Es gibt längst dezentrale und flexible Lösungen im Kleinen, wie das Beispiel der Familie Delzer aus Lörrach-Haagen beweist. Seit 30 Jahren lebt sie in ihrem Zweifamilienhaus energetisch unabhängig ohne Anschluss an das Stromnetz. Geschickt geplante und kombinierte Technik, die bereits etabliert ist und sich bewährt hat, macht dies möglich.
Pressedienst
Diplom-Ingenieur Siegfried Delzer und seine Familie suchten in den 1980er Jahren nach einer eigenen Lösung für nachhaltiges Wohnen und Leben. «Wir wollten einen Anfang im Kleinen mit einfacher Technik. Ein radikales Experiment, aber mit der nötigen Behaglichkeit und Außenwirkung», sagt er. Mit dieser Prämisse plante er sein Haus in Lörrach-Haagen selbst.
Seinen Entwurf prägte der Gedanke, dass es gewinnbringender ist, effizient mit Energie umzugehen, als möglichst viel davon zu produzieren. Der Ingenieur nutzte bereits in der Planungsphase das von ihm entwickelte Computerprogramm, um das Gebäude zu simulieren. Dabei wurden beispielsweise die Temperaturverläufe im Haus, Wärmeverluste und die Heizung sowie der Gesamtenergieverbrauch dargestellt und überprüft. Delzer vermutet, «dass unser Haus eines der ersten, wenn nicht das erste Gebäude sein dürfte, das anhand einer dynamischen Gebäudesimulation auf Energiebedarf und Behaglichkeit mit all seinen Wechselwirkungen inklusive der Hypokaustenheizung hin simuliert und optimiert wurde.»
Ein Haus als Konzept
Das Wohn-Bürohaus in Lörrach versteht Delzer als Konzept. lm Zentrum des Hauses steht ein neun Meter hoher Energieschacht, in dem ein Luft-Wasser-Wärmetauscher eingebaut ist, über den die Heizenergie umgeschlagen wird. Die Wärme stammt in der Regel aus den Kastenfenstern, die als Luftkollektor arbeiten. Häufig heizt der Luftkollektor die Wohnräume direkt.
Ein weitflächiges, geschlossenes System von Hohlräumen durchzieht Böden und Wände. Gespeist wird diese hypokaustenartige Hüllflächenheizung mit warmer Luft von 25 bis 30 °C aus dem Energieschacht. Die Flächenheizung erlaubt niedrige Raumtemperaturen und damit geringe Transmissionswärmeverluste. Im Winter ergänzt ein Kachelofen im zentral angeordneten Wohnbereich die Wärmegewinnung. Die geringen Verluste des Hauses und die Energiegewinnsysteme machen zusätzliches Heizen erst nach einigen sehr kalten und gleichzeitig sonnenarmen Tagen notwendig.
Eine Photovoltaikanlage deckt 90 Prozent des Strombedarfs. Anfallender Stromüberschuss wird in einer 24 Volt Gabelstaplerbatterie gespeichert oder in Form von Wärme abgegeben. Als alternativer Stromlieferant arbeitet ein Dieselmotor als Kraft-Wärme-Kopplungsanlage. Je nach Winter läuft dieser nur 50 bis 100 Stunden im Jahr.
Schritt für Schritt zum Nullenergiehaus
Sein Haus hat Delzer bewusst so konzipiert, dass die verwendeten, konventionellen Materialien und technischen Komponenten jederzeit durch neuere und effizientere Entwicklungen ersetzt werden können. Auf diese Weise wird sich das Haus von einem Niedrigenergiehaus im Inselbetrieb über ein 100 Prozent Regenerativhaus zu einem Nullenergiehaus wandeln. Die Handwerker haben die Umsetzung für 2018 zugesagt. Selbst der Betrieb als Plusenergiehaus sei möglich, ohne dass ein Stromnetz den Stromüberschuss im Sommer aufnimmt und im Winter bei erhöhtem Bedarf wieder zurückgibt.
«Wir wollen mit dem Konzept unseres Hauses andere ermutigen, diesen Weg zur Energieunabhängigkeit zu gehen. Unsere 30 Jahre Erfahrung haben bewiesen, dass dezentrale Lösungen auch wirtschaftlich sind», sagt Delzer. Generell wurde die Technik im Haus immer zu Ende genutzt. Dahinter steckt der Gedanke der Gesamtenergiebilanz, die den Verbrauch endlicher Rohstoffe zur Erzeugung neuer Produkte sowie die Energie zur Herstellung neuer Produkte berücksichtigt. Nach inzwischen drei Jahrzehnten im Haus lebt Familie Delzer daher erst mit der zweiten Technikgeneration. Zu verdanken sind die langen Nutzungszeiten hauptsächlich der Einfachheit der Systeme.