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19. Nationale Photovoltaik-Tagung: Die Motivation für den PV-Ausbau ist gross

David Stickelberger, Geschäftsleiter Swissolar, freute sich, die Branche live im Kursaal Bern zur 19. Nationalen Photovoltaik-Tagung begrüssen zu können. Foto: Claudio De Boni

Die Schweizer Solarbranche traf sich Anfang Juli in Bern. Thema war die Transformation der Schweizer ­Energieversorgung. Nach dem knappen Nein zum CO2-Gesetz brauche die Schweiz erst recht rasche und wirksame Massnahmen zur Reduktion des Verbrauchs fossiler Energien, so der Tenor. Unbestritten ist: Das grösste Potenzial zur Stromerzeugung in der Schweiz hat die Photovoltaik.

Text: Beat Kohler

«Wir lassen uns durch einen Rückschlag nicht demotivieren», erklärte Regierungsrat Christoph Ammann, Wirtschafts-, Energie- und Umweltdirektor des Kantons Bern, zum Auftakt der 19. Nationalen Photovoltaik-Tagung im Kursaal Bern hinsichtlich der verloren gegangenen nationalen CO2-Abstimmung. Er zog dabei einen Vergleich zur Schweizer Fussballnationalmannschaft, die sich an der Europameisterschaft von Gegentoren auch nicht habe aus dem Konzept bringen lassen. Er versprach, dass es im Kanton mit der anstehenden Revision des Energiegesetzes zu einem massiven Abbau der administrativen Hürden beim Ausbau der erneuerbaren Energien kommen werde.

Dekarbonisierung heisst Elektrifizierung

Wie verschiedene Referenten klar unterstrichen, braucht es massiv mehr erneuerbare Energien in der Schweiz. So sagte Michael Frank, Direktor Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen VSE, dass die hinsichtlich der Klimakrise notwendige Dekarbonisierung unserer Gesellschaft gleichbedeutend mit der Elektrifizierung sei. Mobilität und Heizungen verursachen zusammen mehr als die Hälfte unserer Treibhausgasemissionen. Entsprechend gross ist der Hebel, wenn diese Sektoren elektrifiziert werden. Die steigenden Verkaufszahlen bei der Elektromobilität und den Wärmepumpen zeigten, dass dieser Wandel bereits im Gang sei, erklärte Swissolar. Momentan stagnierten zwar trotz angelaufener Elektrifizierung die Stromverbrauchszahlen, aber längerfristig dürften sie wieder ansteigen, während gleichzeitig der Wegfall der Atomkraftwerke zu kompensieren sei.

Einigkeit über das Potenzial der Photovoltaik

Die Referenten auf der Bühne des Berner Kursaals demonstrierten weitgehenden Konsens darüber, dass der absehbare zusätzliche Schweizer Strombedarf zu einem Grossteil mit PV zu decken ist. Bezogen auf die Realisierung des Ausbaus der Photovoltaik spürte man in vielen Referaten einen gewissen Kampfgeist oder gar eine Aufbruchstimmung. Benoît Revaz, Direktor Bundesamt für Energie, sprach davon, dass die Photovoltaik beim notwendigen Ausbau der erneuerbaren Energien das «grösste Stück vom Kuchen» erhalten werde. Er rechne mit einem forcierten Ausbau, und der Erfolg der Photovoltaik werde zum Erfolg der Schweiz beitragen. Die Energieperspektiven 2050+ des Bundesrats rechnen mit jährlich 34 TWh Solarstromproduktion bis 2050. Aus Sicht von Swissolar sollen es gar 45 TWh sein. Viel einfacher als die MondlandungWeit über die PV-Branche hinaus besteht Einigkeit, dass der jährliche PV-Zubau gegenüber heute rasch um den Faktor 3 bis 4 gesteigert werden muss. Michael Frank betonte, dass auch der VSE für den ­Ausbau der erneuerbaren Energien einstehe und die Ausbauziele richtig seien. Dennoch bestehe in der Schweiz eine Blockade ­wegen fehlender investitionsfreundlicher Rahmenbedingungen und fehlender gesellschaftlicher Akzeptanz. Der Ausbau sei aber zu bewerkstelligen: «Wir sprechen hier nicht von der Komplexität einer Mondlandung», so Frank. Es brauche politische Rahmenbedingungen, um den Ausbau der erneuerbaren Energien stärker voranzutreiben. Für die Photovoltaik bedeutet das für Frank unter anderem auch eine einheitliche Einspeisevergütung, um die Investitionssicherheit zu erhöhen. Er schlug vor, dass eine zentrale Stelle geschaffen wird, die den Solarstrom abnimmt und vergütet.

Hindernisse in den Köpfen und in der Politik

Welche möglichen Hindernisse die Schweiz auf ihrem Weg zu 50 GW oder 45 TWh Solarstrom zu überwinden hat, darauf ging auch Christophe Ballif, Direktor EPFL PV-Lab und CSEM PV-Center, Neuenburg, ein. Nach einer neuen Auswertung von Swissolar bergen kleinere und mittlere Anlagen von unter 150 Quadratmetern auf den Dächern von Ein- und Mehrfamilienhäusern fast die Hälfte des einfach erschliessbaren Solarpotenzials. Gerade hier gibt es aber spezifische Hindernisse, wie Ballif aufzeigte. Er wies zum Beispiel darauf hin, dass in der Schweiz jedes Jahr Potenzial im Gigawattbereich vergeben wird, indem lediglich ein kleiner Teil der Dächer mit Anlagen belegt wird. Dies weil die Anlagen nur auf den Eigenverbrauch ausgerichtet seien. Seitens der Installateure müsse deshalb die Kommunikation positiver werden. Sie müssten einen maximalen Ausbau der Flächen anstreben und dafür ihre Kunden «zum Träumen verleiten». Es brauche aber auch Mindestanforderungen für neue und renovierte Dächer oder spezielle Fördermechanismen für Anlagen, die mindestens 80% der Dachfläche nutzten. Grundsätzlich seien 35–50 GW PV in der Schweiz machbar, so Ballif. Dafür brauche es aber politische Unterstützung, beispielsweise bei der Strommarktregulierung.

Photovoltaik verbessert ihre CO2-Bilanz deutlich

Erfreulich ist, dass ein Vorurteil gegen die Photovoltaik, das noch in vielen Köpfen herumgegeistert ist, weiter entkräftet werden konnte. Rolf Frischknecht, IEA PVPS Task 12 «PV Sustainability Activities» und Geschäftsführer Treeze GmbH, erläuterte in seinem Referat die aktuelle Ökobilanz der Photovoltaik: Innerhalb von zehn Jahren hat sich die CO2-Bilanz der Photovoltaik weiter massiv verbessert. «Der Umweltfussabdruck von PV-Strom wurde deutlich gesenkt», hielt Frischknecht fest. Der CO2-Ausstoss über den ganzen Lebenszyklus konnte halbiert werden. Bei Mono-Si-Zellen konnte der CO2-Ausstoss pro kWh sogar um 60% gesenkt werden, wie Frischknecht ausführte. Die Treibhaus­gas­emissionen der Photovoltaik lägen heute unter Berücksichtigung aller Faktoren deutlich unter 50 g CO2-Äquivalent pro kWh. Gleichzeitig liefert heute eine PV-Anlage während ihrer Lebensdauer 15- bis 20-mal mehr Energie als ihre Herstellung benötigt. Bei allen erfreulichen Entwicklungen, was die Umweltbelastung durch die Photovoltaik angeht, wies Frischknecht aber auch auf eine grosse Herausforderung für die PV-Industrie hin: das Einhalten minimaler Sozialstandards in der Lieferkette.

​Der Beitrag alpiner Anlagen

Dass sich der angestrebte Ausbau der Photovoltaik möglicherweise nicht alleine mit den Dach- und Fassadenflächen bewerkstelligen lassen wird und insbesondere für die Produktion im Winter auch noch andere Lösungen in Betracht gezogen werden müssen, war in verschiedenen Referaten zu hören. Ein Weg wären alpine Solaranlagen, die eine deutlich höhere Winterproduktion haben als solche im Mittelland. Das verdeutlichte beispielsweise Tamás Szacsvay, Reech GmbH, Zizers. Seine Firma verfügt über grosse Erfahrung mit solchen Anlagen. Wesentlich sei, dass verhindert werde, dass die Anlagen mit Schnee bedeckt würden, entweder durch einen steilen Anstellwinkel oder durch eine vertikale Modulanordnung. Anlagen beispielsweise auf Dächern in St. Moritz, aber auch an der Albigna-Staumauer stellten unter Beweis, dass Photovoltaik zuverlässig Winterstrom liefere. Dies ohne Belegung von Freiflächen, sondern nur durch die Nutzung von Flachdächern und Infrastrukturbauten, so Szacsvay.

Einstand für den neuen ­Präsidenten

Nationalrat Jürg Grossen (GLP) gab an der PV-Tagung seinen Einstand als neuer Swissolar-Präsident. Er hat grosse Ziele: Die Schweiz soll ohne Atomstrom und ohne Importabhängigkeit netto null CO2-Ausstoss erreichen. Dafür sprach er einerseits von einem massiven Ausbau der Photovoltaik, aber auch von einer massiven Verbesserung der Effizienz von bis zu 40% und von Stromspeicherung mittels Power-to-x. Bezogen auf die aktuelle politische Diskussion stellte Grossen Forderungen auf, wie zum Beispiel eine höhere Vergütung für die Winterstromproduktion, die sehr zentral sei, oder die Förderung von Anlagen ohne Eigenverbrauch. Als notwendige Korrektur im vorliegenden Mantelerlass des Bundesrates forderte Grossen einen Rückliefertarif von 10 Rp./kWh für Solarstrom. Damit könnte für alle PV-Anlagen Investitionssicherheit geschaffen werden. Ein minimaler Rückliefertarif von 10 Rp./kWh, wie ihn kürzlich der Verband unabhängiger Energieerzeuger (VESE) gefordert hat, wäre dazu ein probates Mittel. Schützenhilfe erhielt er von seinem Vorgänger an der Spitze von Swissolar, Roger Nordmann. Auch der SP-Nationalrat forderte Korrekturen am Erlass. So dürfe es nicht sein, dass Pumpspeicherkraftwerke bessergestellt würden, wie sich das «alte Strombarone» vorstellten. Im aktuellen Gesetzesentwurf würden diese Werke als einzige Speichertechnologie von Netzabgaben befreit. Auch Nordmann forderte einmal mehr den massiven Ausbau der Photovoltaik, aber auch, dass der so produzierte Strom vor allem lokal gut verwertet wird.

Die Richtung beginnt zu stimmen

Immerhin stellt Swissolar fest, dass sich in der Politik schon einiges mindestens in die richtige Richtung bewegt: Mit dem vom Bundesrat vorgestellten «Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien» soll mittels Anpassung der Förderung und mit Änderungen im Strommarkt ein jährlicher PV-Ausbau von 700 MW erreicht werden. Immerhin fast eine Verdoppelung des heutigen Zubaus, aber nicht genug. Es brauche deshalb rasch weitere optimierte Rahmenbedingungen und mehr Investitionssicherheit, damit das immense brachliegende Potenzial auf Schweizer Dächern und Fassaden genutzt wird. Damit würden auch Tausende von Stellen in den Regionen geschaffen werden, schreibt Swissolar. Laut einer ZHAW-Studie könnte eine Solaroffensive in den nächsten fünf Jahren rund 10 000 zusätzliche Stellen schaffen und damit den wirtschaftlichen Aufschwung nach der Coronapandemie massgeblich unterstützen. Einen Aufschwung nach der Coronapandemie hat auf jeden Fall bereits die Nationale Photovoltaik-Tagung erlebt. Die vielen anwesenden Vertreterinnen und Vertreter der Branche wiesen darauf hin, wie sehr man es geschätzt hat, dass man sich wieder einmal live treffen konnte.

www.swissolar.ch