SubPagesTopPicture

Akteurin der nachhaltigen Architektur

Myriam Donzallaz trägt mit der Gestaltung zahlreicher Plus-Energie-Gebäude und -Häuser in Holzbauweise, von denen mehrere mit einem Solarpreis ausgezeichnet wurden, zur Weiterentwicklung der Solarenergie und der nachhaltigen Architektur in der Schweiz bei. Im Jahr 2017 hat sie mit mehreren Kollegen die Leitung des Büros Lutz Architectes übernommen.

Text: Joëlle Hérin

Solarfrauen

Weil es nur wenige Frauen im Energiebereich gibt, ist es nicht immer ein­fach, sie in dieser Zeitschrift angemessen zu repräsentieren. Wo Frauen allerdings nicht sichtbar sind, da können sie von anderen Frauen auch nicht als Vorbild gesehen werden. Dieser Artikel bildet deshalb den dritten Teil einer Se­rie, in der wir mit verschiedenen Frauen über ihre Arbeit, ihr Enga­gement und ihre Erfahrungen in der Solarbranche sprechen.

«Da ich es liebe, zu zeichnen und in konkreten Projekten zu arbeiten, habe ich – eher ein wenig zufällig – eine Lehre als Bauzeichnerin in Neuenburg begonnen. Durch diese Lehre habe ich erste Berufserfahrung sammeln können und die Ausbildung später abgeschlossen», erinnert sich Myriam Donzallaz. Ihr gefiel ihr Beruf sehr, sodass sie sich entschied, diesen Weg weiterzugehen. Myriam Donzallaz begann eine Architekturausbildung an der Fachhochschule Westschweiz in Freiburg. Mit ihrem Diplom in der Tasche trat sie 2005 in ein eher traditionelles Architekturbüro ein, in dem Beton eine vorherrschende Stellung einnahm. Der Einbezug energetischer Überlegungen und Aspekte hatte dort keine Priorität.
Schon während ihrer Ausbildung in Freiburg hatte die junge Frau aber Conrad Lutz und sein Architekturbüro entdeckt, einen Pionier des Holzbaus, des sparsamen Energieverbrauchs und in Sachen Nachhaltigkeit. «Am Anfang war es die Holzkonstruktion, die mich gereizt hat. Später kam das Interesse an Energieeffizienz, erneuerbaren Energiequellen wie Solarenergie sowie der Kohärenz eines insgesamt nachhaltigen Ansatzes hinzu.» 2009 wurde ihre Bewerbung angenommen, Myriam Donzallaz verstärkte das Team und konzipierte und begleitete zunächst Projekte als Architektin, Projektleiterin und Bauleiterin.
Als Conrad Lutz 2017 in den Ruhestand ging, entschloss sie sich, mit mehreren Kollegen die Leitung des Architekturbüros Lutz zu übernehmen. Gemeinsam arbeiten sie nun daran, den Pioniergeist des Unternehmens aufrechtzuerhalten und die Grenzen der Nachhaltigkeit noch weiter auszuloten. Zu den Themen, die Myriam Donzallaz besonders am Herzen liegen, zählen neben der Energieeffizienz, der Solarenergie und dem Holzbau auch die Integration natürlicher Materialien wie Holzwolle oder Zellulosedämmung oder auch der Kalkputz, der das Gebäude atmen lässt. Alle diese Materialien haben den Vorteil, dass sie die graue Energie im Gebäude zu reduzieren vermögen und gleichzeitig eine hervorragende Luftqualität gewährleisten.
Für Myriam Donzallaz ist ein Projekt besonders erfolgreich, wenn es gelingt, die Erwartungen und die Lebensweise der zukünftigen Nutzerinnen und Nutzer, die Eigenheiten des Ortes und einen hohen Anspruch an die Nachhaltigkeit des Gebäudes unter einen Hut zu bringen. Wenn es sich um eine Renovation eines bestehenden Gebäudes handelt, ist die Wiederverwendung von Vorhandenem zusätzlich ein wichtiges Element. Zu verstehen, wie die (zukünftigen) Bewohner leben und wie sie sich in den Prozess einbringen, ist für sie ein Schlüsselfaktor für den Erfolg eines Projekts. Glücklicherweise haben die meisten Kunden, die zu Lutz Architekten kommen, selbst bereits sehr ehrgeizige Ziele in Bezug auf die Nachhaltigkeit.
Die grösste Herausforderung besteht darin, innerhalb eines begrenzten Budget­rahmens ein kohärentes nachhaltiges Projekt zu verwirklichen. Oft müssen schwierige Entscheidungen getroffen werden, weil aus finanziellen Gründen nicht alles gemacht werden kann. Jedes Projekt ist je nach Standort, Eigentümerinnen und Eigentümern und zukünftigen Bewohnenden einzigartig. Myriam Donzallaz ist überrascht, dass nur so wenige Hauseigentümer einen ambitionierten nachhaltigen Ansatz verfolgen, zumal die Mehrkosten nur etwa 10 % im Vergleich zu einer traditionellen Bauweise betragen.

Wegweisende positive Energieprojekte

Myriam Donzallaz hat die Realisation mehrerer zukunftsweisender Projekte ermöglicht. Bereits 2015 arbeitete sie als Architektin und Projektleiterin, aber auch als Bauleiterin und Wohnungsentwicklerin, an einem Bauprojekt in Riaz (FR). Ziel des Projekts war es, Wohnungen nach dem Minergie-P-Eco-Standard zu planen, zu bauen und zu verkaufen. Im Projekt wurde eine Eigenverbrauchsgemeinschaft gegründet, um den Eigenverbrauch zu optimieren und so die finanzielle Rendite unter den aktuellen Rahmenbedingungen zu maximieren. Die Solaranlage produziert mit den Solarmodulen auf den Dächern rund 24 500 kWh Strom im Jahr. Um sicherzustellen, dass alle Bewohner zur Optimierung beitragen und die Zeiten hoher Solarenergie-Eigenproduktion optimal nutzen, werden Empfehlungen erarbeitet und regelmässig verteilt. Durch die Optimierung des Verhaltens in diesem energieeffizienten Gebäude sind die Energiekosten minimal, nämlich 300 Franken pro Haushalt, inklusive Wärme und Strom.
Myriam Donzallaz und ihr Mann waren derart von diesem Projekt überzeugt, dass sie sogar eine der gebauten Wohnungen gekauft haben. So haben sie nun die Möglichkeit, den Komfort eines energieeffizienten Hauses aus natürlichen Materialien selbst zu erleben. Die Erfahrungen seien äusserst positiv, was Myriam Donzallaz und auch ihr Architekturbüro in ihren Ambitionen bestätigt.
2020 erhielt das von Myriam Donzallaz entworfene Plusenergiehaus der Familie Meuwly den Schweizer Solarpreis in der Kategorie PlusEnergieBauten (PEB). Diese neue Villa in Pringy (FR) ist konsequent auf Solarenergie ausgerichtet. Dank vorbildlicher Wärmedämmung von Dach und Wänden, der LED-Beleuchtung und den effizienten Haushaltsgeräten verbraucht der Holzbau lediglich 6800 kWh/a. Die ästhetisch gut in das Gesamtdach integrierte 24-kW-PV-Anlage erzeugt 23 500 kWh/a. Mit einem Eigenenergieversorgungsgrad von 342 % hat die Villa auch die höchste Quote in der Romandie für den Schweizer Solarpreis 2020. «Dieser ausgezeichnete PEB-Bau, den wir realisiert haben, als ich mit meinen Kollegen zusammen bereits die Leitung des Architekturbüros Lutz übernommen hatte, bestätigt den Pioniercharakter unserer Projekte. Wir haben die Herausforderung, der wir uns mit der Übernahme des Büros gestellt hatten, gemeistert.»
Wegen Platzmangel hat Myriam Donzallaz kürzlich ein Minergie-P-Haus mit bioklimatischer Architektur für ihre Familie entworfen. Aus Schweizer Holz gebaut, sehr gut gedämmt und nach Süden ausgerichtet, nutzt das Haus das Potenzial der passiven Sonnenenergie optimal. Eine Wärmepumpe sorgt wenn nötig für die zusätzliche Wärme zur Regulierung der Innentemperatur. Die installierten PV-Module liefern auch bei diesem Haus mehr Strom, als für den Haushaltsverbrauch und zum Aufladen eines Elektroautos benötigt wird. Mit einer Eigenproduktionsquote von 185 % erhielt dieses schöne Projekt Anfang November dafür einen Solarpreis 2021. Was für ein inspirierendes Beispiel für bestehende und zukünftige Architekten!

Und die Zukunft?

Fragt man Myriam Donzallaz, was sie gemacht hätte, wenn sie nicht Architektin geworden wäre, kommt die Antwort sehr rasch: «Diese Frage habe ich mir nie gestellt, weil mir meine Arbeit sehr gefällt! Was mich an diesem Job fasziniert, ist die Vielfalt der Tätigkeiten, von der Kreativität über die Technik, die Beziehungen zu Kunden und Unternehmen bis hin zur Konsistenz unseres nachhaltigen Ansatzes.» Eine solche Begeisterung für den eigenen Beruf kann andere nur motivieren, den gleichen Weg zu gehen und die nachhaltige Architektur weiter voranzutreiben.
Um die Energiewende zu beschleunigen und den Weg zur Nachhaltigkeit weiterzugehen, bleibt jedoch noch viel zu tun. Um die grossen Immobilienanbieter zur Gebäudesanierung zu bewegen, müssten bestimmte Rahmenbedingungen angepasst werden: Einsparungen beim Energieverbrauch sollten nicht nur Mieterinnen und Mietern, sondern auch Eigentümerinnen und Eigentümern zugutekommen. Andererseits sind die Einspeisevergütungen für Solarstrom unzureichend und sollten erhöht werden. In Bulle (FR) zum Beispiel erhielten die Anlagebetreibenden nur 8,5 Rappen pro kWh, während der Kaufpreis für den Strom 21 Rappen pro kWh betrage. Für Myriam Donzallaz müssen zudem auf Seiten der Bauherren und Investoren – aber auch auf Seiten der Architekten – die Ambitionen hinsichtlich der Nachhaltigkeit des Bauens zunehmen. Wenn alle im aktuellen Rahmen bereits vorhandenen Unterstützungen und Standards voll ausgeschöpft würden, wäre das schon ein grosser Fortschritt.

www.lutz-architectes.ch