Greenpeace Schweiz verlangt Klarheit zu den Schäden an Brennelementen im AKW Leibstadt. Zu diesem Zweck hat die Umweltorganisation eine Aufsichtsbeschwerde eingereicht beim ENSI-Rat. Die Atomaufsichtsbehörde habe vermutlich geltendes Recht verletzt, indem sie grünes Licht für die Wiederinbetriebnahme des AKW gegeben hat, ohne die genauen Ursachen für die Schäden zu kennen.
Pressedienst/Redaktion
Mitte Februar dieses Jahres hat die Atomaufsichtsbehörde ENSI grünes Licht gegeben für die Wiederinbetriebnahme des AKW Leibstadt. Zuvor stand das Atomkraftwerk monatelang still wegen massiven Schäden an fast 50 Brennelementen – sie waren von Oxidationen betroffen, vergleichbar mit Rost. Das grüne Licht vom ENSI kam, ohne die genaue Ursache für die Schäden zu kennen.
Zwar nannte die Aufsichtsbehörde sogenannte «Dryouts» – eine unzureichende Kühlung der Brennstäbe – als Ursache; was zu diesem Phänomen geführt hat, ist aber bis heute ungeklärt. Greenpeace Schweiz hat nun den Fall minutiös aufgearbeitet, und für den Atomexperten der Umweltorganisation, Florian Kasser, ist die Sachlage eindeutig: «Dass das ENSI grünes Licht für die Wiederinbetriebnahme von Leibstadt gegeben hat, ohne die Ursachen zu kennen, war nicht zulässig.»
Gegen geltendes Recht verstossen?
Für Greenpeace Schweiz stelle sich nun die Frage, ob das ENSI sogar gegen geltendes Recht verstossen habe. Die entsprechenden Gesetzestexte liessen diesen Schluss zu: Die unzureichende Kühlung der Brennstäbe müsse ausgeschlossen werden. Denn deren Hülle stellt eine zentrale Barriere gegen den Austritt von Radioaktivität dar. «Die Aufsicht über das ENSI muss klären, was schiefgelaufen ist bei der Atombehörde im Fall Leibstadt», begründet Kasser die Beschwerde beim ENSI-Rat.
In der Beschwerdeschrift der Umweltorganisation werde dem ENSI weitere Verfehlungen vorgeworfen. Obwohl bereits 2014 im AKW Leibstadt ein Dryout-Schaden vorkam, wurde dieser bis anhin nicht vertieft untersucht. Auch in der öffentlichen Kommunikation hätten sich Pannen wiederholt: Wesentliche Informationen seien regelmässig ausgelassen worden, zudem seien die Meldungen oft widersprüchlich. Der Vorfall sei bagatellisiert worden. «Die Nachlässigkeiten haben sich in einem unannehmbaren Mass gehäuft», fasst Atomexperte Kasser zusammen. «Das zeugt von einem Sicherheitsverständnis beim ENSI, das nicht tolerierbar ist.»
Aufsichtspraxis korrigieren
Greenpeace Schweiz bittet den ENSI-Rat, die in der Beschwerdeschrift dargelegten Unzulänglichkeiten bei der Atomaufsichtsbehörde vertieft aufzuarbeiten. Der ENSI-Rat soll das ENSI anweisen, seine Aufsichtspraxis zu korrigieren und die Öffentlichkeit vollständig und lückenlos informieren darüber, was in Leibstadt in den vergangenen Jahren vorgefallen ist. Die Beschwerde wurde am Donnerstag, 15. Juni, eingereicht; Greenpeace erwartet eine rasche Untersuchung des Falls.