragen zur Stabilität des Stromnetzes bei. Allerdings ist ein wirtschaftlicher Betrieb für Carsharingunternehmen derzeit noch nicht rentabel.
«Die Preise für bidirektionale Ladestationen sind derzeit noch hoch, doch die Aussichten auf günstigere Infrastrukturen sind vielversprechend», sagt Krisping Romang, Direktor von Swiss e-Mobility. Mit der steigenden Nachfrage, der zunehmenden Anzahl kompatibler Autos und weiteren Ladestationenanbietern werden deutliche Preisreduktionen erwartet. Allerdings bleibt die geringe Zahl zugelassener Fahrzeuge eine Herausforderung.
Ein diesen Sommer abgeschlossenes Pilotprojekt von Mobility (mehr Infos im Kasten) hat gezeigt, dass bidirektionales Laden im Carsharingbereich bereits funktioniert. «Wenn bidirektionales Laden im Carsharing klappt, sollte es überall machbar sein», sagt Mobility-Elektroingenieur Pascal Barth. Mobility betont, dass bidirektionale Elektroautos in der Lage sein könnten, das Stromnetz zu stabilisieren. «Wenige Tausend bidirektionale Fahrzeuge könnten die gleiche Leistung erbringen wie ein Pumpspeicherkraftwerk», heisst es auf der Website des Unternehmens, basierend auf den Ergebnissen der «V2X Suisse»-Studie.
Obwohl es beim bidirektionalen Laden ins Netz (V2G) noch einige technische Hürden gibt, steht dem Einsatz dieser Technologie zur Optimierung des Eigenverbrauchs kaum etwas im Weg. Auf jeden Fall ist es schon heute sinnvoll, die Mobilität in die Planung der eigenen Energieversorgung zu integrieren. Oder wie es der Direktor von Swiss e-Mobility zusammenfasst: «Die sich uns bietenden Möglichkeiten sind mehr als beeindruckend. Es wäre unfassbar, wenn wir nicht alles dafür tun würden, um das gewaltige Potenzial zu nutzen.»